beste Schutz. So wagten es unsere Begleiter nie einen auf einsamer
Tundra zurückgelassenen Schlitten, oder gar eine Fuchsfalle,*) än-
zutasten, so sehr wir auch dieser unverhofften Gabe an Brennmaterial
bedürftig waren. Yorsichtsmassregeln zur Verhütung von Diebstählen
werden freilich hie und da getroffen und zwar in eigentümlicher
Art. So fand ich bei solchen im Freien deponirten
Schätzen einmal einen hölzernen Reif, an dem 2 mit roh geschnitzten
Gesichtern verzierte Holzstäbe hingen. Ich war schon im Begriff
diese ethnographische ^Merkwürdigkeit mitzunehmen, als Hat, zufällig
herbeigekommen, dieselbe für sein Eigenthum und ein grossartiges
Heiligthum erklärte: den Reif zu einer Zaubertrommel!
Wie die Leute behaupteten war er selbst Schamane (Tatibe) und
nach seinem eigenen Geständniss fiel es ihm mit Hilfe dieses Reifens
leicht etwaige Diebe an seiner Habe sogleich zu entdecken. Da der
blosse Anblick schon alle Versucher abschreckte, so wünschte ich
unserer hohen Polizei ähnliche, billige und wirksame Talismane, und
empfand eine berechtigte Ehrfurcht vor dem einfachen Geräth.
Mit dem Verlassen des Ob waren Nebelkrähen und Elstern verschwunden,
das Thierleben überhaupt ärmer geworden, doch zeigten
*) Nach Schrenk (p. 316) wagen es die Samojeden an der Westseite des Ural
nicht mehr Schlitten unbewacht stehen zu lassen, weil sie sehr oft von Syrjanen
geplündert werden, die auch die Fuchsfallen vernichten sollen (p. 305).
sich einige neue Vogelgestalten. Der häufigste Raubvogel der Tundra,
die Sumpfohreule (Otus brachyotus) hatten wir, in ihren phantastischen
und schönen Flugbewegungen, schon wiederholt gesehen. Hier
kamen die Terek-Pfuhlschnepfe (Terekia cinerea), die pfeilschwänzige
Raubmöwe (Lestris parasitica) und der Temmineks-Strandläufer
(Tringa Temminckii) hinzu. Letzterer liess seinen trillernden Lockton
aus den dichten Erlengebüschen erschallen und wurde uns zur Beute
als Dr. Brehm dass Nest, eine blosse Vertiefung im Sande, mit
4 Eiern fand. Ich verwahrte dieselben in einer Schachtel mit
Watte und war, als ich letztere nach 4 Tagen Öffnete, nicht wenig
überrascht, reizende kleine Dunenjunge in derselben zu finden, welche
die Wärme gezeitigt hatte.
Nachdem ich die Leute von Hatje abgelohnt, das heisst Jedem
ausser 1V2 R- noch ein Messer und Tabak gegeben hatte, gingen
wir mit unserer eignen Mannschaft stromaufwärts und zwar auf begangenem
Treidelpfade, denn schon an der Gabelung hatten wir zuerst
die Fussspuren der uns vorausgegangenen russischen Expedition
gefunden.
War uns die Einförmigkeit der Uferscenerie am Ob schon langweilig
geworden, so musste dies an der Schtschutschja erst recht
der Fall sein. Immer und ewig dasselbe: wenig hohe Sand-, Lehmoder
Moorwänden mit Erlen und Weiden Vegetation, hie und da
offene Tundra oder dünenartige Sandberge, die oft mit Gruppen
hübscher Lärchen dicht besetzt sind. Von solchen Hügeln aus
übersieht man oft weithin die flache Gegend, die häufig von der
Uralkette malerisch begrenzt erscheint; man kann den Lauf des
Flusses, durch Sandberge und eine Reihe einzelstehender Lärchen,
gleich italienischen Pappeln längs einer Chaussee gekennzeichnet,
auf weite Strecken verfolgen. Zu geringem Behagen zeigt es sich
dann tsehr häufig, dass Einen der Abend kaum zehn bis zwölf Werst
entfernt von der Stelle, wo am Morgen das Lager stand, an der
entgegengesetzten Seite der Schlinge, finden wird. Denn die Sehlingen,
nicht Schlangenkrümmungen, in welcher sich die Schtschutschja
windet, sind ganz entsetzlich, und ich begriff es vollkommen, wenn
der verstorbene Petermann meine Kartenscizzen für übertrieben hielt.
Neben Tagebuchschreiben und Präpariren, bei welchem Letzteren
mir Martin Dserwit und Iwan bereits getreulich zur Seite standen,
gab es soviel zu thun, dass im Ganzen wenig Zeit zum Schlafen
übrig blieb, besonders da ich fast stets die Leute wecken musste.