zahlreiche Reste seiner Mahlzeiten. Sie enthielten u. A. eine nur
halbverzehrte Spitzmaus, durch welche das Vorkommen von Diplome-
sodon pulchellus, Licht., in diesen Breiten festgestellt werden konnte.
Der Forscher sollte also allen, selbst den unbedeutendsten Dingen
Aufmerksamkeit schenken.
Ich will gleich hier einfügen, dass die russische Expedition
weiter auf dem Flusse vordrang als wir und zwar nach ihrer Karte
zu urtheilen, etwa 24 Werst. Doch war, wie ich später durch den
Kosak Klippikoff erfuhr, die Lotka nur unbedeutend, etwa 7 W.
höher hinauf gekommen, da hier Stromschnellen die Weiterfahrt
gänzlich sperrten. Die Russen hatten dann den fast eine Woche
währenden Aufenthalt mit dazu verwandt, um mittelst eines kleinen
Bootes und zu Fuss bis zum Wasserfalle vorzudringen, von welchem
uns der alte Dschunschi schon erzählte. Die Höhe desselben,
anfänglich auf 17 Faden (c. 120'), später auf 10 Faden angegeben,
hatte in Wirklichkeit kaum 16' (die Länge eines Renthierleitstockes)
betragen.
Reisen über die Tundra, sei es nun Sommer oder Winter, sind
nur mittelst Renthieren ausführbar und zwar gehören dazu nicht
10 oder 20, sondern eine ganze Heerde. Mit einer solchen gelangte
Sujew 1771 bis zur Kara, Castren über den Ural nach Obdorsk, ohne
dieselben wären die grossartigen Uralexpeditionen in den Jahren
1847, 1848 und 1850 unter von Hofmann, Branth, Kowalski, Stras-
hewski nicht ausführbar gewesen. Wenn ich sage, dass eine Sommerreise
auf der Tundra schwieriger oder mindestens ebenso schwierig
ist, als eine Tour durch eine Wüste, so wird zwar Mancher ungläubig
das Haupt schütteln, aber sich von der Richtigkeit meiner
Behauptung leicht überzeugen können, wenn er v. Hofmann’s Reise
nachliest (z. B. p. 168). Die Vorbereitungen dazu müssen schon
Monate im Voraus,, für H.-W. - Sibirien z. B. auf dem Jahrmarkt in
Obdorsk, getroffen werden, um die Heerdenbesitzer willig zu stimmen
und eine genügende Anzahl Renthiere zu miethen. Die Ural-
Expedition des Jahres 1848 wäre trotz aller Befehle nicht zu Stande
gekommen, wenn der Kaufmann Trophimoff in Obdorsk nicht seine
ganze Heerde von 800 Stück Renthieren*) mit allem Zubehör frei-
*) Vergl. v. Hofmann p. 117 n. 133. — Dieselben fielen fast sämmtlich der
Seuche zum Opfer. Aber der wackere Mann schlug, wie die Miethe für die Thiere,
auch jede Entschädigung aus und schrieb an v. Hofmann: „Der Verlust ist für
mich empfindlich, aber dabei ist nichts zu thun, es war Gottes Wille! Doch dem
willig zur Verfügung gestellt hätte. Sind aber auch alle Vorbereitungen
noch so gut getroffen, der Erfolg bleibt immer noch
zweifelhaft und von Umständen abhängig. So kam Sujew nur mit
Mühe von der Tour nach dem Sob zurück, weilWölfe die Renthierheerde
überfallen und gänzlich zersprengt hatten. Und die Abtheilung der
Ural-Fxpedition unter Strashewsky musste sich, nachdem alle Renthiere
gefallen, unter den grössten Entbehrungen, sich nur von
Beeren tind Pilzen nährend, zu Fuss bis zum Ob durchschlagen*)
(Hofmann p. 167), um nicht in diesen Wüsteneien umzukommen.
Denn die Tundra ist eine Wüste, wenn auch nicht aus Sand gebildet,
so doch aus Morästen und bleibt auf ihr allerdings. der Tod
des Verdurstens ausgeschlossen, so gähnt das Gespenst Hunger von
allen Seiten. Obwol Dr. Brehm, Graf Waldburg und ich bereits sehr *
gut wussten was'Tundra heisst, so liess uns doch Unkenntniss der
hiesigen Verhältnisse eine Fussreise antreten, die wir wahrscheinlich
unterlassen haben würden, hätten wir schon damals gewusst, dass
auch Seuche ihr Heim auf der Tundra aufgeschlagen hatte und dort
wüthete.
Nach wiederholten und sorgfältigen, ebenso ermüdenden als
nothwendigen Verhandlungen und Erkundigungen mit unseren Leuten
blieb kein Zweifel, dass auch wir Renthiere haben mussten, um an
die Kara-Bai zu gelangen. Eben waren die Weisen der Tundra:
Dschunschi, Haiwai, Hat und der alte Michael, wieder dabei unter
einem Heiligenschein von Mücken (Abb. 34) zu berathen und brachten
mir das Resultat der fast zweistündigen Verhandlung. Es war eine
auf Papier gemalte Route der Tagemärsche**) bis Sadapai (vom
samoj. Sada = Sumpf und Pai = Stein, also wol Steinsumpf), jenseits
der Podarata, welches Dokument Alle, zum Zeichen ihres völligen
Einverständnisses, mit ihren betreffenden Zeichen contrasignirt hatten.
Nach dem Plane sollten Zwei nach Renthieren ausgeschickt werden,
grossen Kaiser zu dienen und meiner entlegenen Heimath zu nützen, wäre mir
auch mein und meiner Kinder Blut nicht le id “ Gewiss ein schöner Beweis, wie
-seihst im „kalten“ Sibirien warme Herzen in aufopfernder Begeisterung für die
Wissenschaft schlagen. Wie wenig solcher TrophimofiTs gieht es hei uns!!
*) Ganz ebenso ging es 1849 dem reichen Sirjänen Philipp Onufrieff aus
Ishma, der seine ganze Heerde von 8000 Renthieren in kurzer Zeit an der Seuche
verlor und mit Hinterlassung seiner sämmtlichen Habe sich nur mit der grössten
Mühe an die Dssa rettete (Hofmann p. 183).
**) Dieses, sowie andere ähnliche und nicht minder merkwürdige Aufzeichnungen
von Eingebornen sandte ich ctem verstorbenen Dr. Petermann nach Gotha,