Frauentracht bei denen in origineller "Weise Oberschnabel von
Enten, namentlich die bunten der Eisente, das Gesicht vorstellen
sollen. Knaben üben sich schon in früher Jugend im Bogenscbiessen
und ernten damit den Beifall ihrer Eltern ebenso als die „kleinen
Soldatenspieler“ bei uns.
Wie schwierig es Angesichts der climatischen Verhältnisse,
namentlich im Winter, ist Kinder im zartesten Alter durchzübringen,
lehrt uns Middendorf am besten (p. 1496), der aus eigener Erfahrung
spricht. Dass eine ziemliche Anzahl Kinder sterben ist im
Voraus anzunehmen, ebenso aber auch, dass die, welche durchkommen,
eine um so kräftigere Constitution besitzen müssen. In
der That erinnere ich mich kaum einen Krüppel gesehen zu haben,
wie, entsprechend der abgehärteten Lebensweise (Pallas sagt „unnatürlichen
Nahrung!“), Ostiaken uud Samojeden sich der besten Gesundheit
erfreuen und ein sehr hohes Alter erreichen. Wenigstens sieht
man häufig Greise; freilich kennt kaum Einer sein Alter genau.
Am häufigsten sind Augenentzündungen, denn den Augen wird durch
Rauch, Mücken, Schneeglanz und das von Jugend an beständige
Stieren ins Feuer derartig zugesetzt, dass sich Middendorff mit Recht
über die ausgezeichnete Sehkraft verwundert. „Klagt ein Alter, er
sehe nichts mehr, so will das gewöhnlich sagen, dass er noch immer
schärfer unterscheidet als unser eins.“ Als Präservative besitzen die
Eingebornen verschiedenartige Brillen. Eine solche, ost. Semkarti
genannt, welche ich mitbrachte, besteht aus Fensterglas, das sehr
solid in Pelzwerk gefasst ist, und wird bei schneidendem Winde
getragen. Sehr practisch ist auch eine Art Stirnbinde, Sem-lobes,
d. h. Augenschutz genannt, aus Fuchsfell, dessen lange Haare vor
dem Auge herahhängen und dasselbe im Frühjahr vor dem blendenden
Schnee schützen. Am Staare Erblindete trafen wir übrigens
mehrmals. Sie erfreuten sich der Theilnahme ihrer Stammesgenossen,
arbeiteten aber auch, d. h. halfen als Ruderer. Syphilis,
deren abschreckende Zeichen uns beim ersten Begegenen mit den
Eingebomen (p. 343) so unangenehm berührten, wird stromabwärts
seltener und auf der Tundra trafen wir sie gar nicht. Nach
Schrenk, der die hauptsächlichsten Krankheiten (p. 547«»550) eingehender
bespricht, tritt Syphilis oft gleich secundär auf und wäre
nach der Versicherung der Eingebornen unter ihnen nicht ansteckend,
wofür Gmelin ebenfalls Belege heibringt.
Dass bei dem fast gänzlichen Mangel von Aerzten allerlei Aberglaube
und Hokuspokus von Schamanen als Heilmittel gelten, darf
nicht verwundern. Wie es scheint wird nur eine Kurmethode bei
Reissen und ähnlichen Uebeln angewendet, die darin besteht, dass
man auf der kranken Stelle kleine Stückchen Schwamm abbrennt.
Das Besprechen von Krankheiten ist daher ebenso im Schwünge als
allerlei Sympathie bei uns. Bruder Dschunschi trug z. B. einen Bärenzahn
(ost. Otschne-peng) am Gürtel befestigt, wie wir dies noch
öfter sahen, der ihm, als probat gegen Rückenschmerz um keinen
Preis feil war. Ich liess ihm den kostbaren Talisman und den
Glauben an denselben ohne zu lachen, denn ich dachte an Rheumatismusketten,
Königstrank, wunderthätiges Wasser und hunderterlei
ähnliche Erzeugnisse civilisirten Schamanenthums. Weitere Betrachtungen
über diesen Gegenstand würden zu der Ueberzeugung führen,
dass wir eigentlich in vieler Hinsicht mehr hemitleidenswürdig sind
als Ostiaken und Samojeden!
Da wir hinsichtlich der Gebräuche nur die traurige Gelegenheit
hatten einem Begräbniss beizuwohnen, so könnte ich es ganz
unterlassen dieselben zu berühren, verdienten die trefflichen Originalmittheilungen
Jorka Mamruns nicht unbedingt Wiedergabe. Sie
weichen freilich in manchen Stücken von den üblichen Beschreibungen
ah, dürfen aber deshalb vollen Werth beanspruchen, da
wol fast alle Reisenden nur auf Grund eingegangener Erkundigungen
berichten.
Für Wöchnerinnen ist abseits von den übrigen Hütten eine
besondere kleine Erdhütte errichtet (vergl. Kap. XIV), in welchen
sie ihre Zeit zubringen. Sie diente zugleich auch zum Aufenthalte
während der mensualen Unpässlichkeit, in welchen Perioden Frauen,
wie hei den Juden, als unrein gelten. Sie müssen sich dann gewissen
Räucherungen unterwerfen (Schrenk), wozu wol aber schwerlich
„Bibergeil“ verwendet werden dürfte, wie Sujew (p. 71) und
Poljakoff (p. 54) behaupten. Auf der Tundra wird, sofern es möglich
ist, ein besonderer Tschum (sam. Sjamai mja d. h. unreines
Zelt: Schrenk) als Wochenstube hergerichtet und die meist leichte
Geburt*) geschieht unter dem Beistände erfahrener Weiber. Nach*)
Ueber die schon von Snjew (Pall. p. 72) mitgetheilte Sitte der samoje-
discheu Frauen unter den Schmerzen der Geburtswehen eheliche Sünden zu
beichten, welche Schrenk (p. 480) ausführlicher beschreibt, brachte ich nichts in
Erfahrung, Hier, wie in ähnlichen Fällen, würde es gut sein zu erfahren aus