Grenze, resp. der chinesischen Provinz Tarbagatai vorkommt, versicherten
kirghisische Jäger. Aus dem Thien-shan wissen wir dies
durch Severtzoff und so dürfen wir annehmen, dass er auch dem
Kuen-Luen nicht fehlen wird, womit sich also die ungeheure Verbreitungskette
in so verschiedenen Gebirgssystemen gliedern und
schliessen würde.
Die guten Saissaner hatten es übrigens an freundlichem Entgegenkommen
und geselliger Unterhaltung nicht fehlen lassen. Wir
speisten in der gemüthlichen Familie Pander, besuchten eine Soiree
bei Obristlieutenant Brandt, die durch Tanz (es gab hier sogar ein
Pianino) und Feuerwerk besonderen Glanz erhielt und Major Tichanoff
gab uns zu Ehren eine „italienische Nacht“. Die Parkanlage jenseits
des Dschemeny war dabei durch bunte Lampions hübsch illuminirt
und das Sängercorps der Kosaken trug jene eigenartigen Weisen vor,
die auf den Westeuropäer oft ergreifend wirken. Wir hatten uns
daher in ausgedehntem Maasse liebenswürdiger Gastfreundschaft*) zu
erfreuen und schieden am 31. Mai Nachmittags 272 Uhr unter
herzlichstem Dank, s
Mit schnellen Pferden legten wir, trotz der beträchtlichen Hitze
die ca. 55 Werst (fast 3 d. M.) in sechs Stunden zurück und hatten
noch Aufenthalt dadurch, dass ein Gaul mit dem Vorderbeine in
die Stangen der vorausfahrenden Tarantass sprang, hängen blieb;
stürtzte und nur mit Mühe losgemacht werden konnte. Pferdewechsel
fand nur einmal statt und zwar am Kenderlik, einem ziemlich unbedeutenden
Flusse, aber etwas beträchtlicher als der Dschemeny,
den wir vorher passirt hatten. Noch bei Saissan wild und schäumend
durch Felsen brausend, ist er nach einstündigem Lauf schon zum
unbedeutenden Steppenfluss herabgesunken. Seine Ufer zeigten die
Mächtigkeit' des fetten schwarzen Bodens, der einstmals reiche Ernten
liefern wird. Jetzt erschien die Steppe so öde als bisher. Hohes,
*) Dass der „Ssibir“ (No. 42 1877), die einzige Zeitung Sibiriens, in Irkutsk
wöchentlich erscheinend, mit der pikanten Notiz, die deutsche Expedition habe
während des fünftägigen Aufenthaltes in Saissan bei Major Tichanoff für 300, schreibe
dreihundert Eubel! Champagner ausgetrunken, selbstredend eine blosse Lüge verbreitete.
machte ich bereits bekannt (Ssibir, No. 2, 12. Februar 1878 unter „Berichtigung“).
Gegenüber dieser und anderen Anschuldigungen in dem genannten
Blatte, muss ich bemerken, dass wir, abgesehen von den 2 Flaschen Champagner
in Burgasutai, welche ich selbstredend bezahlte (sie kosteten 13 Eubel), in Saissan
kaum 3 Flaschen getrunken haben dürften.
dürres Dschigras und als einziger Strauch von baumartigem Wuchs,
auffallend durch seine fast weissen Blätter Eleagnus hortensis, in
dem schwarzköpfige Bachstelzen und schwarzkehlige Wiesenschmätzer
wie immer die häufigsten Erscheinungen waren, wechselten mit Sumpf
und Bruch und reiner Sandsteppe, dje mit Sandhafer besetzt war.
Hie und da traten weisse Salzefflorescenzen auf, mit den gewöhnlichen
Salzpflanzen, und an anderen weitausgedehnten^Strecken wuchs
nichts alsTschingin, ein langstacheliger Strauch, und Lieblingsnahrung
des Kameels. Nachdem wir noch eine Reihe mächtiger Dünen
passirt, stiegen wir zu dem Ufergelände des schwarzen Irtisch (Kara-,
Tschornyi-Werchni- Irtisch) herab, dessen Lauf durch die hohen
Uferbäume, meist riesige Pappeln und Weiden, weithin gekennzeichnet
war; dazu das frische Grün der verschiedenartigen Sträucher am
Ufersaume, aus denen der Gesang des Sprossers erschallte und man
wird begreifen, wie freudig anregend der langentbehrte Anblick auf
Uns einwigkte. Hatten wir doch seit dem Ala-Tau kaum ordentliche
Bäume gesehen! Und als wir uns zum Abendessen setzten,
gab es seit langer Zeit wieder einmal Fische, herrliche Njelma und
Stjerlet, die der schwarze Irtisch in so besonderer Güte enthält.
Für Nachtlager war ' ausser 6 Jurten reichlich Platz in dem
mächtigen, wol an 30 Fuss langen, aber roh gezimmerten Schiff
(Lotka), welches prächtig mit Teppichen belegt, unter der persönlichen
Leitung seines Besitzers Mendi-Bei, eines wohlhabenden
Kirghisen, uns am anderen Morgen zum Nor-Saissan führen sollte.
-Unser Lagerplatz befand sich etwa 8 bis 10 Werst unterhalb
des russischen Grenzpostens Ak-tjübe, den wir der Ueberschwem-
mungen wegen nur auf grossen Umwegen und reitend hätten erreichen
können.
Die dünenartigen weissen Sandhügel nahe unserem Lager gewannen
ein ganz besonderes Interesse für mich dadurch, dass im
Zwielicht sonderbare kleine, für mich neue, Thiergestalten dieselben
belebten. Sie schienen mehr zu fliegen als zu laufen, denn kaum
dass eins der Thierchen im Sprunge den Sand berührte, so sah man
es schon wieder in mächtigem Bogensatz durch die Luft sausen. Es
waren Springmäuse, (Dipus sp.?); doch glückte es leider nicht, eine
zu erlangen, obwol sie eigentlich nicht scheu waren. Denn zuweilen
sass mir eine kaum drei Schritt vor dem Gewehr, also viel zu nahe
und im Laufe oder vielmehr Fluge liess sich bei der einbrechenden
Dunkelheit nicht mehr sicher visiren.