Das Innere der Stationshäuser zeugte durchgehend« von penibler
Reinlichkeit und einem gewissen Komfort, den man hier schon als
Luxus bezeichnen dürfte. Nicht selten war der Fussboden mit Oel-
farbe gestrichen, einzeln sogar Tapeten an den Wänden und die hie
und da auf Topfgewächse, namentlich Bpheu, verwandte Sorgfalt,
heimelte ordentlich an. Neben den üblichen unschönen, aber oft
theuren Heiligenbildern (Obras) und den mehr als schlechten Moskauer
Bilderbogen und ähnlichen miserablen Bilderschmuck, wie man
ihn in jedem sibirischen Hause findet, zeigten sich prunkvollere
Wanddecorationen: Mitglieder der kaiserlichen Familie und andere
hohe Persönlichkeiten darstellend.
Für den Bau der Häuser, Uniform und Pferd haben die Kosaken
selbst zu sorgen, und erhalten von der Regierung nur Waffen und
Munition, sowie unbedeutende Zulagen, die z. B. für einen Wachtmeister
vierteljährlich nur 3 Rubel 50 Kopeken betragen. Dagegen
sind alle Kosaken steuerfrei und jedes Familienhaüpt erhält 30
Dessjatinen (l=ca. 3 Morgen) Land zum Anbau. Für Mehrbenutzung
muss eine (wahrscheinlich sehr geringe) Abgabe entrichtet werden,
die wol reichlich durch das Weidegeld der Kirghisen gedeckt wird,
welches diese an die Kosaken, denen das Land jederseits in 30 Werst
Ausdehnung von der Linie gehört, zu bezahlen haben. Soweit der
Durchreisende ein Urtheil hat sind die Kosaken mehr Viehzüchter
als Landbauer, denn man bekommt viel mehr Heerden als Ackerland
zu sehen. Aber diese Annahme ist irrig', denn das letztere liegt,
wie so häufig in Sibirien, oft weit von den Dörfern entfernt in den
mit fruchtbarer Schwarzerde bedeckten Strecken und die Heerden
sind grösstentheils Eigenthum der Kirghisen. Die Kosaken bauen
hauptsächlich Korn, Weizen, Hirse, Arbusen (Wassermelonen), auch
Tabak und machen viel Heu. Der Landbau hat übrigens in diesen
Gebieten eine grosse Schattenseite und diese ist: Heuschreckenfrass.
Doch ist, nach Ledebour, nicht die seltene Wanderheuschrecke die
Verwüsterin, sondern andere kleine Arten (Gryllus biguttatus, cla-
vimanus u. A.). Vergl. auch Pallas (2. 2. p, 487).
Die Kosaken beschäftigen sich auch viel mit Fischfang, für
welchen der Irtisch ja ausreichend Gelegenheit bietet. Die hauptsächlichsten
Fischarten, welche hier gefangen werden sind Hecht,
(Esox lucius), Njelma (Coregonus leucichthys), Jas (Squalius gris-
lagina, L.), Barsch (Perca fluviatilis), Nalym (Lota vulgaris) und eine
Idus-Art (Tschebag). Unter den Stören ist der Stjerlet am häufigsten;
doch kommen auch grössere Arten vor. Schon J. G. Gmelin gedenkt
des enormen Fischreichthums des Irtisch wiederholt. Wie
ausserordentlich billig damals (1734) die Fische gewesen sein müssen
erhellt aus der Notiz,' dass er u. A. 200 „Karauschen“ für 3, ein
anderes Mal einen ca. 5 Fuss langen Stör für 12 Kopeken (c. 30 Pf.)
kaufte_ _ Die Boote, welcher sich die Uferbewohner zum Fischfänge
bedienen, sind aus ausgehöhlten Pappelstämmen gezimmert und
kommen von Urman. Ein ca. 9 Meter langes und l ‘/2 Meter breites
Boot kostet an 20 Rubel.
Die meisten Dörfer der Linie liegen unmittelbar oder doch in
nächster Nähe des Ufers, alle am rechten, so das man auf der ganzen
Strecke meist den Strom im Auge behält oder sich doch nur stationsweis
von demselben entfernt.
Jenseits Omsk tritt man in die typische fast baumlose Steppe,
von der Sponville sagt: „wo immer man hinblickt, das Auge trifft
wie am Meere nur den Horizont; nirgends eine Falte des Bodens;
bei einigen Dorfschaften wachsen magere Bäume, von fast beständig
wehendem Winde verbrannt und entlaubt. Der Boden ist weich,
sandig, ohne jeden Stein, fast ohne Pflanzenwuchs und mit Heuschrecken
bedeckt“, eine Schilderung, die mir nicht ganz zutreffend
scheint. Denn diesen fast baumlosen Character behält die Landschaft
nicht lange bei, sondern sie bietet mancherlei Abwechselungen,
die es schwierig machen, sie mit wenigen Worten zu beschreiben.
Wie die „Prairie“ stellt man sich bei uns gewöhnlich die Steppe
als eine unabsehbare Grasfläche dar, täuscht sich aber, denn die.
letztere findet sich nur stellenweis und bildet dann keinen ununterbrochenen
Rasenteppich, sondern wächst, ähnlich wie das Büffelgras
der Prairie, in einzelnen Büscheln, ist aber länger. Auf weite Strecken
ist die Steppe mit Spiräendiekichten bedeckt, deren noch kahle
Zweige das einförmige Gelbbraun mit grossen kirschbraunen Flecken
durchsetzten. Weiterhin gesellen sich Stachelbeergestrüppe hinzu.
Auch krüppelhafte, kaum 5 Fuss hohe Birken finden sich hie und
da in kleinen Büschen, während man überall, wo die Strasse mit
dem Irtisch zusammentrifft, wenigstens auf dem gegenüber liegenden
, Ufer in mehr oder minderer Ausdehnung schönen Baumwuchs von
Weiden, Pappeln, Eichen, Birken und namentlich Kiefern, erblickt.
Die vielen Inseln bedeckt meist undurchdringliches Weidendickicht
und Rohr. Wie bei allen nördlich strömenden Flüssen' Asiens ist
das rechte Ufer hoch, das linke flach, aber man vermisst am Irtisch