Anfänglich bis zur Einmündung des Tscharysch westlich fliessend
wendet er sich von hier bis Barnaul gegen Nord, dann gegen W.N.W.,
bis zum Dorfe Kruticha, und von dort sogar, bis zur Mündung des
Flusses Tom, nach N.O. Im Tobolshischen Gouvernement strömt
er wieder nach W.N.W., von der Irtischmündung gegen N.W., und
nimmt allmählich eine nördliche Richtung, bis zur Mündung des
Flusses Polui, von wo er sich gegen Osten wendet und sich darauf
in mehrere Arme theilend in den Meerbusen ergiesst. Als äussersten
Ausflusspunkt des Ob wird gewöhnlich das Cap Che (He) auf der
gleichnamigen Insel betrachtet, welche nöbst mehreren1 anderen und
Sandbänken, das Mündungsgebiet unsicher macht. Die beiden Hauptarme
des Ob, unterhalb Samarowa, den rechten oder Hauptstrom
(ost. Wulass, sam. Arka-Ja-u) und linken oder kleinen Ob (ost.
Ai-ass, sam. Njuge-Ja-u) haben wir bereits kennen gelernt. Ebenso
den bedeutendsten Nebenfluss, den Irtisch, der mit Ausnahme des
Tom, für sich weit ansehnlichere Zuflüsse (Om, Tara, Isehim, Tobol)
aufzuweisen hat, als die übrigen des Ob sind, und die ich übergehen
kann. Es ist daher falsch, wenn Albin Kohn (Sibirien p. 161)
schreibt, dass der Ob „allein 16 Nebenflüsse von der Bedeutung des
Irtisch und Tom aufnimmt,“ denn selbst der bedeutendste, der Ket,
ist viel kleiner als der Tobol oder Ischim.
Der Ob mit seinen Zuflüssen bildet ein grossartiges Wassersystem,
welches für den Verkehr um so wichtiger wird, weil eine
grössere Zahl der letzteren, wenigstens für bestimmte Zeiten des
Jahres schiffbar sind. Es hat sich daher eine beträchtliche Flussschifffahrt
entwickelt, die freilich erst mit Einführung der Dampfer
von Bedeutung wurde. Denn im Uebrigen liegt der Schiffsbau wie
die Hanthierung des Schiffereigewerbes bis jetzt noch sehr im Argen,
wie wir aus der Beschreibung der verschiedenen gebräuchlichen
Flussfahrzeuge (Barka, Barsche, Lotka) gesehen haben. Aber auch
in dieser Hinsicht beginnt es sich zu regen und bald dürfte die
Zeit kommen, wo brauchbare am Ob gebaute Segelfahrzeuge den
Handelsverkehr vermitteln helfen werden.
Ueber die Bedeutung und den Verkehr auf dem Ob*) habe
ich mich schon in einer besonderen Abhandlung ausgelassen, halte
es aber für nicht überflüssig hier nochmals auf die hervorragende
Wichtigkeit dieses Gebietes hinzuweisen.
*) „Schiffahrt und Verkehr des Obgebiets“ in: Deutsche Geographische Blätter
Jahrg. I. p. 166—182.
Nach Latkins Angaben würde das Obgebiet einen Flächeninhalt
von 85,000 Quadratmeilen umfassen. Dr. Petermann’s planimetrische
Berechnungen weisen für das Ob-Jenissei-Gebietfl welches in einer
sehr übersichtlichen Karte (Jahrg. 1875, Taf. 24 der Geographischen
Mittheilungen) dargestellt ist, 103,050 deutsche Quadratmeilen nach,
wogegen Gesammt-Europa, mit Ausschluss von Russland, nur 81,623
deutsche Quadratmeilen enthält. Es ist gleichgültig, welcher von
den drei Riesenströmen Sibiriens, die sich in das Eismeer ergiessen,
Ob, Jenissei oder Lena, das Prädicat „der grösste“ verdient, jedenfalls
kann es aber keinem Zweifel unterliegen, dass der Ob der
wichtigste ist und bleiben wird, und zwar aus sehr erklärlichen
Gründen. Europa zunächst liegend reicht sein ausgedehntes Wassersystem
westlich und östlich in die reichen Bergwerksdistricte des
Ural und Altai, südlich bis in die heerdenbelebte Steppe, wie es
überhaupt den fruchtbarsten, angebäutesten und am meisten bevölkerten
Th eil Sibiriens umfasst. Während im Gebiet der Lena
nur Jakutzk (mit etwa 5000 Einwohnern), in dem des Jenissei
Irkutsk mit etwa 30,000, Krasnojarsk mit etwa 12,000 und Jenis-
se'isk mit etwa 7000 (nach Wiggins 11,000) in Betracht kommen,
hat das des Ob eine bedeutende Anzahl wichtiger Städte und Plätze
aufzuweisen und was sehr wesentlich in’s Gewicht fällt, ein bei
weitem stärker producirendes und absatzfähiges Hinterland.
Am Ob selbst und seinen Nebenflüssen sind zu nennen: Tjumen
(etwa 15—18000 Einwohner) an der Tura, das zwar kleine aber
durch seine grossartige Messe berühmte Irbit (am Nisa, einem Nebenflüsse
der Tura), Tobolsk (etwa 18,000 Einw.) Gouvernementsstadt
am Tobol, das mit Irkutsk rivalisirende, vielleicht bedeutendere
Tomsk (etwa 30,000 Einw.), Gouvernementsstadt am Tom, Omsk
(über 30,000 Einw.) die Hauptstadt Westsibiriens, am Ömflusse,
Barnaul (etwa 12^-13,000 Einw.), die Hauptstadt des Altai, Ischim
(etwa 5000 Einw.),. ein grösser Jahrmarktsplatz am Flusse gleichen
Namens, Semipalätinsk (über- 8000 Einw.) am Irtisch, Petropawlowsk
(etwa 4—5000 Einw.) am Tobol und Akmolinsk (Gouvernementstadt) am
Ischim. Ferner kommen neben Jekaterinenburg, der bedeutendsten Uralstadt
mit 30,000 Einw., die nur 306 W. von Tjumen entfernt liegt, noch
die betriebsamen Bergstädtchen und Flecken des Altai in Betracht.
Von versprechender Wichtigkeit würde die Schiffbarkeit des mächtigen
Irtisch über den Saissansee hinaus werden und seit der Einverleibungo
Turkestans steht dem Obgebiet auch ein bemerkenswerther Theil
F in s c h , Reise. I. qq