Mir kamen die Werke vor, wie jene Chinesen, welche man in Californien
antrifft, die den Abfall vergangener goldreicher Perioden noch verwaschen
und mit den Brosamen zufrieden sind, welche ihre glücklicheren
Vorgänger übrig Hessen. So verschmilzt man auch hier die
riesigen Vorräthe alter Eisenschlacken und ist froh wenn dieselben
1 bis 2 Solotnik Silber im Pud liefern. Noch vor 50 Jahren hielt
man Erze, welche 4 Solotnik Silber im Pud enthielten nicht für
schmelzwürdig und zu Pallas’ Zeit (1771) war man mit 20 Solotnik
nicht zufrieden, denn die Erze enthielten bit 76 Solotnik. — Gmelin
der vor Entdeckung der Bergwerke, welche 1742, wiederum auf
Grund alter tschudischer Schürfe, entdeckt wurden, Sibirien bereiste,
aber in seinem 1751 erschienenen Werke derselben bereits gedenkt,
versprach sich freilich zuviel von diesen Erzlagern j,die ziemlich voll
von gewachsenem Golde“ und dabei so günstig, so wenig tief waren,
„dass man nicht nöthig hat kostbare Werke anzulegen um überflüssige
Wasser abzuleiten“. Von Eröffnung und Uebernahme der Gruben durch
die Krone im Jahre 1745 bis 1763 wurden 9000 Pud Silber und
318 Pud Gold gewonnen, bis zum Jahre 1825 im Ganzen 41,092 P.
goldhaltiges Silber. Noch 1826 betrug die Silberernte des Schlangenberges,
204 P., sank aber schon in den nächsten Jahren auf 80, so
dass schon Ledebour und Rose die Armuth der dortigen Erze
erwähnen.
Ist es uns demnach leider nicht möglich,' den Ruhm der Stadt
als reichste Erzlagerstätte zu preisen, so können wir ihr doch bezüglich
ihres Namens das alte . Renomme wieder verschaffen, denn
die vielen Schlangen, welche ihr zu demselben verholfen, sind mit
den edlen Erzen keineswegs verschwunden. Innerhalb zweier Stünden
brachten uns die Hüttenarbeiter, sinnreich zwischen gespaltene Ruthen
gequetscht und meist mit der Pelzmütze gefangen1, mehr als ein
Dutzend lebender Schlangen. Es waren alles giftige, meist Kreuzottern
(Vipera berus), deren Verbreitung vom Atlantischen bis zum
Stillen Ocean reicht und einige wenige Trigonocephalus (Halys)
intermedius, die bisher nur aus Transbaikalien bekannt war.
Bei der Nähe der berühmten Steinschleiferei Kolywan durften
wir uns trotz des kleinen Umweges von 50 Werst (ca. 7 d. M;)
einen Besuch derselben nicht versagen und brachen Nachmittags
Silbergehaltes, sowie eine grössere Reihe von Graf Waldburg und mir gesammelter
geologischer Vorkommen wurden dem Königlichen Museum in Stuttgart von uns
als Geschenk überwiesen.;
m ^hr (19. Juni) von dem freundlichen Schlangenberg auf. Eine
voraussichtlich sehr angenehme Partie nach dem Kolywansee, wohin
uns mehrere Damen und Herren unter Herrn Iwanoff’s Führerschaft
das Geleit geben wollten, verregnete leider, denn die schon in der
Nacht niederkommenden Gewitter sandten wiederholt neue Platzregen
herab. Der Weg, ohnehin durch die Erzkaravanen gründlich
zerfahren und verdorben, war dadurch nicht besser geworden und
so mussten sich die Pferde tüchtig quälen ehe die Höhe der Granitberge
erreicht wurde, von welcher aus man einen schönen Blick
auf die Ebene und den von grotesken Felsgebilden eingerahmten
blauen See geniesst. Wir hatten den näheren Weg über den ca.
1900 Fuss hohen Gleden, welcher nur 30 Werst beträgt, ganz abgesehen,
dass er für Fuhrwerk sehr (beschwerlich sein soll, nicht
gewählt, um den See, wenigstens im Vorüberfahren kennen zu lernen.
Von der ersten Station Sawuschka (Saüschka oder Sauschkina), 1197
Fuss hoch (Ledeb.) senkt sich der Weg nach dem See herab, an
dessen nordwestlichem flachen Ufer wir eine Zeitlang hinfuhren.
Derselbe ist an und für sich unbedeutend, gewinnt aber durch die
Umgebung ein besonderes Interesse.
Im Osten und Nordosten treten die eigenthümlichen Granitgebilde,
welche schon bei Saüschka Aufmerksamkeit erregen, bis an
das Ufer heran. Es sind horizontale, plattenförmige Ablagerungen,
die sonderbare, phantastische Formen,*) wie Altäre, isolirtstehende
Kanzeln, alte Thürme, schiefstehende Säulen, oder mehr zusammenhängende
Ruinen und Mauern bilden und durch die hie und da
verstreuten Baum- und Gebüschpartien, namentlich die frischen Birken
ungemein pittoresk wirken. Die höheren pyramidalen Berge und
Kuppen im Hintergründe erhöhen den Eindruck; aber Renovantz’s
Begeisterung, welche ihn „zum schönsten See in Europa und Asien“
stempelt, scheint mir doch sehr übertrieben. Die. ganze Gegend
erinnerte mich lebhaft an die zwischen Stonsdorf und Erdmannsdorf
im Riesengebirge, sie ist wie diese ungemein lieblich und dabei
effectvoll, aber keineswegs grossartig. Der See hat nur wenige Werst
im Umfange, aber ein schönes klares Wasser, in welchem (nach
Pallas II. p. 618) Schleien, Barse und Hechte leben, und auf dessem
*) Der Atlas zu Ledebour’s Reise (Taf. V.) giebt ein recht anschauliches Bild
derselben. Copirt in Hellwald’s Centralasien (p. 57), hier als höchst unmotivirte
Staffage ein Segelboot. — Ueher das Geologische vergl.: Rose I. p. 524 _
Helmersen p. 132.
F in s c h , Reise, !L *