am besten durch unseren Nachbar auf dem Polui klar, eins jener
colossalen Fahrzeuge, Barka genannt, welche am besten mit „Arche“
bezeichnet werden könnten, denn plumper und unvollkommener
dürfte das berühmte Fahrzeug Noah’s kaum gewesen sein. Eine
solche Arche ist an 80 — 100 Fuss lang, 2 5 -3 0 Fuss breit, hat
einen flachen Boden, läuft vorn in eine Spitze aus, bildet also einen
länglichen, fünfeckigen Kasten und ist durchaus aus Baumstämmen
und starken, mit der Axt behauenen Planken zusammengezimmert,
die mittelst hölzerner Keile verbunden sind. Zumeist führt es
hölzerne Anker und wird durch 8 — 10 lange Ruder bewegt, die
nur dazu dienen, den Koloss von Untiefen abzuhalten, denn im
Uebrigen treibt er mit dem Strome und ist ganz dem letzteren überlassen.
Diese Fahrzeuge werden meist am Ischim oder Tobol gebaut
und zwar am Ufer oder auf dem Eise selbst, so dass sie beim Aufgehen
oder durch das Steigen des Flusses flott werden. Im Innern
dieses unförmlichen Kastens ist in etwa 1—1‘/2 Fuss Abstand von
den Wandungen ein zweiter errichtet, und zwar aus Birkenrinde,
und in diesen wird ohne jede weitere Verpackung das Roggenmehl
geschüttet, welches fast ausschliesslich die Ladung, von 20,000 Pud
und mehr, bildet. Mit Aufgang des Eises, Anfang Mai, treibt dann
der Koloss langsam stromabwärts, so dass er sein Endziel Bereosoff
oder Obdorsk erst nach mehreren Wochen, Ende Juli oder Anfang
August, erreicht. Hier entlässt der Bevollmächtigte (Prikastschik)
des Kaufmanns, dem Schiff und Ladung gehören, die aus 8 bis 10
Köpfen bestehende Rudermannschaft und beginnt mit dem Verkauf
des Mehles. Freilich hat es damit noch gute Weile, denn erst mit
dem Winter entwickelt sich das Geschäft. Nicht mehr auf schwankem
Stege gelangt man auf das Schiff, sondern eine Thür ist durch die
Planken geschlagen, vor der Eingeborne mit ihren Renthiergeschirren
halten, um zu laden und das Mehl weiter fortzuführen. Da der
Rücktransport des Schiffes nicht wol möglich, so wird es ebenfalls
verkauft und zwar als Bauholz. Fast alle Häuser in Obdorsk, wie
die Mehrzahl der in Bereosoff und anderen Plätzen sind aus solchen
Schiffsplanken gebaut. Eine Barke, welche in Ischim an Arbeitslohn
und Material 600 Rubel kostete, bringt immer noch 200 Rubel
ein. Nach Abwickelung dieser Geschäfte reist der Prikastschik mit
den erhandelten Pelzwaaren im März oder April auf Renthierschlitten
nach Haus, um im folgenden Jahre in derselben Weise die Reise
aufs Neue zu machen.
Dieser ansehnliche Mehlhandel entwickelte sich schon in den
dreissiger Jahren und Sibirien überflügelte in Folge seiner billigen
Preise bald Russland, so dass schon 1837 (vergl. Schrenk p. 584
und 611) der Markt in Pustosersk durch die sibirische Concurrenz
sehr beeinträchtigt wurde. Tscherdin, an der Kolwa, war damals
der Mittelpunkt des nordischen Mehlhandels. Seine thätigen und
unternehmenden Kaufleute brachten (vergl. Kowalski p. X und
Hofmann p. 15) Mehl von Sarapul an der Kama, welches sie freilich
sehr oft in wucherischer Weise (Schrenk p. 191) hauptsächlich
gegen Fische vertauschten, unter denen namentlich der berühmte
Petschoralachs die Hauptstelle einnahm. Ein Pud Lachs galt 4 Pud
Roggenmehl, und wenn das letztere schon 1837 mit 2 Rub. Bc.
(= 1,20 K.) bezahlt wurde, so konnte der Getreidesegen Sibiriens
sehr wol eine bedeutende Concurrenz bereiten, denn wie wir gesehen
haben kostet das Pud Roggenmehl in Obdorsk nur 30—40 Kop.
Dieser Handel vermochte sich wiederum erst zu entwickeln als es
den betriebsamen Syrjänen, namentlich in Ischma und an der Ussa,
gelungen war, sich in den Besitz der grossen Renthierheerden der
cisuralischen Samojeden zu setzen. Auf welchem Wege das Mehl
von Obdorsk nach der Petschora gelangt und wie sehr dabei die
Hilfe von Renthieren erforderlich, haben wir (p. 368) gesehen. So
bildete sich ein interessanter Handelsweg, denn das sibirische Mehl
wird bis ans Weisse Meer, theilweis sogar nach Norwegen verführt.
Als ich 1873 in Vadsö am Varanger-Fjord kleine russische Schooner
von Archangelsk Mehl löschen sah, hätte ich mir nicht träumen
lassen, dass ich drei Jahre später die Gefilde auf denen das Korn
dazu gewachsen war, am Tobol und Ischim durcheilen würde.
Neben der beschriebenen Barka kommt auf dem Ob übrigens
noch eine andere Art Fahrzeuge in Betracht, die eigentliche Barsche
(Barge, von Barke). Sie entspricht in ihrer äusseren Gestalt ganz
einem Schiffe ohne Masten und stimmt genau mit denjenigen
Schleppfahrzeugen überein, wie man sie so häufig auf der Kama,
Wolga und anderen Flüssen Russlands sieht, und die durch ihren
bunten Anstrich so sehr zur Belebung des Landschaftsbildes beitragen.
Eine solche Barsche hat an 100 bis 150 (nach Wiggins 200
bis 300 Fuss!) Länge, ist dabei ziemlich schmal und hoch, kielgebaut,
wird durch ein unförmliches Steuer gelenkt, im Uebrigen durch
die Strömung getrieben. Die 20 und mehr Köpfe zählende Mannschaft
unterstützt das unbeholfene Fahrzeug durch Stangen oder
F i n s c h , Reise. I. 3 7