sehen bekam als wir, fragt man sich verwundert warum Käse aus
Holland und der Schweiz*) bezogen wird? In der That giebt es in
ganz Sibirien keine Käserei, obwol Käse in allen besseren Häusern auf
den Tisch kommt. „Aber würde es denn möglich sein bei uns
Käse zu fabriciren?“ sagte mir ein Kaufmann in Tomsk, der da
glaubte das wäre ein Vorzug der Schweiz, wegen der Eigenthümlichkeit
der dortigen Alpenkräuter. Als ich dem Manne darüber Aufklärung
gab, und zugleich frug, wie sich das auffallende Missverhältniss
zwischen den Preisen von Weizenmehl, das Pud 2 R. und kleinen
Zwiebäcken, das Pfund! im detail 30—35 Kop., erkläre? antwortete
er: „ja! diese Zwiebäcke müssen aus Moskau kommen“ !
Es liegt in Sibirien, wie man zu sagen pflegt, noch viel Geld
auf der Strasse, aber den guten Sibiriern fehlt eben das Nachdenken
und vor Allem der Unternehmungsgeist von Engländern, Yankees
und Deutschen um es aufzubeben. Der Sibirier ist eben im Ganzen
träge, gemächlich und das Sprichwort „time is money“ ihm noch
unbekannt, obwol es hier, wie überall, auch rühmliche Ausnahmen
giebt.
Sehr wichtig für die socialen Zustände im Altai ist auch der
Umstand, dass demselben keine Deportirten zugewiesen werden dürfen,
es also von jenen faulen und unnützen Elementen befreit ist, die
Sibirien mitunter so sehr zur Last fallen.
Die der Krone gehörenden Berg- und Hüttenwerke (etwa 18
zusammen) scheinen in ihrem Ertrage sehr zurückgegangen oder
vielmehr an jenem Punkte angelangt, wo nur neue bedeutende
Kapitalien helfen können. Das Finanzministerium, unter welchem
diese Kronswerke ressortiren, scheint indess keine Lust zu haben,
solche Summen, mit der immerhin möglichen Aussicht doch nichts
Rechtes zu erzielen, in die Bergwerke zu stecken, denn wenigstens
habe ich nicht bemerkt, dass nur einer der von Cotta (p. 317)
gemachten Verbesserungsvorschläge angenommen worden wäre.
Der ganze Altai lieferte in einem Jahrhundert (1745—1845)
76,785 Pud Silber und 2116 Pud Gold im Gesammtwerthe von
*) Diese sogenannten „Schweizer“ und „holländischen“ Käse stammen wol
meist ans den Fabriken des Kreises Kortschewa im Gonvernement Twer, die seit
einigen Jahren errichtet bereits bedeutend ezportiren; ein Beispiel mehr für die
Sibirier sich ihren eignen Bedarf selbst zu bereiten!
99 Millionen*) Rubel, also jährlich einen Reinertrag von ungefähr einer
Million Rubel. Mit Abschaffung der Leibeigenschaft, welche 1861 zuerst
im Altai stattfand und etwa 30,000 Bauern und Arbeiter befreite,
hat sich dieser Ertrag schon um 300,000 R. vermindert und ist
seither noch mehr zurückgegangen. Wenn somit der gewichtige
Vortheil des Frohndienstes, oder doch der so billigen Arbeitskraft,
den Kronsbergwerken nicht mehr zn Gute kommt, Hesse sich die
Frage aufwerfen, ob es nicht vortheilhafter sein würde dieselben
überhaupt an Pächter zu vergeben? Voraussichtlich würde der Gewinn
dann ein bei Weitem grösserer sein, wie dies die bereits bestehenden
Privatgoldwäschereien beweisen, welche jährKch 500 bis
600 Pud Gold gegen einen von der Regierung festgesetzten Preis
in Barnaul zum Einschmelzen ahliefern. Der Gesammtertrag des
altaischen Bergbausegens, sowol aus den kaiserlichen als privaten
Werken, geht nach St. Petersburg und zwar jährlich in drei Transporten,
die unter den Namen „Goldcaravane“ in der Weise befördert
werden, wie dies Ledebour (p. 391) beschreibt, nur das jetzt
die erste Caravane bis Tjumén mit Dampfer expedirt wird.
Da ein solcher im August zu dem beregten Zwecke in Barnaul
erwartet wurde, so übernahm Herr Funk freundhchst die Expedition
der 13 grossen Kisten mit Sammlungen, deren Verpackung mich
so lange aufgehalten hatte, und wir konnten von dem gastfreien
Barnaul scheiden, für welches wir stets nur angenehme und dankbare
Erinnerungen bewahren werden. Namentlich waren wir Herrn
von Eichwald aufrichtig verpflichtet, der es sich nicht nehmen liess
uns noch mit Dr. med. Hopfenhaus bis auf den Prahm zu begleiten,
welcher uns den Ob thalwärts bringen sollte. Seiner Güte verdankten
wir nicht nur bis nach Salai'r zwei ausgezeichnete Tarantassen
(darunter seine eigene), sondern auch den Rath, die Reise
nicht auf dem directen, ziemHch langweiHgen Wege nach Tomsk,
sondern über jenen Bergflecken zu machen. Und wir durften uns
diesen kleinen Umweg wol gefallen lassen, lernten wir doch eine
der Hebüchsten und fruchtbarsten Strecken des ganzen Altai kennen.
Unsere erste Obfahrt war .eine sehr kurze und dauerte kaum 3
Stunden. Schon gegen 10 Uhr erreichten wir das grosse Kirchdorf
*) Als Vergleich wie gering diese anscheinend so hohe Summe dennoch ist,
mag erwähnt sein, dass Californien in 22 Jahren (1848—72) 900 Mill Dollar Gold
producirte; im Jahre 1853 allein 65 Millionen!