von Kosaken und Kirghisen aufgebrochen. Der Weg führte anfangs
längs dem Fusse des Gebirges über sanfte Hügel, die hübsche Blicke
in das Thal brachten, in welchem sich der Lepsa- und Dschelonasch-
fluss, hie und da von hohen Pappeln und Weiden besäumt hinschlängelte.
Bald bogen wir aber in die Berge ein, wo es in einem
Anfangs breiten, sich aber mehr und mehr verengenden Thale stetig
aufwärts ging und zwar auf einem Wege der immer schlechter
wurde bis er sich endlich für Tarantassen gänzlich unpracticabel
erwies. Sie mussten daher bei einem Häuschen zurückgelassen
werden, das von vieh- und bienenzüchtenden Russen bewohnt war
und Alles stieg zu Pferde, für welche die kirghisischen Grossen,
wie stets, in Auswahl gesorgt hatten. Der ziemlich breite Fluss
Aganykatschy den die Wagen schon mehrmals passiren mussten,
wurde schmaler, aber um so reissender und wand sich malerisch in
herrlich bewaldeten Schluchten dahin. Er durchströmt den Dschasil-
Kul und vereinigt sich fast schon im Thale mit dem Dschelonasch.
Die Vegetation, söwol was Blumenflor als Baumwuchs anbelangt,
musste das Herz jedes Naturfreundes erfüllen und zeigte selbst
dem Laienauge eine Mannigfaltigkeit, wie wir sie nicht wieder
sehen sollten. Während weiter unten im Thale Pappeln, Espen
und Weiden, in oft herrlichen Riesenexemplaren, vorherrschten, so
aufwärts Nadelhölzer, namentlich Pinus Schrenkiana. Eine ganz
neue Erscheinung waren die wilden Apfelbäume, die jetzt in voller
Pracht rosafarbener und rother Blüthen stehend, besonders überraschend
und bezaubernd wirkten. Sie zeigten, dass wir uns unter
dem milden Himmel südlich vom 46. Breitengrade befanden. Dieser
wilde Apfelbaum (Pyrus Sieverianus, Pall.) zeitigt eine zwar kleine,
aber essbare Frucht, von ziemlich angenehmem säuerlich-süssem Ge-
schmaeke, die Mitte Juli reif wird und bei den Kirghisen sehr beliebt
ist. Um sich die Mühe des Abnehmens der Früchte zu ersparen
soll es leider häufig geschehen, dass die Eingeborenen einfach
den Baum umhauen. Nach A. Schrenk wächst dieser Apfelbaum
auch auf den nördlichsten Vorläufern des Ala-Tau, den Steppenhügeln
Tekely und nach v. Semenow findet er sich sogar noch weiter
nördlich in einer Schlucht des Tarbagatai, aber nur in dieser. Meyer’s
Angabe, dass er nebst wilden Kirschbäumen auch am Balchasch-See
wachse ist wol irrthümlich.
Wie die Aepfel, so fand sich ein Heer anderer in Blüthe stehender
Sträucher und Gewächse, die die ohnehin würzige, namentlich von
Traubenkirschen und Nadelhölzern erfüllte Gebirgsluft oft mit besonderen
balsamischen Düften durchwehte. Auf zum Theil sehr
steilen und beschwerlichen Saumpfaden, die indess gegen die, welche
wir später im Altai zu passiren hatten, reine Spielerei waren, er-
reichten wir, wenn ich nicht irre gegen 2 Uhr den See seihst, der
nach den Aneroid - Beobachtungen von Graf Waldburg-Zeil m
einer Höhe von 1400 Meter liegt und bei ca. 8 Werst Länge eine
Werst breit ist. Der See verdient den Namen „Dschasyl-Kul“ d. h.
der „grüne“ mit vollem Recht, denn seine Färbung, wenn auch
nicht so intensiv als die des Königssees, zeigt ein schönes Meergrün.
Die Umgebung trägt nicht wenig dazu bei den See in malerischen
Effecten zu einem, jenen Oberbayerns und des Salzkammerguts
mindestens ebenbürtigen zu erheben. Die zu beiden Seiten steil aufsteigenden
Ufer zeigen zwar nicht die senkrechten Felswände des
Königs- oder Achensees, -aber sie wirken durch den frischen Laubwald
der unteren Region und den bis in die schneeigen Kuppen
aufsteigenden Nadelwald nicht minder effectvoll. Die Temperatur
des Wassers betrug zu Mittag 9° R. (Graf Zeil). Wir lagerten am
flachen, hie und da mit chaotisch aufgehäuften Trümmergestein
(Granit) bedeckten nördlichen Ufer und konnten behaglich vor den
Jurten liegend, die Kameele bis hier herauf getragen hatten, das
herrliche Landschaftsbild in vollen, Zügen gemessen. Es war nicht
das grossartigste, jedenfalls aber das am meisten malerische, welches
wir auf der ganzen Reise zu sehen bekamen. Graf Waldburg, der
in dem Felslabyrinth des Ufers aufwärts kletterte, entdeckte in der
nordwestlichen Ecke des Sees, einen prächtigen durch einen Wasserfall
gebildeten Abfluss. Nachdem ein Imbiss, in dem unvermeidlichen
Pillaf und Hammel bestehend, verzehrt war, wurde gegen 5 Uhr
der Rückweg angetreten, der zwar schneller aber bedeutend schwieriger
war. Namentlich musste es Verwunderung erregen, dass die ohne
Hemmvorrichtung thalwärts sausenden Tarantassen, bei den oft
schroffen Abhängen und Flussübergängen, dazu noch bei eintretender
Dunkelheit, keinen Unfall erlitten. Freilich waren an gefährlichen
Stellen Berittene bereit, um den Wagen an Stricken zu halten und
man hörte daher sehr oft den kläglichen und uns längst geläufigen
Ruf „derdschi“ !
Gegen 11 Abends langten wir zwar tüchtig ermüdet, aber wohl-
gemuth und voll des herrlichen Naturgenusses in Lepsa wieder an.
Der folgende Tag brachte natürlich anstrengende Arbeit um
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