die ich durch einige kleine Geschenke nicht nur erfreute, sondern
bis zu Thränen rührte. Wenigstens fing die eine, eine junge Frau,
mit einem arg von Mücken zerstochenen Säuglinge, plötzlich an zu
weinen, ohne dass unseres Ermessens irgend ein Grund vorlag, als
der plötzlicher Gefühlswallung. Vielleicht hatte der ?u Ehren des
Heiligen vertilgte Schnaps auch das Seine gethan, denn als die
wackeren Kinder uns nach einem anderen Tschum das Geleite gaben,
bemerkten wir erst ihre bedenklichen Schwankungen.
In ornithologischer Beziehung war Kuschowat (c. 65° n. Br.)
durch das Vorkommen des Feldsperlings von Interesse; Haussper-
ling*) und Rauchschwalbe fehlten. Den Spatz hatten wir in
Bereosoff zuletzt gesehen, die Schwalbe in der letzten Station, wie
immer zutraulich, in denTsehums der Eingebornen brütend getroffen;
ihre Abwesenheit in den grossen Holzhäusern war daher auffallend.
Die übrigen Erscheinungen in der Vogelwelt blieben dieselben als
bisher: Nebelkrähen, seltener Elstern, Bergfinken, Leinfinken (Frin-
gilla linaria), Zwergammer, Rohrammer, Wachholderdrosselu, Laubvögel
(Phyllopneuste trochilus, borealis und tristis), Wiesenschmätzer,
Möven (Larus ridibundus und minutus), Seeschwalben (Sterna hirundo)
und unzählige Enten, unter letzteren zuerst Trauerenten. Sonst
herrschte vollständige Grabesstille auf der breiten, mächtigen Wasserfläche,
denn nur einmal passirten wir eins jener unförmlichen Fahrzeuge,
Barka genannt, wie ich sie später zu beschreiben habe. Die
Darstellung einer solchen auf dem beigegebenen Bilde (27) zeichnete ich
in Obdorsk, das Landschaftliche bei Langiorskaja (Eichhorndorf, vom
ostiak. Langi = Eichhorn) auf der Rückreise. In Folge des sehr
gefallenen Wasserstandes war um jene Zeit ein beträchtlich breiter
Strand trocken gelegt. Der Wald besteht hier meist aus Birken mit
Lärchen, gemischt, während sonst meist Nadelhölzer vorherrschen.
Doch ist im Uebrigen die Landschaft als eine typische des rechten
Ufers am grossen Ob zu bezeichnen, die sich fast unverändert
gleich bleibt.
Wir genossen sie jetzt in vollen Zügen, da unsere Reise längs dem
oft beträchtlich hohen (100 und mehr Fuss), zuweilen fast senkreeht abfallenden
Steilufer hinführte. Es besteht durchgehen ds aus hellgefärbtem
*) Der Hanssperling findet sich in Norwegen nördlich bis Lofoten, aber nicht
mehr in den grossen Städten Tromsö (c. 69Vs°) und weiter nördlich, dagegen
brütet die Hausschwalbe in letzter Stadt regelmässig und wurde wiederholt in
Hammerfest JO . 40) und Vadsö (70. 4) beobachtet.
Mergel, Thon oder Sand, und wurde jetzt vom hochgestauten Flusse
meist bespült und unterwühlt. Wie lose dieser Sand stellenweis
ist, zeigte sich wiederholt. Selbst die unbedeutenden, durch die
Ruder erzeugten Wellen verursachten oft, dass sich Sandmassen loslösten
und prasselnd, gleich einem Wasserfall, in breitem Strahle
herabfielen. Hie und da zeigten sich mächtige schwarze Ablagerungen
als oberste Schicht, die aus torfartigem Moorboden, als Reste
durch Feuer zerstörter und verwester Wälder, zu bestehen schienen.
Nirgends sahen wir aber anstehendes Gestein, wie es Pallas, nach
Sujew („Lagen von schwärzlichem und grauem Schiefer“) irrthümlich
z. B. von Pitlor beschreibt. Dagegen fanden wir öfters am rechten
Ufer grosse und kleine Rollsteine, zuweilen ganze Blöcke, der verschiedenartigsten
Felsarten (Syenit, Hornstein, thoniger Eisenstein etc.).
Sie waren alle mit dem Eise herabgekommen und angespült worden,
zeigten deutlich Spuren des Abschleifens durch Wasser, aber nirgends
i,Gletscherschrammen“,*) wie Herr Poljakoff meint.
Wir hatten schon unterwegs, namentlich in Kischgort (Kasch-
gorskaja) Werkstätten gesehen, welche von dem Fleiss und der
Geschicklichkeit der Ostiaken zeugten, aber noch nirgends in solchem
Umfange als in Parawatzki-Jurty (Parawatzkaja), wol dem grössten
ostiakischen Jurtenplatze auf der ganzen Strecke, wo wir am 12. Juli
(ßt/2 früh) eintrafen. Auf grünem mit reichem Graswuchs bedeckten
Uferhügel liegen 10 bis 12 Hütten, malerisch von prächtigem
Nadelwald umgeben, der hier vorzugsweis aus Nadelholz (Fichten,
Lärchen, Arven) besteht. Die aus dicken Planken z. Th. aus behauenen
Baumstämmen errichteten Hütten, welche übrigens nicht
im Winter bewohnt werden, zeigten sich durchgehends recht sauber
im Innern, und verriethen eine gewisse Wohlhabenheit. Nicht
allein, dass die Diele an den Seiten mit hübschgearbeiteten* Matten
(ostiak.: „Nore“), aus einer Grasart, belegt war, auch der Hausrath
erschien besser und reicher. So sah ich in einer Hütte allein fünf
*) Herr Poljakoff, obwol aus eigener Anschauung nicht mit Gletschern bekannt,
spricht öfters von Producten der letzteren. So bemerkte er auf der flüchtigen
Eeise über den Oral,' zwischen der Grenzsäule und Jekaterinenburg „Spuren
von Gletschergeröll; Blöcke mit Spuren von Eisstrichen und anstehendes Gestein
mit Strichen, die in der Bichtung von NW. nach SO. gehen“, hatte leider aber
nicht Zeit „umständliche Beobachtungen an den Spuren der Eisperiode auf dem
Ural vorzunehmen“, die ohne Zweifel wichtige neue Aufschlüsse jenes geologisch
ziemlich genau bekannten Gebietes gegeben haben würden.