schollen sich in Bewegung setzte und dann konnte in dem für
kurze Zeit freien Wasser ein Prahm übergeführt werden. So kamen
im Laufe von 8 Stunden sämmtliche Wagen glücklich hinüber.
Freilich würde dies am ersten Ostertage wol nicht zu erreichen
gewesen sein, hätte nicht der Ispravnik die Güte gehabt uns
persönlich zu begleiten. Und er begnügte sich nicht blos bis zum
Tobol, sondern, fuhr uns noch bis-zur fünften Station, dem Dorfe
Uslamenka, (Ust-Laminsk) voraus, welches wir Abends 7‘/2 Uhr
erreichten, um von hier aus, nach herzlichem Abschiede, an 120
Werst (über 17 deutsche Meilen) sofort wieder zurückzureisen.
Wie bei unserer Abreise von Tjumen hatten wir in Jalutorowsk
schönes Wetter mit Sonnenschein gehabt, der das unendlich aufgeweichte
Erdreich anfing abzutrocknen. Die Anzeichen des herannahenden
Frühlings mehrten sich. Schon bei Kasan begrüssten uns
die ersten Lerchen und Staare (27. März), in Tjumen (13. April),
die erste Bachstelze, hier trafen wir (14. April) den ersten Steinschmätzer
(Saxicola oenanthe), Kraniche, wilde Gänse und die Staare
waren eifrig beschäftigt die hübschen Wohnungen für ihre Nachkommenschaft
einzurichten. Auch das Insectenleben regte sich;
wir sahen die ersten Schmetterlinge, (Vanessa Antiope, Jo, urticae
und Colias rhamni, unsern Trauerfalter, Fuchs und Citronenfalter,
Pfauenauge) sich im Sonnenschein tummeln, und in den Lachen
frischen Schmelzwassers tanzten bereits lustige Sehaaren kleiner
Schwimmkäfer. Dennoch war noch von einem Vogelzüge im Grossen
nicht die Rede, und schon am 17. April trübte sich der Himmel,
• entsendete dichte Schneeschauer, und es wurde wieder winterlich.
Ueber die Gegend zwischen Tjumen und Omsk lässt sich nicht
viel mehr sagen, als dass sie recht langweilig ist. Zwar spricht
man hier schon von „Stjep“, aber sie erscheint ganz 'anders als
man sich dieselbe gedacht hatte. — Hinter Tjumen passirt man
weite angebaute Strecken, dann kommt sandige, mit Kiefern bestandene
Haide, die ebenso gut in der Mark sein könnte, aber die
Hauptsache bleibt doch hie und da mit Kiefern und krüppeligen
Birken bestandene Schwarzerde, welche in Folge der Frühjahrsüberschwemmungen
an manchen Stellen bruchartigen Charakter
zeigt. Obwol der Schnee im Grossen und Ganzen verschwunden
war, so bildete die Landstrasse doch noch immer einen, mit Schnee
und Eis bedeckten Damm, der uns viel Schwierigkeiten bereitete
und nicht selten zu weiten Umwegen über Wiesen uiid unbebautes
Land zwang. Das Fortkommen in der aufgeweichten Schwarzerde
ist nicht minder mühselig. Die Räder arbeiten sich nur schwer in
der zähen, leimartigen Masse durch, die bald von brei-, bald von
suppenartiger Consistenz, im Laufe einer Station von 3 bis 4 Meilen,
Gefährt und Alles was dazu gehört, gehörig kennzeichnet. Wer
im Banat oder der Türkei eine Büffelheerde gesehen, die durch
Wälzen im Schlamm das kahle Fell gleichsam mit einem Panzer,
zum Schutze gegen Mückenstiche gesichert bat, kann sich einen
Begriff von unserem Aussehen machen, als wir am Nachmittag des
anderen Tages (17. April) in Ischim einzogen und im Hause des
Bürgermeisters Pompe Gregorewitsch Posnikoff abstiegen. Es muss
bei der peinlichen Sauberkeit im Innern der sibirischen Holzhäuser
für die Hausfrau eben keine heitere Ueberraschung sein, Gäste in
solchem Zustande ankommen zu sehen, die bei Schritt und Tritt
Spuren zurücklassen, aber man kann seine Entschuldigungen selten
anbringen, da in so kleinen Städten die Dame des Hauses meist
unsichtbar bleibt. Wir thaten dem uns freundlichst angebotenen
Mahle alle Ehre an, und unser Gastfreund war so liebenswürdig,
uns belehrende Mittheilung über Land und Leute zu machen.
Ischim ist eine kleine Stadt von dorfartigem Ansehen, aber
mit eine der ältesten Städte Sibiriens, da sie bereits 1630 gegründet
wurde, - zählt jedoch nur an 5000 Einwohner (5852 nach dem Petersb.
Kalender). Wegen ihres Jahrmarktes, der vom 1. bis 20. December
stattfindet, hat sie besondere Wichtigkeit. Zu demselben sollen an
20,000 (?) Fremde, bis von Semipalatinsk und Tomsk herbeiströmen,
und der Umsatz über 5 Millionen Rubel (nach v. Lengenfeldt nur
2,352,000) betragen. Der Hauptartikel ist Getreide, in erster Linie
Roggen, welcher als Mehl bis Bereosoff und Obdorsk verführt wird,
ausserdem Weizen, Gerste, Leinsaamen (25—60 Kopeken das Pud),
rohe Häute, Butter und Talg. Von letzteren beiden Artikeln werden
an 300,000 Pud umgesetzt.
Trotzdem wir uns bei dem guten Bürgermeister nur 2'/2 Stunde
aufgehalten hatten und bereits um 4‘/2 Uhr Nachmittags aufbrachen,
kamen wir doch nur 2 Stationen (44 Werst) weit, denn bei der
totalen Finsterniss blieb eine Tarantass im Koth stecken und es
bedurfte zweistündiger anstrengender Arbeit und der Kräfte von
12 Pferden, um sie wieder flott zu kriegen.
Drei Stationen hinter Ischim, bei dem Dorfe Abatskaja, passirt
man den Ischim Fluss, desseu Eisdecke durch Bretter unterstützt
F in s c h , Reise, I, a