Sie wanderten ohne Bedenken in den Kochtopf, erwiesen sich aber
minder gut und ausgiebig als Gänse, denn die Brust lieferte kaum
ein paar Loth Fleisch und nur die Schenkel lohnten die Mühe des
Abklaubens. Die alten Schwäne hatten sich bei dieser Gelegenheit,
wie stets leider schleunigst geflüchtet und sehr zu ihrem Heile, denn
wahrscheinlich hätten wir sie nicht so rücksichtsvoll behandelt als
s. Z. Hofmann (p. 25), der ein Schwanenpaar, Junge führend, antraf,
welches sich nur auf wenige Schritte von letzteren entfernte.
Da es für Haiwai von hier aus am nächsten nach dem Tschum-
platze seines Herrn, Sergotscha, war, so entliess ich den braven
Burschen, dessen Name ich nach Schrenk’s Vocabular mit „Götterhund,“
aber vermuthlich falsch übersetze, wenn auch jedenfalls
etwas götterhaftes (Hai oder Haj, sam. Gott) dabei ist. Auch Haiwai,
stets unverdrossen, willig und dienstbereit, dabei, wie Johan der
muntere Seifensieder, nie verstimmt, hatte alle Ursache mit dem
„Chosain“ zufrieden zu sein und ruderte fröhlich seiner Heimath zu.
Zugleich überbrachte er für Hat’s Wittwe, den Hat bis zu diesem
Tage zukommenden Lohn. Ob die 25 R., eine für hiesige Verhältnisse
recht anständige Summe, dazu beigetragen haben werden,
die arme Frau in Etwas zu trösten? Vielleicht! vielleicht auch nicht!
denn wer vermöchte dies zu beurtheilen? Jedenfalls wissen sich diese
Naturkinder besser in das Unvermeidliche zu fügen als manche
civilisirtere Völker. Als ich mich z. B. nach dem voraussichtlichen
Schicksal der Wittwe von der Sehtschutschja erkundigte, hiess es
allgemein: „das wäre sehr einfach! sie würde zum Jahrmarkt nach
Obdorsk gehen und sich dort einen anderen Mann suchen.“ Und
hoffentlich wird ein solcher, der noch juDgen, ganz stattlich aussehenden
Frau geworden sein.
Dass Haiwai übrigens über die empfangenen Gelder mit seinem
Zeichen quittirte und den Betrag für Frau Hat sorgfältig extra einschnürte,
war bei der Gewissenhaftigkeit dieser Leute selbstverständlich.
So musste ich ihm auch, sowie Sanda für den der Wittwe
gegebenen Antheil, versprechen dem Sassjedatjelj in Obdorsk darüber
zu berichten und bei diesem Protocoll aufnehmen zu lassen.
Durch eine Art See, der mittelst einer schmalen canalartigen
Wasserstrasse den oberen rechten Mündungsarm der Sehtschutschja
mit dem kleinen Ob verbindet, gelangten wir in der Frühe des
15. August in letzteren und erreichten diesmal zuerst den Fischerplatz
Haljatur,*) an welchem es jetzt viel weniger reinlich aussah.
In Folge der ergiebigen Fischerei hatten sich die Abfälle sehr gehäuft
und machten sich, besonders für die Geruchsnerven recht
empfindlich bemerkbar; es ist daher nicht immer angenehm in unmittelbarer
Nähe solcher Plätze speisen zu müssen. Der alte Kosak
freute sich übrigens sehr uns wiederzusehen und schenkte uns zum
Willkommen gleich einen prächtigen Moxun. Auch an den übrigen
Fischerplätzen wurden wir mit gewohnter Freundlichkeit aufgenommen
und erhielten mancherlei wichtige und interessante Mittheilungen
über Land und Leute. So namentlich von Pawle Nicolajewitsch
Roslakoff in Chalispagor, Constantin Nikitin Popoff in Wulpasl und
vor Allem dem verständigen Starschina Jörka Mamrün (oder Mam-
rük) in Jotlöch, einem Ostiaken aus fürstlichem Geblüte und Nachkommen
jenes Mamrük Obdorski, der vom Czaar Boris Feödorowitsch
1601 als erster Fürst der Ostiaken eingesetzt wurde. Wir erreichten
den aus etlichen Tschums und russischen Fischerhütten bestehenden
Platz, der in einer Bucht der flachen Insel Bjestschim-janni liegt,
in der Frühe des 18. August und mussten wegen heftigen Gegenwindes
bis zum anderen Tage liegen bleiben. Der alte Michael,
welcher den Starschina kannte, hatte denselben zu einem Besuche
in unserer Lotka veranlasst und so erschien er denn. Zu meiner
grossen Verwunderung brachte er sogar seine Frau Uening, eine
hübsche Dunkelblondine, von fast europäischen Gesichtszügen, und
seine beiden kleinen Söhne Kolin und Ogom mit. Alle waren im
besten Staate von Renfellen, der, wenn auch nicht in zierlichen
Formen, so doch ganz hübsch kleidet. Frau Mamrun sah in ihrem
weissen, mit braun gemusterten Kanten besetzten Pelze, dem Kragen
von Eisfuchs und einem bunten Kopftuche ganz niedlich aus und
wusste sich ganz gut zu benehmen. Sie kamen übrigens nicht mit
leeren Händen, sondern Jedes hatte für den „Chosain“ ein Geschenk
bereit. Mamrun gab mir ein Messer für Männer, seine Frau ein
solches, wie es die Weiber führen, beide mit von ihm selbst gefertigten,
zierlich eingelegten Heften, der 7jährige Kolin einen
grösseren, der 5jährige Ogom einen ganz kleinen Kinderbogen. Ich
*) Die Stationen, die wir auf der Rückreise berührten, waren folgende:
1. Haljatur; 2. Pratótschka; 3. Chalispagor; 4. Wulpasl (jetzt sehr ver-
grösserter Fischereiplatz); 5. Jotlóch (Jochot), russ.-ost. Fischerplatz auf der Insel
Bjestschimjäni ; 6. Wespdgl (Wespogl, Wespógol), vis-à-vis Kniäski-Jurty, auf derselben
Insel; 7. Obdorsk.