wurde das in Tomsk gekaufte Weizenmehl zu Zwiebäcken verbacken,
ausserdem Ausrüstungs-Gegenstände angeschafft, die in 8 Pfund
Stricken, 10 Matten aus Birkenrinde, 20 Säcken, 2 Fischnetzen, 2
c. 10 Fuss langen Böten, 6 Rudern, 1 Kessel, hölzernen Schüsseln
und Löffeln bestanden. Als Proviant für die Leute kamen 20 Pud
Hartbrod (ä 70 Kop.), 1 P. Graupen (80 K.), 4 Pfund Ziegelthee
(ä 60 K.) und 10 Pf. Zucker (ä 35 K.) hinzu und wenn ich anfüge,
dass das Ganze kaum 50 R. kostete, so dürfte wol kaum eine
auf 6—8 Wochen bemessene Expedition billiger ausgerüstet worden
sein. Als Tauschmittel*) für die Eiugebornen hatte ich gewöhnliche
Solinger Taschenmesser und grobe Nähnadeln schon in Bremen,
ordinären Blättertabak in Moskau gekauft und fügte hier nur
mehrere hundert messingene Fingerringe (das Stück 1 Kop.) und
Glasperlen hinzu. Durch Güte unseres freundlichen Wirthes
Alexander Wassiljewitsch Perloff, eines angesehenen Bürgers und
Verwalters des Kaiserl. Mehlmagazins, hatte ich die unentbehrlichen
Mückenzelte anfertigen lassen und von Seiten des Sassjedatjelj erhielt
unser Proviant durch einen Schinken und 150 Stück Eier,
grosse Seltenheiten in diesen Gegenden, willkommenen Zuwachs.
Unendlich mehr als dieses Geschenk erfreute uns aber die
Nachricht, dass es dem Sassjedatjelj gelungen war, 4 Leute aufzutreiben,
die sich contractlich verpflichteten, uns als Ruderer und
Arbeiter zu begleiten, da von hier ans nicht mehr regelmässig auf
Ruderer zu rechnen ist. Es waren der Syrjäne Stepan Sainudroff,
seines Zeichens Zimmermann, der Syrjäne Feodor Kasäinoff, Schuster
und Kirchendiener, der Russe Stepan Mischirikoff und der Ostiak
Alexander Säkoff, von denen der erstere als der samojedischen
Sprache mächtig 40 R. die beiden anderen je 30, der Ostiak 25 R.
erhielten. Den alten Michael Panäjeff engagirte ich selbstredend
auch für die weitere Reise und ernannte ihn zum Starost (Aeltesten),
wozu ihn ja ohnehin seine Jahre machten. Nachdem ich noch
den grösseren Theil des baaren Geldes zum Aufbewahren und die
Berichte und Briefe in die Heimath zur Besorgung dem Sassje-
*) Ausser den angeführten Artikeln empfehlen sich für Eingeborne: Fingerhüte,
wie sie die Schneider gebrauchen und die vorn offen sein müssen, grosse
und kleine kupferne und messingene Einge, messingene Ketten, rothes Wollgarn
und Band, bunte baumwollene Tücher und Stoffe. Pulver, um welches schon
die Kosaken an der Irtischlinie bettelten, ist ebenfalls sehr begehrt, aber wie
Branntwein nicht von der Begierung erlaubt.
datjelj*) übergeben, las der Letztere den Leuten nochmals den
Contract vor und ermahnte sie eindringlich ihre Pflicht zu thun.
Mit 6 Hilfsruderern versehen konnten wir somit am 16. Juli früh
V2 Uhr nach einem Aufenthalte von nur 65 Stunden, Obdorsk, die
letzte feste Wohnstätte am Ob verlassen und dem am wenigsten
bekannten, zugleich aber auch beschwerlichsten Theile unseres Reisegebietes
entgegen gehen. Wie immer bei solchen Gelegenheiten
wurden herzliche Worte, Ermunterungen, Rathschläge ansgetauscht,
Erwartung und Freude spiegelte sich auf allen Gesichtern, von denen
nur eins in Thränen zerfloss. Diese betrübte Seele war unser Ostiak
Alexander, der noch in der letzten Stunde an Stelle seines vielgeliebten
Sohnes Pawle eintrat.
In banger Sorge um das Schicksal seines Erstgebornen, eines
kräftigen Burschen von 19 oder 20 Jahren, hatte mir das betrübte
Vaterherz unter Thränen schon viel vorgejammert. Nun traf ihn
selbst der harte Schlag als Remplacent seines Sohnes zu fungiren,
da ein Säkoff unwiederruflich in der Musterrolle der Expedition
verzeichnet stand. Mutter Säkoff noch zärtlicher besorgt für den
Sohn als den Gatten, hatte den Ausschlag gegeben und Letzteren
abcommandirt, gewiss ein schlagender Beweis, dass die Ostiakinen,
nicht durchweg die Sclavinen ihrer Männer sind, wie dies fast alle
Beschreibungen angeben, sondern mitunter sehr dominiren. Comme
chez nous!
Als die Lotka aus dem ruhigen Wasser des Polui in den Ob
einbog, zeigte der Strom anscheinend einen so mächtigen Wogengang,
dass die Leute behaupteten hier wäre nicht weiter zu kommen
und in eine stille Bucht legten. Wir hatten also hier, wie auf der
bisherigen und späteren Reise, genügend Beweis, dass die Obbewohner
keine Helden auf dem Wasser sind und dies gilt auch für
die Ostiaken.**)
*) Die Expedition ist diesem liebenswürdigen und ausgezeichneten Manne zu
grossem Danke verpflichtet, ohne dessen energische Unterstützung die Eeise nach
der Kara-Bai wol sehr schwierig zu Stande gekommen sein würde. Wenn Albin
Kohn (Sibirien p. 39) ausspricht, dass die im Norden am Oh angestellten Beamten
gewöhnüch wegen begangener Vergehen hierher versetzt werden, sich aber hier in
einigen Jahren ein Vermögen erwerben, so widersprechen Dem unsere Erfahrungen
vollständig.
**) Es ist also ganz irrthümlich, wenn Albin Kohn (Sibirien p. 37) letztere zu
„höchst gewandten und muthigen Schiffern“ macht, „die seihst während des heftigsten
Sturmes, wenn sich das Wasser des Ob oder Irtdsch in gewaltigen Wellen zum