Mittelasiens mit volkreichen Städten wie Taschkend (80,000 Einw.),
Kodschand (20,000 Einw.), Samarkand (20,000 Einw.), Kuldscha
(70,000 Einw.), Wernoje (10,000 Einw.), als consumirendes Hinterland
schon jetzt offen.
Die Dauer der Schiffahrt auf dem Ob, obwol anscheinend etwas
beschränkter als die der Wolga, umfasst im Durchschnitt 150 (nach
Latkin 180) Tage. Der Fluss geht bei ßarnaul in der letzten Hälfte
des April, selten erst in den ersten Tage des Mai, auf, und in der
ersten Hälfte des November, selten erst Ende November oder October
zu. Weiter nördlich finden diese Perioden natürlich später, beziehentlich
früher statt. So geht nach den wenigen vorhandenen
Notizen, der Strom bei Kloster Kondinsky Ende October zu, in der
letzten Woche des Mai auf, bei Bereosofl Ende October zu, Anfang
Juni, bei Obdorsk erst gegen Mitte Juni auf. Dem ersten Hochwasser
folgt, in Folge der Schneeschmelze im Hochgebirge ein zweites,
welches bei Barnaul im Juni, am unteren Ob im Juli einzutreten
pflegt, übrigens sehr wechselt und dadurch den Ertrag der Fischereien
oft sehr beeinträchtigt. So klagten die Fischer 1876 sehr über
das plötzlich noch Mitte August ankommende zweite Hochwasser.
„Ist der Ob ein gefährliches Wasser“? bin ich oftmals gefragt
worden und konnte darauf stets aus voller Ueberzeugung mit „nein!“
antworten. Jedenfalls ist die Schiffbarkeit auf dem Ob nicht gefährlicher
als auf irgend einem Strome, wie wir an den sorglos mit
dem ersten Hochwasser stromabwärts treibenden Barkas gesehen
haben. Da Barnaul nur an 400 Fuss über dem Meere liegt, so ist
die Strömung selbstredend sehr unbedeutend, ausserdem der allenthalben
treffliche Ankergrund ein Vorzug des Ob vor dem Jenissei.
Noch mehr gilt dies hinsichtlich seiner Producte. Während der
Jenissei nur im Kreise Minussinsk reiches Getreideland besitzt, hat
der Ob die reichste Ackerbauzone von ganz Sibirien aufzuweisen,
ausserdem ist er reich an Vieh und an Fischen.
„An Korn verschiedener Arten können 60 Millionen Pud verführt
werden, dessen Preis hier jetzt stellenweis auf 15 Kopeken
*) Sehr wichtige Daten theilt Knorre in Krasnojarsk (Deutsche Geogr. Blätter
II. 1878 p. 125—128) mit, welche die Superiorität des Obgebietes durchaus bestätigen.
Nach einer statistischen Angabe Birschew’s im „Wedmosti“ (1878) besitzt
West-Sibirien auf 2,054,826 QM. (=213,701,904 Dessjatinen) an Kultur- und
Ackerland: 666,915 QW , (=69,465,866 D.), Ost-Sibirien auf: 8,654,939 QW.
(=900,113,656 D,) an Kultur- und Ackerland 1,612,390 QW. ( = 157,890,110 D.).
das Pud, der Weizen auf 30 Kopeken fällt. Ausser Getreide besitzt
Westsibirien Mengen von Salz, mit dem es die nordeuropäischen
Küstenländer versehen könnte. Die Ausfuhr dieser beiden Producte
allein würde hunderten von Schiffen Ladung bieten. Allein es
kommt noch das ausgezeichnete und jetzt meist werthlose Fichten-
und Lärchenbaüholz hinzu, welches einen nicht weniger wichtigen
Handelsartikel Westsibiriens bilden würde. Ferner ist es die bedeutende
Viehzucht, die folgende Producte an das Ausland jährlich
abgeben könnte: an 600,000 Stück rohe Felle, l ‘/2 Millionen Pud
Talg, an 150,000 Pud Butter, 1,200,000 Pud Fleisch, 50,000 Pud
Schafwolle; im Ganzen belaufen sich diese Producte der Viehzucht
auf 5,000,000 Pud. Ausserdem kann Westsibirien folgende Producte
seiner Landesfabriken versenden: Juchten, verarbeitete Häute und
Spiritus, gar nicht zu erwähnen der zahlreichen und kostbaren Pelz-
waaren', Mammuthknochen und Renthierfelle. Der Metallreichthum
des Altai soll hier gar nicht berührt werden, da er schon hinlänglich
bekannt ist.“
Obwol diese Calculation von dem landeseingebornen Latkin herrührt,
so scheint sie niir doch etwas enthusiastisch und sanguinisch
gefärbt. Das „Können“ bezweifle ich allerdings nicht, aber es wird
noch viel Zeit darüber hingehen ehe sich die Verhältnisse dementsprechend
entwickelt haben, denn in Sibirien geht und kann es nun
einmal nicht so schnell gehen als in America. Immerhin sichert
der Ueberfluss an Erzeugnissen des Bodens und der Viehzucht schon
jetzt einen Export, obwol die erste Ladung sibirischen Weizens in
Hamburg, auffallender Oonjuncturen halber, keinen Gewinn brachte,
und z. B. nicht mit californischem concurriren konnte, wie Latkin
zuversichtlich ännahin (Geogr. Blätter III. p. 45). So kostet der
Weizen im Altai 30 bis 40 Kopeken*) das Pud und die südlichen
Gebiete produciren dessen soviel, dass die reichen Bauern in den
Ackerbau-Districten von Omsk, Tomsk und dem Altai zuweilen nicht
wissen, was sie mit den überreichen Ernten anfangen sollen. Neben
Getreide dürften Hanf und Flachs, die beide in Sibirien vorzüglich
gedeihen, Fett, Talg, Haare und Häute zunächst hauptsächlich in
Betracht kommen. Andere Producte werden sich dann von selbst
*) Nach dem Tagehuche einer Generalin (wol Frau v. Poltoratzky) kostet in
Malo Narimsk im Altai Weizenmehl das Pud 20 Kop. und wurde in Kohdo, wohin,
wie wir gesehen haben, von Saissan grosse Transporte abgingen, mit 6—7 R. bezahlt
(v. Lankenau: das heutige Russl. p. 162).