wol es ihnen an Material und Hilfsmitteln nicht fehlt. Jedenfalls
werden sie von den oft hübschen Balken- und Plankenhäusern der
Eingebornen weit übertroifen. Dass Ostiaken und Samojeden nicht
so stumpfsinnig und geistlos sind als sie scheinen, lehren namentlich
ihre mannigfachen Fanggeräthe. Die stattlichen FischkÖrbe
(Reusen [vergl. Photogr. No. 3, 118]) erwähnte ich bereits (p. 378),
ebenso die haltbaren Taue aus präparirten Wurzeln der Arve (ost.
Lärr, sam. Jabso), deren Fabrikation die Russen von den Ostiaken
lernten. Ausserdem wissen sie aus Gras haltbare Schnüre (Tornkel),
zum Zusammenbinden der Pfähle eines Fischwehres, zu verfertigen
nnd die bald aus durchlöcherten, umbundenen oder in ^Birkenrinde
eingehüllten Steine, welche als Netzsenker (ost. Soib-käu) dienen,
sind so verschieden als die hölzernen Schwimmer. Das nationale
Fischnetz der Ostiaken, der Choltipon (Kaldan, Kolydan), dessen sie
sich hauptsächlich bedienen, würde schwerlich für hiesige Verhältnisse
durch ein besseres zu ersetzen sein und doch ist seine Con-
struction so einfach. Ein 14 Fuss langer Querstab, der in der
Mitte durch einen Stein beschwert ist, hält ein sackartiges Netz,
dessen Ende der Fischer an 2 dünnen Leinen offen hält. Sie ver-
rathen ihm sogleich wenn ein Fisch ins Netz gegangen ist; er zieht
die Schnüre, welche mit der stärkeren Zugleine gemeinschaftlich
durch einen Ring laufen, zu und mittelst der letzteren das Netz in
sein kleines Cano.
Ob wol das Feuergewehr bei Ostiaken und Samojeden mehr und
mehr in Aufnahme kommt, so hat es bei Weitem noch nicht Bogen
und Pfeil verdrängen können. Dies liegt theils an dem theueren
Preise der Feuerwaffen, theils daran, dass, mit Ausnahme für Grosswild
(Elen, Ren, Bär), Bogen und Pfeil praktischer sind. Dies
wird Einem besonders bei Betrachtung der Eichhörnchenjagd klar.
Die tausende Felle derselben, welche im Pelzhandel Sibiriens den
ersten Platz einnehmen, wurden zum grossen Theil mit Bogen und
Pfeil erbeutet. Diese Methode hat, abgesehen von der Billigkeit,
da das Geräth ja eigenes Fabrikat ist, den Vortheil, die Bewohner
des Waldes nicht durch Schiessen zu erschrecken und der mit breitem
stumpfen Knopfe endende Pfeil liefert die Beute unlädirt in die
Hände des Jägers. Wie ich bereits bemerkte sind die Ostiaken
keine berühmten Bogenschützen, was Schrenk (p. 316) für die Samojeden
bestätigt. Die mancherlei Fallen für Eichhörnchen, Hermelin,
Marder, Füchse u. s, w., darunter vor Allem der sinnreiche
Bogen-Selbstschuss, welcher auf den Wechsel gestellt, den schlauen
Reineke in die Hände des noch schlaueren Ostiaken liefert, bekunden
nicht nur die genaueste Kenntniss der Eigenart jedes Wildes,
sondern auch das tiefere Nachdenken des Erfinders und Verfertigers.
Wie oft bemühten wir uns nicht vergeblich solche Fanggeräthe
aufzustellen, zur grossen Freude der Eingebornen über unsere Ungeschicklichkeit.
Sie mochten sich darüber gerade so amüsiren, als
wir uns, wenn ein neugieriger Ostiak von der verkehrten Seite durch
den Feldstecher zu gucken versuchte.
So geschickt nun auch Samojeden und namentlich Ostiaken als
Holzarbeiter sind, was soweit geht, dass sie am oberen Ob sogar
allerlei Geräth für Russen verfertigen (vergl. Castren p. 193), so
habe ich sie doch nirgends die Schmiedekunst ausüben sehen. Allein
wie Castren (p. 193) versichert verstehen sie sehr wol Pfeilspitzen
und nothwendige eiserne Utensilien zu schmieden und verfertigen
sich sogar Blasebälge und anderes Handwerksgeräth selbst. Dies
gilt aber für die Ostiaken am mittleren Ob; die am unteren sind
sicherlich keine Schmiede. Poljakoff nimmt an, dass die Ostiaken
schon vor Ankunft der Russen die Bearbeitung des Eisens kannten.
Irdenes Geschirr sieht man bei den Eingebornen nur selten und
soweit meine Erfahrung reicht verstehen sie nicht solches herzustellen,
was sich ja für die Tundra ohnehin von selbst verbietet.
Doch fand ich auf der Rückreise von der Podarata bei einem einsamen
Tundrasee einmal etliche Topfscherben, die ich Professor
Virchow übergab, der sie der Mühe des Abbildens werth hielt
(vergl. die cit. Abhandl. p. 73). Poljakoff erlangte unläugbare Beweise,
dass den Ostiaken früher die Bearbeitung von Thon nicht
fremd war. Aber „Lehmgötzen,“ wie Kohn anführt, giebt es nicht.
Wer die roh mit der Axt gezimmerten Götzenbilder gesehen,
wird kaum glauben, dass die Ostiaken und Samojeden auch wahre
Kunstwerke zu machen verstehen. Die aus Bein verfertigten Kloben
und Verzierungen zum Renthiergeschirr sind nicht allein sehr accurat
nnd sauber gearbeitet, sondern zuweilen elegant und geschmackvoll
in der Form. Doch stehen die Obbewohner in Elfenbeinarbeit ohne
Zweifel hinter denen des Jenissei, namentlich Dolganen und Jakuten
zurück und ich habe niemals eine jener schönen Tabakspfeifen aus
Mammuth gesehen, wie sie Middendorff (p. 1452) darstellt. Aber
andere von mir mitgebrachte Gegenstände bekunden ebensoviel Fleiss
als Ausdauer, und dürfen in Anbetracht der unvollkommenen Werk