Waldburg-Zeil beträgt sie 650 Meter, wir waren also seit Semipa-
lätinsk (230 Meter) 420 M. gestiegen. Die Höhe der 2. Station
hinter Semipalätinsk, Arkalyk ist 290 M. zwischen der 2. nnd 3.
390 M., sinkt bis zur dritten (Aschtschi-Kul) auf 320, steigt zur
4. (Dschas-tasch) auf 400, auf der 5. (Kysil-mul) auf 440, und 'der
6. (Arcat) auf 520. Hinter Sergiopol ergiebt sich eine Höhe von
620 M., die zwischen der ersten und zweiten Station bis 710 M.
steigt, also hier die Wasserscheide zwischen Balehasch und Ala-
Kul (den dem Ajagus östlich Von Sergiopol zuströmenden linken
Nebenflüsse Ai und einem südlich fliessenden) bildet, um beim
Piket Karakol (4. Station) bis zur Niederung des Ala-Kul auf 320 M.
zu sinken. Die ganze Strecke von Semipalätinsk an beträgt 223
Werst (fast 32 deutsche Meilen) und hat 10 Stationshäuser oder
sogenannte Pikets aufzuweisen.
Es war ein herrlicher Morgen und die Luft so klar, dass wir
fern im Osten in duftigem Blau angehaucht eine niedrige Gebirgskette
erblicken konnten: die Kuppen des Tarbagatai-Gebirges! wir
sahen unser nächstes Ziel also bereits vor uns.
Bei der einsamen Station fanden sich Haus- und Feldsperlinge
als alte Heimathsgenossen und in der Steppe begann sich das Vogelleben
mehr zu entfalten als bisher. Neben Thurm-, Röthel- und
Rothfussfalken, zeigten sich zuweilen träge Bussarde (vsol Buteo
desertorum), Steppenweihen (Circus macrourus) schwebten umher
und einmal strich ein schöner Falk (wol Falco sacer) vorüber.
Graue Steinschmätzer (Saxicola oenanthe) machten sich duckend
und wippend überall auf den mit Gestein bedeckten Hügelkuppen
der Steppe bemerklich, während im Spiräendickicht Blaukehlchen
(Cyanecula suesiea) ihr Wesen trieben. Der muntere Schlag der
Wachtel, den wir schon an den Arcatbergen täglich gehört hatten,
liess sich allenthalben vernehmen, ebenso der erste Kuckucksruf und
in den Lüften zeigten sich die ersten Rauchschwalben (Hirundo
rustica),*) alles Frühlingsboten, deren Erscheinen das Herz mit
Freuden erfüllte. Ganz besonders trug aber das fröhliche Getriebe
der Lerchenarten dazu bei, die Stimmung zu erhöhen. Neben
unserer Feldlerche (Alauda arvensis), die lustig in den Lüften
*) Pallas (Reise II. 1 p. 13), der eine merkwürdige Beobachtung über diese
Schwalbe mittheilt, beobachtete sie bei Gurieff bereits am 27. März; bei nns
erscheint sie erst Mitte April; in Turkestan gar erst Anfang Mai.
schmetterte, bemerkte man die kurzzehige Lerche (Alauda pispo-
letta), und . die weisskehlige Ohrenlerche (Otocoris albigula). Aber
ganz besonders machte sich die Mohrenlerche (Alauda tatanca) bemerkbar,
die jetzt die Stelle der weissflügeligen einzunehmen schien.
Sie war unbestritten die häufigste Art und zeigte sich dabei so
zahm, dass sie oftmals auf wenige Schritt die Wagen vorbeifahren
liess. Ihr einfarbiges sammtschwarzes Kleid, der fahlgelbe Schnabel
und die stattliche Grösse, welche die unserer Feldlerche ansehnlich
übertrifft, machen M zu einer ebenso auffallenden als interessanten
Erscheinung. Und mit dieser stimmt ihr ganzes Wesen überein.
Sie liebt es auf den Steinen am Wege oder auf Stauden zu sitzen,
wobei sie die Flügel nachlässig hängen lässt, den Schwanz erhoben
träot, und singt hier, oder auch mässig in die Höhe steigend, ihr
melodisches Lied. Im Fluge erscheint sie noch auffallender als im
Sitzen, denn hierin weicht sie von allen mir bekannten Lerchen ab.
Mit den Flügelspitzen klatschend zusammenschlagend oder unruhig
und gleichsam fuchtelnd hin- und herschwebend ist ihr Flug am
meisten dem der Fledermaus zu vergleichen. Die traulichen Vögel
hatten jetzt eifrig mit dem Nistgeschäft zu thun, denn schon m
den Arcatbergen erhielt ich ein Dunenjunges. — Auch sonst war
es nicht öde auf der Steppe. Wir passirten zahlreiche Rmderheer-
den hie und da Kameele und begegneten Karawanen, zwei- und
vierräderigen mit je einem Pferde bespannten Karren, die Waaren
von Taschkend bis Semipalätinsk führten, also schon einen weiten
Weg zurückgelegt hatten, denn die Entfernung zwischen beiden
Handelsplätzen beträgt 1771 Werst (253 deutsche Meilen). Gegen
9 Uhr erblickten wir den stattlichen grünen Kirchthurm von
Sergiopol und auf einem Hügel den bekannten Reiter; der im
Carrière in die Stadt sprengte. Dies widersprach der bisherigen
Erfahrung insofern als der bewusste Reiter sonst gewöhnlich den
Führer in die Station abgegeben hatte und verwunderte uns einiger-
massen. Aber Oberstlieutenant Friederichs, wie unser neuer Beschützer
hiess, hatte sich nicht begnügt uns nur mit einem Kosaken
das Geleit geben zu . lassen, sondern zu unserer grossten Ueber-
raschung fanden wir vor dem Städtchen 8 Kosaken in voller
Paradeuniform, mit Trompeter und Fähnlein aufgestellt, die bei
unserer Ankunft salutirten und dann im Galopp uns das Ehrengeleit
bis zum Quartier gaben. Hier empfing uns Oberstlieutenant
Friederichs, Chef des Kreises Sergiopol (Lepsa), ein liebenswürdiger,