ganzgedeckte, ganzoffene u. s. w. aber allen liegt das vorbeschriebene
Modell zu Grunde. Dass das Mittelpferd im Krummholz und somit
in einer Gabel geht mag noch erwähnt sein. Die Stangen der letzteren
sind mittelst Stricken am vorderen Theile der Sohle festgemacht;
die Seitenpferde ziehen an einer Wage oder an den Auslegern.
Für den Kutscher (Jemtschik) ist nur in höchst unbequemer
Weise gesorgt. Er sitzt auf dem Querbrette, welches den vorderen
Theil des Schlittenkastens verbindet und zwar seitlich mit herabhängenden
Beinen, die er höchstens auf den Ausleger stützen kann.
Ich habe oft staunen müssen mit welcher Geschicklichkeit sich ein
solcher Jemtschik beim raschen Fahren trotz der furchtbaren Stösse
auf seinem Sitze zu erhalten weiss.
Das beigegebene Bild ,,im Posthofe“ wird vielleicht mehr als
das Gesagte zum besseren Yerständniss beitragen. Es zeigt im Vordergründe
unsem dreischläfigen Schlitten, an welchem der Jemtschik
eben im Begriff ist einzuspannen. Dies erfordert, da auch noch
Packschlitten vorhanden sind, immerhin 15—20 Minuten Aufenthalt,
währenddem die Reisenden Zeit haben ein Glas heissen Thees zu gemessen,
um dann aufs Neue sich in ihr Schicksal zu fügen. Die
Posthäuser sind meist stattliche Gebäude, an welches sich ein grösser
Hof mit offenen Schuppen anschliesst, zur Unterbringung von Schlitten,
Wagen und deren Bespannung. Das Stationshaus ist durch ein
Schild mit dem Kaiserlichen Adler gekennzeichnet, auf welchem der
Name des Ortes, sowie die Entfernung von St. Petersburg in Werst
angegeben ist.
Dass das Innere der russisch-sibirischen Poststationen keinerlei
Comfort bietet, wird man von selbst voraussetzen. Die wenigen
steinharten Sopha’s oder Holzbänke daselbst können bereits von anderen
Reisenden eingenommen sein und dann bleibt den nachfolgenden,
denen es selbst an Matratzen fehlt, nichts übrig, als
sieb auf der Diele auszustrecken, wenn unvorhergesehene Zufälle
zum „Uebernachten“ zwingen.
Die Gegend zwischen Nishnej und Kasan bietet landschaftlich,
zumal in dieser Jahreszeit, so gut als nichts. Man passirt einigemal
gemischte Wälder, im Uebrigen scheint das Land aber ziemlich angebaut,
wie die vielen, oft grossen Dörfer beweisen; namentlich reiht
sich hinter Nishnej Dorf an Dorf. Freilich machen dieselben keinen
besonders freundlichen Eindruck, denn sie bestehen meist nur aus
zwei Reihen Holzhäusern, die eine sehr breite Strasse begrenzen und
I entbehren durchgehends fast jedes Baumschmuckes. Bis auf einzelne
I stattlichere Häuser, deren nach der Strassenseite zugekehrte Giebel
| oft mit hübschen Schnitzereien und bunten Malereien geziert sind,
I spricht sich überall eine grenzenlose Nachlässigkeit aus. Viele, um
I nicht zu sagen die meisten, Häuser scheinen im Verfall begriffen, denn
1 der Russe denkt nur selten an rechtzeitiges Ausbessern und scheint
1 leichter ein neues Haus bauen zu können, als das alte zu erhalten.
■ Der ausnahmslos zu Grunde liegende Baustyl ist der des Blockhauses,
«also übereinander gelegte behauene Baumstämme, deren Fugen
■ mit Moos verstopft werden, und die mit einem Dach aus Brettern
■versehen sind. In Sibirien findet man hie und da auch mit Birken-
Bzweigen, Birkenrinde oder Soden bedeckte Hütten, aber das sind die
■ Wohnstätten der Armen, die oft nur aus einer einzigen Stube be-
| stehen und daher auch „Isba” (Stube) und nicht „Dom” (Haus)
■ heissen. Auffallend ist es, dass man bei dem so umfassenden Gebrauch
■ der Birkenrinde in Russland und Sibirien nicht die treffliche Be- (I dachung mit diesem Material und Grassoden in der Weise wie in
f Norwegen und Lappland kennt. Bei reichen Bauernhöfen finden
h sich meist Schuppen und Vorrathshäuser, ebenfalls aus Baumstämmen,
I aber sehr häufig beäteheu die Viehställe, soweit überhaupt von solchen
f die Rede sein kann, aus grobgeflochtenen Hürden, die mit Zweigen
| und Stroh bedeckt sind und für die hauptsächlich der hohe Schnee
| den nöthigen Schutz gewährt. Wir fanden daher das Vieh allenthalben
sich in der sehr breiten Dorfstrasse umhertreibend, wo es
die durch das Schmelzen des Schnees freigewordenen Ueberreste
verstreuten Stroh’s und Heu’s aufsuchte, oder an den Haltestellen
der Frachtschlitten, die reichlichere Vorräthe boten'. Das Rindvieh
war durchgehends von schlechtem Aussehen, klein, schlecht behornt,
mit hohem nach vorn und hinten stark abfallendem Rückgrat, auffallend
zarten Extremitäten, nnd langer fast zottiger Behaarung,
des meist grauen Felles. Besser erschienen die schwarzen und roth-
bunten sehr langköpfigen Schweine, welche uns oft in kleinen Rudeln
schon ausserhalb der Dörfer begrüssten. Ganz besonders schön fanden
wir aber Hühner und Gänse, die oft in wahren Prachtexemplaren
vorkamen und unsere gewöhnlichen Landrassen weit übertrafen.
Wenige Stationen hinter Nishnej kommt man in das Gebiet
der Tscheremissen, vor Kasan in das der Tschuwaschen, Völkerstämme,
die der alte Gmelin 1734, also vor mehr als 150 Jahren, noch als
arge Götzendiener schildert und die heutigen Tags noch nicht alle