den Kirghisen führen. Zum Theil in ihren Weideplätzen beschränkt,
benutzten diese jede Gelegenheit um Vieh wegzutreiben und selbst
Menschen zu stehlen, die sie als Sclaven nach Chiwa und Buchara
verkauften. Bei der grossen Entfernung zwischen den einzelnen
Forts gewährten dieselben nur bedingten Schutz und die Räubereien
setzten sich selbst dann noch fort, als ein Theil der Kirghisen
bereits russische Unterthanen geworden waren. Nachdem sich das
Yolk nämlich, bereits gegen Ende des 16. Jahrhunderts unter Chan
Alatsch, in drei Horden gespalten hatten, unterwarfen sich 1730
die kleine und mittlere freiwillig, deren Chane Abulchair und
Schemjaka der Kaiserin Elisabeth huldigten (1734). Doch wusste
der arglistige und schlaue Chan Alai, gleichzeitig mit Russland
und China liebäugelnd, die factische Unabhängigkeit der mittleren
Horde trotzdem zu bewahren, und erst nach seinem 1781 erfolgten
Tode unterwarf sich sein Sohn Wali-Chan, ohne indess dadurch
seine Horde zu ganz zuverlässigen Unterthanen Russlands zu machen.
Als unter der Regierung des Kaisers Dzän-Lun China das mächtige
dschungarische Kalmückenreich (es reichte vom Altai bisThibet) 1758
zerstört hatte, wobei eine Million Dsungaren vernichtet worden sein
sollen, zogen Kirghisen der grossen Horde in die menschenleere
Steppe am Ala-Kul bis zum Tarbagatai ein. Bald darauf setzte
sich ein Theil der kleinen Horde an der Wolga fest. Unter der
Kaiserin Catharina II. waren 1771 bekanntlich die am linken
Wolgaufer angesiedelten Kalmücken geflohen. Verfolgt von einem
russischen Corps unter Generalmajor v. Traubenberg, dem sich ein
starkes Contingent Kirghisen, die wahrscheinlich reiche Beute zu
machen hofften, freiwillig angeschlossen hatte, kamen nach achtmonatlichem
beschwerlichen Kampfe von mehr als einer halben
Million Kalmücken kaum die Hälfte an. Denn auch ihre früheren
Landsleute widersetzten sich ihrer Neueinwanderung, bis ihnen endlich
Kaiser Kien-lung im Ilithale Wohnsitze anwies. Es waren somit
ausgedehnte Weideplätze an der Wolga freigeworden und
Russland hatte daher nichts einzuwenden, als, durch innere Zwistigkeiten
gedrängt, ein Theil der kleinen Horde, unter Sultahn
Bukei, 1200 Jurten (Familien) stark, 1797, um die Erlaubniss bat,
die verlassenen Striche einnehmen zu dürfen. Sie bildeten fortan
die innere oder kleinere Horde, auch Bukei’sche genannt.
Die Räubereien der Kirghisen in der Steppe dauerten, mit Ausnahme
kürzerer Unterbrechungen, wie während der Regierung des
berühmten Sultahn Harun Ghasi (der übrigens 1823 von den Russen
nach Kaluga verbannt wurde) unverändert fort. Erst mit Errichtung
der „neuen“ Befestigungslinie zwischen den Festungen
Orsk am Ural und Swiärino-golowsk am Ui 1835 scheint etwas
mehr Ordnung eingetreten zu sein. Nach Helmersen wurden bis
dahin in manchen Jahren an 200 Menschen, oft unmittelbar unter
den Festungsmauern Orenburgs, geraubt und der Verlust an Vieh
entzieht sich aller Berechnung. Zwar hatte die Regierung neue
Bezirke errichtet und Sultahne eingesetzt, so dass es 1837 deren schon
zehn gab, aber die letzteren waren meist ohne Einfluss. Das Volk
hing mehr an seinen durch waghalsige Thaten ausgezeichneten
Helden (Batyren), und so konnte es nicht fehlen, dass oft Unruhen
ausbraehen, die zuweilen bedeutende Dimensionen annahmen, wenn
einer dieser Volkshelden sich an die Spitze der Unzufriedenen und
Beutegierigen stellte. Im Jahre 1824 begab sich die grosse Horde
unter russischen Schutz; ein Theil derselben huldigte 1830 unter
Sultahn Suk, und der Rest folgte 1844. Damit erhielten die Russen
das Land indess nur nominell, denn Chinesen und Chocanzen suchten
ihren Einfluss unter den Kirghisen zu behaupten oder bedrückten
dieselben. Zum Schutz der neuen Unterthanen hatte Russland nur
die Festungen Kopal (1847) und Werne (Wjernoje, 1854) errichtet,
auch am Syr-Darja mit dem Fort Aralsk festen Fuss gefasst, aber
es galt jetzt nicht blos seine Macht weiter auszubreiten, sondern vor
allen Dingen auch dieselbe geltend zu machen. So befreite es 1852
und 1853 die Kirghisen vom Joch der Chocanzen indem unter
Perowski das Fort Ak-Mesdsched (jetzt Fort Perowski) erobert
wurde und die späteren erfolgreichen Feldzüge, welche zur Eroberung
von Tokmak, Tschemkent, Taschkent und Samarkand führten, waren
unausbleibliche Folgen der ersten Schritte. Bei allen diesen kriegerischen
Unternehmungen zeigten sich die Kirghisen nicht immer
als treue Bundesgenossen der Russen wie sie es als Unterthanen hätten
von rechtswegen sein sollen und müssen. So machten sie einen
Plan um das kaum entstandene Kopal zu zerstören, der von dem
ergebenen Sultahn Ali indess verhindert wurde. Der langwierige
Aufstand unter Kenissara Kassimow endete nur mit dessem gewaltsamen
Tode 1846, und kaum 10 Jahre später sah Russland wiederum
einen gefährlichen kirghisischen Parteigänger Isched Kutebar gegen
sich, der allen Verfolgungen spottete und sich 1858 erst nach friedlichem
Vergleiche unterwarf. Die neuangelegten Forts Nowo
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