denn die durch Druck vom Meerbusen her versetzte Strömuntor,'
welche uns schon an der vorhergehenden Station (Nemüta) entgegen
lief, liess uns scheinbar am linken Ufer weilen.
Janburri war ethnologisch insofern interessant, als wir hier fast
nur Samojeden fanden, und wir unterliessen daher nicht, uns dieselben,
sowie ihre Einrichtungen, möglichst genau zu betrachten.
Ich darf gleich hier einfügen, dass, wenn es schon schwer ist, für
Ostiaken als Volksstamm eigene Charactere aufzufinden, es noch
schwieriger wird, Samojeden und Ostiaken als getrennte Stämme
anthropologisch zu unterscheiden, da beide Völker hauptsächlich nur
die Verschiedenheit der Sprache trennt. Dabei muss bemerkt werden,
dass Samojedisch die gebräuchlichste Verkehrssprache ist, die fast
jeder Ostiake versteht, während umgekehrt die Samojeden nur selten
Ostiakisch sprechen.
Ich war bereits wiederholt um ärztlichen Rath angefleht worden
nnd sollte hier aufs Neue Hilfe schaffen in Fällen, wo selbst der
berühmteste Aesculap schwerlich solche bringen konnte. So zeigte
mir ein Greis seine grässlich verstümmelten Hände, mit bereits bis
über das letzte Gelenk angefaulten Fingern. Er war bei grösser
Kälte in der Betrunkenheit im Schnee liegen gebheben, hatte sich
die Hände erfroren und sie fielen ihm nun stückweis ab. Einer
Frau, die an Rückenmarkschwindsucht litt, und deren Beine bereits
gelähmt waren, konnte ich eben so wenig helfen, als ein Paar
Blinden, während ich leichteren Augenkranken, die ja schon des
entsetzlichen Rauches halber sehr häufig sind, zunächst strengste
Reinlichkeit empfahl, die ihnen jedenfalls nicht geschadet haben
wird. Unser Psalmist, Feodor Kasainofif, suchte den Leuten zwar
begreiflich zu machen, dass sie nur wegen ihres Unglaubens mit
Blindheit geschlagen seien, und mit dem orthodoxen Glauben auch
wieder sehend werden würden, ich bedeutete dem eifrigen Apostel
aber, dass er als Ruderknecht engagirt sei und sich der Missionsarbeit
ein für allemal zu enthalten habe.
Als Pendant zu dem in Kiochat gezeichneten Hausgötzen
(p. 402) gebe ich hier die Scizze eines „Buschgötzen,“ den ich zufällig
auf einer kleinen Jagdexcursion im Weidendickicht fand.
Neben einem in die Erde gesteckten Baumstücke, das noch Augen
und Nase als Gesicht zeigte, standen auf einem Gestell aus Baumästen
3 sibirische mit Blech beschlagene Holzkasten (russ. Sanduk),
welche als „Gotteskästchen“ dienten. Da sich die Schlüssel zu denselben
gleich dabei befanden, konnte man den Inhalt also ohne
Zögern ansehen. Es war ein nach unseren Begriffen allerdings
höchst armseliger. In dem grössten, für Männer bestimmten, Kasten
lag ein kleiner aus Lumpen verfertigter Gott, in dem für Weiber
eine Göttin, in gelbem roth besetzten samojedischen Rocke und in
dem kleinen für Kinder nur etliche Lumpen, denen ich meinerseits
ein Paar Glasperlen beifügte. Dass die Opferstätte den Segen der
Götter für die Fischerei erflehen sollte war aus dem Stocke im
Hintergründe ersichtlich, an welchen ein Stück Fischhaut als Opfergabe
befestigt war.
Das Ganze zeugte von der Naivität und zugleich Ehrlichkeit
dieser Leute, wenn auch weniger von ihrem Kunstsinn. Aber die
Heiligenbilder, sogenannte Mirakel, und Bildstöcke, welche häufig
in katholischen Ländern an Landstrassen zu finden smd, haben
künstlerisch, zuweilen auch kaum höheren Werth.
Nachmittag gegen 5 Uhr verliessen wir Janburri und gingen
mit einer Reservemannschaft von siebzehn Samojeden und Ostiaken
den Fluss, der hier nur einem schmalen Canal gleicht, aufwärts,
kochten unterwegs auf freier Tundra, die, neben dem Heiligenschein
von Mücken, glücklicherweise auch Schneehühner aufzuweisen hatte,
ab und erreichten in der ersten Stunde des 19. den kleinen Tschum-
platz Hat (Hatsche, Hatje), die letzte menschliche Niederlassung,
welche wir für längere Zeit sehen sollten. Es galt hier noch einen
Versuch, Wegweiser für die Stromfahrt zu gewinnen, und dass dies