ebenfalls im Frühjahr hei Hochwasser. Immerhin bleibt die Möglichkeit
nicht ausgeschlossen, dass mittelst besonders flach gebauter
Dampf boote diese Wasserstrasse auch im Sommer practicabel sein
kann. Aber es empfiehlt sich, die Hoffnungen nicht zu hoch zu
spannen, damit nicht später Enttäuschungen eintreten, wie mit dem
Ili, in welchem man auch eine neue zukunftsreiche Wasserstrasse*)
nach China gefunden zu haben glaubte.
Was den Nor-Saissan und oberen Irtisch aber zu allen Zeiten
werthvoll macht ist ihr immenser Fischreichthum. Er soll 1650
die Kalmücken vom Hungertode gerettet haben, wesshalb sie in
dankbarer Erinnerung seinen alten Namen Kungcbotu-Nor (d. h.
Glocken-See) in den jetzigen umänderten. Auch die Russen haben
schon in dem See, den Baikoff zuerst 1655 erreichte, gefischt, lange
ehe sie ihn einverleibten, was übrigens in der friedlichsten Weise
geschehen zu sein scheint. Als Meyer**) 1826 den See besuchte,
zahlten die fischenden Russen noch eine Abgabe von 30 Pfund Salz
für jedes den Irtisch hinaufgehende Fahrzeug und an den chinesischen
Grenzcommandeur 500 Stück Stjerlets. Alexander v. Humboldt
konnte 1829 noch im chinesischen Grenzposten Baty (mehr
als 100 W. vom See) vorsprechen (Rose, Reise I. p. 600) denn der
Narym bildete damals die Grenze. Heut gehört den Chinesen nur
die nordöstlichste kleinste Ecke des Sees und derselbe ist (schon
seit 1839) Regal des sibirischen Kosakenheeres. Dieses ertheilt die
Concession und soll, wie uns gesagt wurde, jährlich 4000 Rubel
Einkünfte beziehen. Aber ich ersehe aus Wlangali, dass dieselben
schon 1849 mehr als 10,000 R. betrug. Diese Summe würde immerhin
sehr unbedeutend sein, gegenüber der Notiz, dass der See jährlich
für mehr als 43,000 R. Fische producirt, und den von uns
eingezogenen Nachrichten, nach welchen die Pächter der 20 verschiedenen
Fischereiplätze je 4000 R. und mehr jährlich aus ihrem
Fange lösen. Um diese Summe zu erreichen gehört aber, nach
oberflächlicher Schätzung, ein Quantum Fische von 40,000 Pud oder
1,600,000 Pfund (russisch). Denn die Preise der Fischproducte sind
geradezu lächerlich billige. So wird Stör mit 3—4 R., N j e lma.
der feinste Fisch, mit 2 R., Hecht, Schlei (Lin) und Karpfen gar
*) Vergl. „Der Fluss Ili als künftige Wasserstrasse nach dem westlichen China“
in : Peterm. Geogr, Mittheü. 1858 p. 407.
**) Siehe Ledehour’s Eeise II. p. 227.
nur mit V2 Rubel*) per Pud bezahlt; Caviar bringt 20 R. Auch
die Rückensehne der Störe (Wessigi) bildet einen gesuchten Artikel
für China.
Natürlich kann bei solcher Billigkeit nicht von ausgezeichneter
Präparation die Rede sein, aber sie entspricht den Anforderungen
insofern, als die getrockneten Fische zur wirklichen Volksnahrung
nnd als solche weit nach Ust-Kamenogorsk und selbst Semipalätmsk
verführt werden.
So sehr auch die gegenwärtige z. Th. wahrhaft verwüstende
Productionsweise zu beklagen ist, so kann, sie doch den Verhältnissen
entsprechend kaum anders sein, wenn sich auch nicht laugnen
lässt, das in vieler Hinsicht Verbesserungen eingeführt werden konnten.
Die Fischerei im Nor-Saissan beginnt Ende April, erreicht im
Mai nnd Anfang Juni ihre höchste Blüthe und währt bis Ende August.
Dann gehen die Fischer den schwarzen Irtisch hinauf und kehren
Ende October wieder zum Narym zurück. Die Fangmethoden sind
die allenthalben gebränchlichen. Für „Rothfisch“ d. h. Störarten
werden sogenannte „Ssamolowy“ d. h. Selbstfänger errichtet, welche
*) Wie erschreckend billig die Preise der Fische vor c. 100 Jahren waren
' geht hie und da aus Pallas hervor. Nach seiner Angabe kostete 1773 das Pud
frischer gefrorener Hechte am See Tschany 3 Kopeken, also 32 Zollpfund etwa
6 Pfennige!!
F in s c h , Reise. I. ^