Aber wir schwelgten erst in langentbehrten Genüssen, als Goldmacher
eine Knh schlachten liess, von der wir die besten Stücke
noch auf die Reise mitnahmen.
Gern hätten wir noch eine Excursion in den Ob-Meerbusen,
dem wir ja ohnehin so nahe gewesen waren, unternommen, aber
dies ging aus verschiedenen Gründen nicht. Zwar wusste ich, dass
Sujew in 5 Tagen bis ins Mündungsgebiet und zurück gelangt war,
allein dies hätte für uns keinen Zweck gehabt und für eine Reise
bis nach dem Nadym wäre es zu spät geworden. Yor allen Dingen
handelte es sich ja darum das Gesammelte zu erhalten und dann
schien es mir nothwendiger wiederum auf der Lotka die Rückreise
zu machen, weil uns dadurch durchaus freie Bewegung im Sammeln
und Beobachten blieb. Und dies wäre nicht der Fall gewesen,
hätten wir die von Herrn Korniloff und anderen Rhedern in Tobolsk
freundlichst angebotene Passage mit einem der Dampfer angenommen,
welche Anfang September bis ins Mündungsgebiet hinabgehen und
den Fischsegen stromauf schleppen. Dagegen reiste Herr Poljakoff
am 22. August den Strom hinab. Er gelangte aber nur bis zum
Nadym und führte die beabsichtigte Reise und Ueberwinterung am
Tassbusen nicht aus. Es ist dies sehr zu bedauern, da bisher noch
kein wissenschaftlicher Reisender*) in dieser Richtung vordrang.
Und doch wäre es im höchsten Grade interessant gewesen jene alte
Strasse zu ziehen, welche vor ein paar hundert Jahren von Pusto-
sersk aus über die Halbinsel Jalmal (vergl. p. 581) nach dem alten
Mangasea am Tassbusen führte. Schon zu Gmelin’s Zeit (1739)
hatte diese Verbindung, welche übrigens für den heutigen Handel
ganz ungenügend sein würde, aufgehört, doch sah er „etliche
Heiden in Turuchansk, die von „Obdorsk-Ostrog“ zum Jahrmarkt
gekommen waren (Gml. III. p. 205 u. 212). Gerade mit diesen
„Heiden“ hätte ich die Reise machen mögen, was während des
Jahrmarktes leicht zu arrangiren gewesen wäre, da sie ja dann
nach Obdorsk kommen. Man hätte dabei die „Tasow’schen Samojeden“,
welche nach Castren (II. p. 235) keine Juraken sein sollen,
*) Bei dem erwähnten Versuche Graphit vom Jenissei über Obdorsk nach
Europa zu verladen schickte Sidoroff einen kleinen Schuner (schkuna) in den
Tassbusen, dessen Führer Kuschelewskij (Kuschelewssky) eine eigene Schrift: „Der
Nordpol u. das Land Jalmal“ (St. Petersb. 1868. Euss.) veröffentlichte, die indess
nach dem Zeugniss' compententer Bussen so unbedeutend ist, dass sie keine weitere
Beachtung verdient.
gründlicher studiren können und wäre dann gegen Juni mit ihnen
in Turuchansk eingetroffen. Nach dem, was ich von Herrn Feodoroff
in Tobolsk erfuhr, würde es von Obdorsk bis zum Tschumplatze
Lädinzeta (Linsita) 800 W. weit sein, und von hier legte sein
Bruder mit Lotka in 22 Tagen den Weg nach dem Tass (samoj.
Judai) hin und zurück. Man fand hier Steinkohlen, doch erfuhr
ich nicht ob anstehend. Für Jemanden, der ä la samoiede zu leben
vermag, war diese Reise geradezu verlockend, aber mich rief das
bittere „muss“ eben wieder heimwärts, sonst hätte ich sie unter
allen Umständen gemacht, denn eine so günstige Gelegenheit bietet
sich wol nur einmal im Leben. Auch Obdorsk eröffnete ein versprechendes
Forschungsfeld und die Worte Castren’s: „es war'für
mich ein London, Paris, Berlin u. s. w.; und doch gab es hier kein
Buch ausser dem sibirischen Reglement, kein Tageblatt ausser demjenigen,
welches die Damen in der Dämmerung redigirten“, sprachen
auch mir aus vollster Seele. Auch mir verging die Zeit in allerlei
nothwendigen Obliegenheiten, wie bisher auf der ganzen Reise nur
zu schnell und liess mir nicht Müsse nur einen Blick in die
Zeitungen zu thun, mit welchen uns die liebenswürdige Aufmerksamkeit
der Redaction der deutschen St. Petersburger Zeitung so
reichlich versorgte.
Die Herren der russischen Kara-Bai-Expedition waren am
31. August zurückgekehrt, der Sassjedatjelj schon 2 Tage früher.
Nachdem ich mit dem Letzteren noch allerlei Geschäftliches geordnet
und durch seine Güte 5 grosse Kisten mit Sammlungen
expedirt hatte, konnten wir am Abend des 3. September, nach
15tägigen Aufenthalte, unsere Rückreise*) antreten. Wenn Castren
der Unfreundlichkeit der Obdorsker ihm gegenüber gedenkt, so erfuhren
wir nur das Gegentheil und meine Gefährten werden mit
mir übereinstimmen, wenn ich den freundlichen Obdorskern ganz
besonders dem bereitwilligen und zuvorkommenden Sassjedatjelj Herrn
Pawlinoff, hiermit nochmals herzlich Dank ausspreche.
Nach der Oede der Tundra war es wohlthuend für das Auge
jetzt wieder Wälder zu sehen und genussreich gelegentlich in denselben
Excursionen zu machen. Wir benutzten dazu die Zeit vor
*) Die Stationen sind dieselben als auf der Hinreise (p. 371), nur fallen diesmal
Stat. Leümalsk und Tachty aus und wir kamen von Obdorsk gleich nach
links: Sobje-Jurty, 5 Tschums, 30 W., u. r. Wandiaski-Jurty, russ. Fischerplatz u.
etl. Tschums, 35 W., was nur 5 Werst weniger ergiebt.