Seitens der Mission, aber die Vernichtung der verehrtesten Opferplätze
hatte die Eingebornen in Furcht gesetzt. So wurde 1826
der heilige Hain bei Mesén zerstört und zwei Jahr später der berühmteste
Opferplatz am Götzencap auf Waigatsch, wobei mehrere
Hundert, seit 1556 hier deponirte, Götzenbilder den Flammen verfielen.
Am mittleren Ob wurden 1712 die Ostiaken und Wogulen
bekehrt; 1727 begann man damit bei Obdorsk. Letzteres ist gegenwärtig
der Sitz der Mission, welche für das ganze ungeheure Gebiet
des Tobolsk’schen Gouvernements nur einen Missionair aufzuweisen
hat. Derselbe, ein Mönch, besucht im Sommer die Fischereiplätze
bis zum Nadym und ist wiederholt bis zum Tass vorgedrungen.
Auch dieser Sendbote sucht nur durch Ueberredung zu wirken, indem
er die Leute in den Tschums beucht, ihnen von Gott und
Christus erzählt und sie auffordert sich taufen zu lassen. Diejenigen,
welche dies nicht wünschen, pflegen gewöhnlich schleunigst
den Tschum zu verlassen, wie im Allgemeinen grosse Furcht vor
Missionären und Getauftwerden herrscht. Middendorff führt (p. 1432)
Beispiele von Bedrückungen Seitens der Geistlichen an, welche auf
das Missionswesen tiefe Schatten werfen. Im Obdorsker Gebiete
dürften derartige, nichts weniger als christliche, Uebergriffe wol
kaum Vorkommen. Zur Zeit des Jahrmarktes, welcher die meisten
Eingebornen nach Obdorsk führt, ist hier die Mission besonders
thätig. Man ladet dann hervorragende Eingeborne ins Missionshaus
ein und sucht sie zur Taufe zu überreden. Da nach derselben gewöhnlich
Thee servirt wird, so soll es nicht selten Vorkommen, dass
sich Eingeborne aus Höflichkeit bereit erklären, ja mitunter Solche,
die sich bereits früher hatten taufen lassen. Die mir vom Psalmsänger
der Obdorsker Kirche gewordenen Nachrichten dürften am
besten zeigen, dass die Eingebornen über die Heiligkeit und Zweck
der Taufe nur höchst oberflächliche Begriffe oder vielmehr gar keine
Vorstellung erhalten haben. Wenn man die höchst mangelhafte
Einrichtung der Missionsschule in Obdorsk gesehen hat, in welcher
überhaupt nur 8 Ostiakenkinder Unterricht erhalten, wird man sich
darüber nicht sehr verwundern und es ganz erklärlich finden, dass
die Eingebornen das Zeichen des Kreuzes als das ganze Christenthum
betrachten. Wer ein Kreuz auf der Brust trägt und das
Kreuzschlagen versteht ist eben Christ; mehr braucht er nicht!
Die Unwissenheit über das Wbsen der christlichen Kirche ist
daher erklärlicher Weise ganz ausserordentlich, aber nicht lediglich
Schuld der Eingebornen. Man darf sich daher nicht verwundern,
wenn selbst die seit mehr als einem Jahrhundert getauften
Eingebornen im Tomsk’scheu Gouvernement noch jetzt heimlich
Götzendienst betreiben und ihren Schamanen mehr als den Priestern
glauben (Castren p. 168, 171). Auch unser Alexander Säkoff, ein
bereits in zweiter Generation bekehrter Ostiak, wusste von Christus
nur soviel, dass dessen Bild in der Kirche von Obdorsk hänge, und
dass der Heiland „irgendwo um Obdorsk“ gelebt haben müsse,
hatte aber von der Jungfrau Maria noch nichts gehört und kannte
unter den Heiligen nur den in der orthodoxen Kirche so sehr verehrten
Heiligen Nicolaj, den die Samojeden Mikola nennen, was
sehr an das ungarische „Miklos“ erinnert. Das Bekehrungswerk
bietet übrigens im Norden in vieler Hinsicht bedeutend mehr
Schwierigkeiten als anderwärts, hauptsächlich in Folge der nomadi-
sirenden Lebensweise der Eingeborenen. Auch die Satzungen der
orthodoxen Kirche selbst eröffnen unüberwindliche Hindernisse. Vor
Allem ist es den hauptsächlich auf Fleischnahrung angewiesenen
Tundrabewohnern nicht möglich die so strengen Fasten (jährlich an
200 Tage!) zu halten; dann schreckt sie das Verbot der Vielweiberei,
ab. Schrenk, der (p. 410—15) diese Punkte eingehend erörtert
theilt das Geständniss eines Samojeden mit, welches zugleich für
alle Stammesgenossen als Ausdruck ihrer Ansichten über^ das
.Christenthum gelten kann. „Es sei die christliche Religion,“ so
meinte dieser Heide, „im Ganzen genommen eine so schlimme nicht;
allein das Unbrauchbare derselben wären die Fasten, und dann,“
meinte er, „könne ihm ferner auch nie und nimmer Einer weissmachen,
dass Gott der Einzige zugleich auch Drei wäre, so wenig
wie er glauben könne, dass ein Todter wieder lebendig wird“.
. Auf Grund dieser Anschauungen darf man sich nicht wundern,
wenn Proselyten, die ja nur unter Erwachsenen gemacht werden,
im Ganzen nur spärlich fallen. So hatte der Missionär im Jahre
1875 nur 52 Personen bekehrt, und nach den statistischen Angaben
Schwanebach’s giebt es im Gouvernement Tomsk noch an 29000, in
dem von Tobolsk an 9000 Heiden.
Wie sich mit Rechtlichkeit stets Wahrheitsliebe paart,^ so auch
bei diesen Eingebornen, denen Meineid fast unbekannt ist. Der
Schwur bei einer Bärentatze oder einem Stück Bärenfell, welche
der Eidleistende umfasst oder in welches er einen Einschnitt macht
und wobei er sagt; „möge mich der Bär fressen, wenn ich falsch
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