Jahre erfordert, und yon denen die Kaiserliche Eremitage in St.
Petersburg so ausgezeichnete Exemplare aufzuweisen hat. Die grössten
dieser Kunstprodukte*) sind wol eine 16 Fuss lange und 9 Fuss
breite Schaale und eine 9 Fuss 4 Zoll und 4 Fuss 7 Zoll Durchmesser
haltende Yase. Die letztere aus einem einzigen Blocke,
Hälleflinta, hier „grüner Jaspis“ genannt, hergestellt, wurde 1819
vollendet. Zum Transport des über 700 Pud schweren Steinblockes
war die 8 tägige Arbeit von 400 Menschen erforderlich, um ihn
vom Steinhruche (Revenaja) 35 Werst weit in die Fabrik zu schaffen
und drei volle Jahre wurde an der Yase geschliffen. Trotz der billigen
Arbeitslöhne stellt sich ein solches Kunstwerk an Ort und Stelle
auf mehr als 20,000 Rubel und heutigen Tags, wo selbst in Sibirien
Alles theurer geworden ist, wahrscheinlich bedeutend höher. Hinzu
kommt noch der weite Transport (bis Petersburg 700 d. M.), der
im Winter auf eigens construirten Schlitten bis Jekaterinenburg
geschieht, von wo aus Eisenbahn und Dampfschiffe die Sache erleichtern.
Die Anstalt steht direct unter dem Kaiserlichen Cabinet
in St. Petersburg, welches über die eingelieferten Entwürfe entscheidet
und worüber oft so lange Zeit vergeht, dass die Arbeiter
nichts zu thun haben. Sie arbeiten dann, soweit sie nicht Landbau
und Bienenzucht in Anspruch nimmt, für sich selbst kleinere Gegenstände,
welche sie den wenigen durchreisenden Fremden zum Verkauf
anbieten. Auch wir erstanden auf diese Weise einige Andenken:
Schaalen aus Marmor, Aventurin etc,, hatten aber auch hier wieder
mit ^dem leidigen Vorschlägen zu kämpfen. Die Sachen waren
im Ganzen billig; ein grosses Petschaft aus gelbem Quarz kostete
z. B. 1 bis 2 Rubel. Yon den etwa 100 Steinschleifern, beschäftigen
sich ein paar auch mit der Steinschneidekunst, d, h. dem Graviren
von Buchstaben und Wappen ganz in der Weise und mit denselben
Apparaten, wie die renommirten Stein- und Wappenschneiderin
Warmbrunn in Schlesien, nur dass sie jene bei Weitem nicht erreichten.
Ueberhaupt fehlt es den Leuten in Kolywan an Geschmack
und das Streben des gemeinen Mannes vorwärts zu kommen, ist
wie in ganz Russland, noch zu wenig entwickelt. Und doch fehlt
es nicht an Bildungsmitteln, unter denen eine Zeichen- und Modellirschule
alle Anerkennung verdient. Sie steht unter der Leitung des
*) Aufzählung und Beschreibung aller von 1799 — 1825 hergestellten bei
Ledebonr (Beil. I.).
Herrn Iwatscheff, eines jungen talentvollen Künstlers, der indess im
Ganzen wenig Freude an seinen Schülern erlebt, denn sie kommen,
nach echt russischer Weise, ganz nach Belieben und augenblicklich
waren überhaupt nur Drei, welche die Segnungen dieser Anstalt
begriffen und sich dem Schulzwange fügten. Obrist Slobin ist
übrigens ebenfalls Künstler (Maler) und ihm und Herrn Iwatscheff
verdankt die bald vollendete geschmackvolle steinerne Kirche (welche
an 20,000 Rubel kostet) ihre bildliche Ausschmückung. Namentlich
gefiel mir ein Abendmahl, in Gruppirung an Leonardo da Vinci’s
berühmtes öemälde erinnernd, schon desshalb, weil es den stereotypen
fast heraldischen Kirchenstyl (Heiligenschein, Gesicht und Hände
aus wirklichem Gold- und Silberblech) mit Recht verachtend, ein
wirklich künstlerisches Erzeugniss in unserm Sinne darstellte. Die
alte hölzerne Kirche, welche Pallas vor kaum hundert Jahren als
„artig“ rühmt, ist jetzt ganz verfallen und zeigt wie schnell Holzgebäude,
selbst von dieser Grösse untergehen. —
Die in Kolywan verschliffenen Gesteine*) sind von besonderer
Schönheit und Politurfähigkeit, namentlich der prachtvolle Felsit-
porphyr („Porphyr“ in Kolywan), Porphyrbreccie („Breccie“), Quarzporphyr
(„Kaffeeporphyr“) von Korgon,**) 150 Werst von Kolywan,
Quarze und Marmor von Beloretzk (75 W.), Granit von Kolywan,
Hälleflinta („grüner Jaspis“) von Revinowa (35 W.), Eisenkiese]
(„Jaspis“) von Salair, Diabasporphyr („Serpentin“) vom Tscharysch
(150 W.) u. s. w. — Dass ich von Allen Proben zusammenlas, verstand
sich von selbst, denn bei der Schnelle mit der wir reisen
mussten, war anderweitig an Sammeln nicht zu denken. Doch
lernten wir wenigstens ein für uns neues Thier lebend kennen und
zwar die „wilde Ziege“ (Dikaja Kosa), wie die Russen, deren Sprache
kein anderes Wort dafür kennt, das Reh nennen. Das sibirische
Reh (Cervus pygargus) ist, wie der Edelhirsch (Maral), eine von
unserem verschiedene, namentlich durch die bedeutendere Grösse ausgezeichnete
Art. Die einjährige zahme Ricke, übrigens das einzige
*) Die schöne Sammlung angeschliffener Proben, welche unsere Expedition
Herrn Bergapotheker Santzer in Barnaul verdankt, zählt über 100 Nummern; sie
wurde dem Museum in Bremen als Geschenk überwiesen. Vergl.; Rose L p. 561—568
und vor Allem: Stelzner „Pterographische Bemerkungen über Gesteine des Altai“
(in Cotta’s Altai p. 110—165, Taf. IV. V.).
**) Die Steinhrüche in dieser überaus wilden und grossartigen Gebirgsgegend
besuchte Ledebour (I. p. 245, Atlas Taf. VII.).