welche in kleinen Karavanen von 6—8 Troiken, theils halb gedeckten
Tarantassen, theils offenen Telegen, je zu 6 angeschlossen
auf Strohschütten sitzend, mit einem Soldaten als Bewachung an
uns vorüber rasselten.
An einem Tage werden bis 25 solcher Karavanen expedirt, die
Bauern verdienen also schönes Geld mit diesen Transporten. Aüsser-
dem haben wir der Post auszuweichen, die gewöhnlich aus 3 bis 4
Troiken besteht, deren Wagen mit grossen Ledersäcken gefüllt sind
und in deren letzten der, mit einer Pistole bewaffnete Schaffner
sitzt. Die Strasse von Jekaterinenburg bis Perm ist überhaupt
recht belebt; Hochstetter zählte auf dieser Strecke 3586 Wagen.
Die Karavanen einspänniger Frachtfuhrwerke, die das beste Geleise
einnehmen und allen Rufen des entrüsteten Jemtschiks zum Trotz
nicht ausweichen wollten, bereiteten uns oft viel Aerger, namentlich
in der Nacht. Doch gewährten die langen Wagenreihen, oft
hundert und mehr, dadurch, dass jedes Gefährt mit einer Laterne
versehen war, originelle Bilder. Das- erste Pferd der Kara vane
pflegt am Krummholz ein Heiligenbild zu tragen, doch ist mir der
-Schutzpatron der Fuhrleute unbekannt geblieben. Die Transporte
bestanden übrigens meist in rohen Rindshäuten.
Die Reisenden mit denen wir auf den Stationen zusammentrafen,
boten keinerlei Interesse, vielleicht mit Ausnahme von 2 Chinesen,
die nach Kiachta reisten. Sie kamen aus Moskau, wo sie einen
Theeladen besitzen. Immerhin fehlte es an der Abwechselung, wie
man sie in anderen Ländern gewohnt ist und der Reisende hat so
recht Zeit, Alles,' was ihn zunächst angeht, in erster Linie zu beobachten.
Da studirt er die Fülle der Antreiberufe der Jemtschiken
mit ihren sich stets wiederholenden „Gospodiu! Durak! Baran!
Tschortmi!“ u. s. w., das Geklingel der Glocken und Schellen am
Krummholz, bei dessen Tempo er selbst bei Dunkelheit die Fahrgeschwindigkeit
schätzen lernt. Ferner achtet er auf das Aechzen
der Räder und Achsen, ob etwa ein besonderes Geräusch den nahen
Brilch irgend eines Th eiles vorher ankündigt, ob die Achsen gut
im Fett laufen. Das Zählen der Werstpfähle wird bald zur zweiten
Natur, gleichsam als könne man dadurch in die schnellere Fortbewegung
selbst eingreifen. Gleichgültig wurde die erste Hälfte der
Station, mit innerer Genugthuung die letzte zurückgelegt. Wie
mit den einzelnen Werst, geht es mit den Stationen selbst: hat
man einmal die Hälfte erreicht, so fühlt man sich bedeutend erleichtert,
obschon in der Regel die Ungeduld mit jeder Station zu
nimmt und in der letzten ihren Gipfelpunkt erreicht. Auch die
Art und Weise der Erschütterungen wird classificirt: da giebt es
Hopser, Rucker, Schütteier, Seitenschütteier, die je ihren eigenen
Charakter strikte bewahren, und, wie sie auch heissen mögen, nicht
eben zu den angenehmen Beobachtungen zählen. Jedenfalls haben
die Erschütterungen meinem Unterleibe nicht so wohlgethan als
Humboldt, der sehr bescheiden nur 4 Stösse auf die Werst, im
Ganzen also 48,000 herausrechnet. Da ich mitunter 10 Hauptstösse
hintereinander notirte, so würde eine bei Weitem höhere Zahl herauskommen.
Der Zustand der Strasse war übrigens so, wie ihn
Professor Hochstetter und Dr. Tula auf ihrer 1872 unternommenen
Sommerfahrt beschreiben, und es ist wol ein Bischen Höflichkeit
dabei, wenn Humboldt 1829 an den Grafen Cancrin schreibt „die
Wege in den Gouv. Wiatka und Perm sind schöner als in England“.
Freilich bemerkten wir auch jetzt Anzeichen von Wegebesserung
in aufgeworfenen Haufen Sand, geklopften Steinen und
anderem Material, welches zuweilen sogar werstweit wirklich aufgeschüttet
war. Ein paar Mal sahen wir sogar eiserne Walzen,
eine wahre Ironie, am Wege stehen. Aber trotzdem und alledem
blieb 'der Weg doch ein schauderhafter, mit dessem Zustande die
jährlich verwendete Verbesserungssumme von 400,000 Rubeln in
keinem Verhältnisse zu stehen schien.. So urtheilt wenigstens der
Laie, der, wenn er so vieler Herren Länder Strassen gesehen und
befahren hat, als wir, es sich trotz aller Gegenreden nicht nehmeh
lässt, dass diese grosse Strasse, die einzige Lebensader, die bis zur
Eröffnung der Uralbahn Europa mit Asien verband, eine bessere
sein sollte, müsste und könnte. Die Landes Vertretung des Gouvernement
Perm dachte übrigens ebenso und hat zu meiner Genugthuung,
meine jedenfalls nicht unberechtigten Rügen bei Gelegenheit
einer ihrer Versammlungen, welche über diesen Gegenstand
zu verhandeln hatte, als unparteiisches Zeugniss citirt und als richtig
öffentlich anerkannt.
Aber alle, auch die schönsten Betrachtungen über diesen jedenfalls
äusserst wichtigen Gegenstand halfen uns nichts, wir hatten
uns eben unserem Schicksale zu fügen, und begrüssten jede neue
zurückgelegte Werst mit innerer Freude. Fuhren wir doch unaufhaltsam
Tag und Nacht weiter, wie es Reisenden in diesen Ländern
zukommt, zumal wenn sie noch rechtzeitig einen Dampfer erreichen