Ruf „derdschi“ zum Ausdruck brachte. Die Hauptketten dieser
von Ost nach West streichenden zahlreichen Bergreihen, die eben-
falls als Vorberge des Ala Tau betrachtet werden können, -heissen
Tschibyndi und Karkarali, letzteres erreicht nach den Aneroidbeob-
achtungen von Graf Waldburg 500 Meter Höhe. Auf unserm Wege
sahen wir den Dschindschilifluss, ein kleines unbedeutendes Gebirgs-
wasser, welches durch eine lebhaftroth gefärbte hohe Uferstelle auffallend
wurde. Dieselbe besteht aus schöner Siegelerde, die sich
trefflich zu feinen Töpferarbeiten eignen würde, von den Kirghisen
aber nur zum Färben der Jurtenstäbe benutzt wird.
Trotz der rauhen Witterung, die zuweilen noch Schnee brachte,
gewährten diese kahlen Berge doch durch ihren mannigfachen
Blumenflor liebliche Bilder. Besonders üppig zeigten sich die in
voller Blüthe prangenden Päonien, welche hie und da an den Gehängen
als weithin leuchtende rothe Flecke erschienen, gegen die
die so oft gepriesene unbeschreibliche Pracht der Steppenbliithe
weit zurücktreten musste. Schon von Sergiopol an hatten wir
blühende Tulpen gesehen, aber weder bisher noch später jene „endlos
weiten Strecken leuchtend und das Auge fesselnd mit erblühenden
gelben, dunkelrothen, weissen und weiss- und rothgestreiften
Tulpen“, wie sie eine lebhafte Phantasie zuweilen schildert. Diese
Tulpenflor der Steppe bleibt in der That recht sehr hinter den
Erwartungen zurück, sowol was das allgemeine Bild als die Schönheit
der Species selbst anbelangt. Die Letztere ist nämlich ein
wenig imponirendes Blümchen, dessen Stengel an 2—6 Zoll, die
Blüthe höchstens 1 Zoll messen. Die Färbung ist durchgehends
gelb, wenigstens habe ich nur diese zu sehen bekommen, und ich
darf mich dabei mit auf das Zeugniss des Grafen Waldburg-Zeil
berufen, der als kenntnissreicher Botaniker, diesen Zweig des Naturreiches
vertrat und mit grossem Eifer sammelte. Neben der Päonia
ist es hauptsächlich die Schwertlilie, die in gelber und blauvioletter
Färbung den Blumenteppich bildet. — Zur Zeit als wir diesen Theil
der Steppe passirten, waren es meist erst die Zwiebelgewächse, die
in Blüthe standen. Der wilde Lauch und die Zwiebel eines kleinen
weissen Blümchens, Gagea pusilla, ^,Kandyk“ von den Russen jener
Gegend genannt, werden genossen und erwiesen sich letztere sehr
schmackhaft.
Zahlreiche Vertreter der Doldenpflanzen (Umbelliferen), wol
Sttmmeltern mancher in unsem Gärten gezogenen Gemüse, prangten
in saftig grünen Blättern, die bei der hier herrschenden Sonnen-
gluth im Sommer nur zu bald vertrockenen. Die Spiräensträucher
zeigten den ersten grünen Frühlingshauch, an feuchten ^Stellen
blühten Ranunkeln und das erwähnte schneeglöckchenartige Blümchen.
Gegen Nachmittag 4 Uhr hielt ich mit Oberstlieutenant Friede-
richs vorausreitend auf dem letzten Höhenrücken (1180 Meter hoch)
und das unvergleichliche Bild des herrlichen Thalkessels Tschubar-
agatsch mit Lepsa und dem Ala-Tau breitete sich vor uns aus: das
schönste was wir bisher landschaftlich erblickt hatten!