er in der Salzsteppe bei Weitem nicht so arg ist. Er dringt selbst
in das Innere der anscheinend hermetisch verschlossenen Koffer und
wirkt namentlich anf die Angen sehr nachtheilig, für welche eine
Staubbrille fast unerlässlich wird. War die durch Regenwetter zu
Brei erweichte Strasse oft verwünscht worden, weil man fortwährend
von Koth bespritzt wurde, so erschien jenes Uebel diesem gegenüber
leicht, aber an sie alle muss man sich in Sibirien gewöhnen! Gegen
Abend leuchtete das hohe rothe, anscheinend aus Schiefer bestehende,
Ufer des Flusses Jnja entgegen, kurz ehe wir die Station Ust-Sos-
novska (Ust-Sosnowskoje) erreichten, wo mich ein Pristav (Kreischef)
erwartete, um mich im Aufträge des Herrn Gouverneurs von Tomsk
bis dorthin zu begleiten. Während umgespannt wurde, erzählte mir,
Angesichts des auffallenden Ufers, der Pristav, dass 200 W. von
Tomsk, unweit des Dorfes Pisanka, der Tom rechts ähnliche Gebilde
zeige, welche aber dadurch besonders merkwürdig seien, dass die
Uferwand in rohen Umrissen, c. 1 Arschin grosse eingravirte Figuren,
verschiedenerlei Thiere und Menschen vorstellend, aufzuweisen habe,
deren Gesichter alle nach Süden gewendet seien. Nur der Erzbischof
von Tomsk solle diese Stelle*) besucht haben, welche für Alterthumsforscher
ohne Zweifel von hohem Interesse sein muss.
Nachdem wir in der nächsten Station Kokui, Kokuinsk, oder
Kukuiskaja (Abends 9 Uhr, zum zweiten Male an diesem Tage)
Etwas (Milch und Eier) genossen hatten, fuhren wir die ganze Nacht
durch, wie es Sibirienreisenden zukommt. Dabei merkte man recht
deutlich, dass wir nach Norden vordrangen. Zwar ging die Sonne
unter, aber der Schein des Abend- und Morgenrothes gingen fast
ineinander über. Noeh um Mitternacht zeigte sich ein mattoranger,
oberhalb in’s Grünfahle übergehender Schein als letzter Scheidegruss
der Sonne, der den westlichen Himmel noeh sanft färbte, während
im Osten schon das blasse Gelb des Morgens sich ausznbreiten
anfing. Gegen diesen magisch beleuchteten Himmel stach das Dunkel
der Niederungen scharf ab, und die den Horizont begrenzenden
*) J. G. Gmelin beschreibt dieselbe (L p. 304), welche schon zu seiner Zeit
(1734) durch „viele übelgeartete Leute“ beschädigt war und jetzt vielleicht noch
mehr vernichtet worden sein mag. Aehnlich scheint die durch sonderbare alte
Malereien verzierte Felswand (Pisanoi-KameDi d. h. gemalte Steine) des Jenissei
bei Krasnojarsk (Gmelin p. 378) und die Thierfiguren (Argali, Elen, Steinbock)
am Dolen Kara (Meyer p. 254, Taf. 13 f. L) und am Abakan, welche Castren (p.
328) sämmtlich unbedenklich als „Mrghisischen Ursprunges“ erklärt.
Baumgruppen markirten sich gleich schwarzen Fröbel’schen Silhouetten,
die nur dadurch auf Augenblicke Leben erhielten, wenn sich
der Wagen des mir vorausfahrenden Ispravnik auf der Höhe, ebenfalls
nur in schwarzen Umrissen (gleich der Abbildung p. 21), zeigte.
Gegen Morgen 4 Uhr (li Juli) erblickten wir die waldigen Höhenzüge,
welche den Lauf des Tom bezeichnen und bald darauf den
Fluss selbst. Die Gegend fängt zugleich an sich zu verändern;
mühsam quälen sich die Pferde stellenweis durch Sand, in welchem
Kiefern düstere Gehölze bilden. Sie beschatten auch die aus Baumstämmen
errichteten Grabstätten der Kirchhöfe, welche friedlichen
Hainen gleichen. Kein Kreuz ziert sie, denn wir befinden uns
wieder im Gebiet des Islam, der seine Todten besser ehrt als hier
das Christenthum. Wir passiren hübsche tatarische Dörfer, mit
den bekannten, in der Bauart manchen Dorfkirchen bei uns ähnelnden
Moscheen, deren grosse Holzhäuser, wie fast allenthalben in
Sibirien, nicht selten in gewohnter Weise aus den Winkel gerathen
sind, aber Wohlhabenheit verrathen. Auf der Strasse fangt es an
beleht zu werden. Zahlreiche mit allerhand Provision beladene
Einspänner streben demselben Ziele wie wir zu und eine lange
Reihe hält bereits, den grossen Prahm zum Uebersetzen erwartend,
als wir auf 3om flachen Sandstrande des linken Tomufers (62 Meter
hoch über dem Meere) anlangen, muss uns aber Platz machen. Der
Strom, langsam seine schmutzige, gelbbraune Fluth fortwälzend, ist
beträchlich breit und imponirend, aber unbelebt und bietet ein
wenig anheimelndes Bild. Gegenüber ein aus gelblichen und weissen
Thon und Mergelschichten gebildetes Steilufer mit einigen Häusern,
das sich stromaufwärts herabsenkend dichte Baumgruppen, stromabwärts
eine Wiesenfläche zeigt, anf der sich 2 mit Kreuzen gezierte
Pfeiler erheben. Es sind die Wahrzeichen der Stadtmarknng, welche
wir bald passiren um gegen 8 Uhr im Hotel Europa abzusteigen
und hier für lange Zeit, nicht ohne sonderliches Bedauern’ von der
Tarantass Abschied zu nehmen.
Ich durfte mit der letzten Tour, welche von Bamaul bis Salai'r
170 W. von da bis Tomsk 292 W. im Ganzen also 462 W,
(= 66 d. M.) beträgt, wol zufrieden sein. Die letzte Strecke
(292 W. c. 42 d. M.) hatten wir in c. 27 Stunden zurückgelegt,
meine Gefährten allerdings in nur 23 Stunden. Aber sie hatten
eine leichtere Tarantass und reisten ohne den so zeitraubenden
Anhang zweier Gepäckwagen, die in perekladneja gingen d. h. an