freundlicher Herr, der aus Lepsa herbeigekommen war, und unter
dessen kenntnissreicher Leitung wir die Weiterreise nach dem Ala-
Tan antreten sollten.
Sergiopol (sp. Sergiopel), seit 1860 umgetauft, hiess früher Ajagus,
nach dem gleichnamigen Flusse, und wurde im Jahre 1881 gegründet.
Es ist ein kleines Städtchen von c. 1000 Einwohnern (nach
Schwanebach 1044; nach Stumm mit 1540), denn die Festung mit
ihren zerfallenen Wällen hat wol keinen Werth mehr und zeigt
nur die ursprüngliche Bedeutung als Hort gegen die Kirghisen. In
der Festung befinden sich indess, wie üblich, noch heut die Regierungsgebäude,
darunter die Wohnung des Commandanten Major
Palitzky. Unter dem Befehle dieses Herrn wurde im Mai 1871
die erste Recognoscirungs-Expedition gegen Kuldscha ausgeschickt
und von ihr stammte ein Dunganenbogen her, den mir der Major
die Güte hatte zu schenken. Ebenso freundlich als der Comman-
dant empfing uns der Geistliche, dessen Domäne, die Kirche, ebenfalls
in der Festung liegt. Wir besuchten dieselbe und ich fand
nichts Bemerkenswerthes zu notiren als ein hübsches Altargemälde,
Christus am Oelberge betend darstellend, von Baruchim 1864 gemalt,
einem Künstler, der im Uebrigen mit mir wol den meisten
Lesern unbekannt sein dürfte. Ich führe diese Kirchennotiz übrigens
nur desshalb an, um zu zeigen, wie reich der orthodoxe Glaube
seine Kirchen selbst in diesen entlegenen Gegenden ausstattet. Der
brave alte Joh. Georg Gmelin würde sich freilich nicht mit dieser
kurzen Notiz begnügt haben, denn er führt gleichsam programm-
massig alle Kirchen, deren Nebenaltäre und die ihnen geweihten
Heiligen, Märtyrer, Grossmartyrer und Wunderthäter an. So z. B.
von der kleinen Stadt Bieloserok mit kaum 4000 Umwohnern, allein
18 Kirchen und von Wologda, der einstigen Residenz der Czaren
nicht weniger als 56, was allein 6 Seiten Raum erfordert. Die
Bewohner Sergiopols sind Tataren und Kosaken, darunter sogen.
Tschola*)-Kosaken. Im strengen Sinne des Wortes versteht man
hierunter eigentlich Mischlinge zwischen Taschkender und Kirghisen,
im Allgemeinen aber auch solche Leute, die freiwillig oder unfreiwillig
lange Zeit in Mittel-Asien (Chocand, Ost-Turkestan u. s. w.)
lebten und in Kleidung und Sprache ganz den Bewohnern jener
*) Tschola, kirghisisch = uneigentlich, das a wird wie o, also tscholo ausgesprochen.
Länder gleichen. Viele dieser Tschola-Kosaken waren Deserteure,
die heimkehrend sich beim Bezirke meldeten, unter • dem Vorgeben
von ihrer Herkunft nichts zu wissen, also in ähnlicher Weise wie
sich entlaufene Deportirte öfters von selbst stellen und in die Kategorie
der „Namenlosen“ eingereiht werden.
Von den c. 200 Häusern sind nur die wenigsten aus Holz erbaut;
die übrigen aus Luftziegeln oder Lehmwänden errichtet, mit
plattem Dache, wie dieselben im Siebenstromgebiet und Turkestan
überhaupt vorzuherrschen scheinen. _
Auch einen Bazar besitzt das Städtchen, auf dem wir nie
nur Thee, Salz und andere nothwendige Victualien, sondern sogar
auch Löschpapier zum Einlegen von Pflanzen erhielten. Das Leben
in Sergiopol muss übrigens keineswegs ein angenehmes sein, denn
der Mitten in der ausgebrannten Steppe liegende durchaus banmund
schattenlose Ort hat im Sommer ebensoviel von der enormen
Hitze, als im Winter von der strengen Kälte zu leiden. Und um
sich der letzteren zu erwehren fehlt es noch obendrein an Holz.
Das einzige Heizmaterial bilden daher die armseligen Spirsträucher,
deren dürftige Zweiglein in Bündeln von den Kirghisen zu Markte
gebracht werden. Sie kosten das Bündel allerdings nur 1 Kopeken
da aber bei grösser Kälte leicht 200-300 per Tag erforderlich
sind um das Zimmer einigermassen zu erwärmen, so wird man diese
Feuerung keineswegs zu den billigen rechnen dürfen.
Auch eine deutschsprechende Seele hatten wir die Freude kennen
zu lernen, den Chef des Telegraphen Herrn Adolf Paul, und durch
seine sprachkundige Vermittelung gestaltete sich das uns vom Obristlieutenant
Friederichs gegebene Mittagsmahl zu einem besonders
angenehmen. Neben anderen Gerichten figurirten auf der Tafel
auch gebratene Fische aus dem Balchasch-See. Die Art schien
unserem Gründling verwandt, erwies sich aber als eine ganz verschiedene
Gattung (Diplophysa labiata, Kessl.) und schmeckte übrigens
recht gut. Eine Barschart aus dem Ajagusflusse, welche Obnst-
lientenant Friederichsen vorsorglich verschafft hatte, konnte ich dem
Mahle nicht gönnen, sondern übergab sie den Sammlungen.
Es war Perca Schrencki, Kessl., die wir später im Sassyk-Kul wieder
erhielten.
Kaum hatten wir uns restaurirt, so wurde wieder aufgebrochen
und schon um 3 Uhr Nachmittags verliessen wir in 2 Tarantassen
und einer Telege für das Gepäck das freundliche Sergiopol, bis zu