trägt die Strecke Smeinogorsk-Barnaul 289 W. (= ca. 41 d. M.),'
zu deuen wir 25 Stunden Fahrzeit gebraucht hatten, eingerechnet
den Aufenthalt, darunter allein fünfmal Achsenbrüche die über
4 Stunden Zeit kosteten.
Obwol Herr Kreisehef Sawinsky, der, seinen Collegen Herrn
Pantoff ablösend, uns auf der letzten Hälfte des Weges vorausgefahren
war, Vorsorge wegen Unterkunft getroffen hatte, so konnten
wir das uns von einem der ersten Kaufleute gastfreundlich offerirte
Haus doch nicht annehmen. Die prächtig ausgestatteten grossen
Räume waren nämlich zu schön! In der That würden sie ohne
ernstlich nachtheilige Folgen nicht erlaubt haben, diejenigen
dringenden Arbeiten ungenirt vorzunehmen wie sie jetzt die Erhaltung
und Verpackung der Sammlungen erheischten. Es that mir leid
um den zuvorkommenden Gastfreund, dem solches Gebahren ziemlich
verwunderlich und fast beleidigend schien und um Dr. Brehm, der sein
Tagebuch hier wahrscheinlich weit behaglicher hätte schreiben können,
als in den neuen weit bescheideneren Räumen, die, in fünf grossen
Zimmern bestehend, täglich 2 Rubel kosteten.
Wir blieben fast eine volle Woche in Barnaul, die mir mit
Berichten und Correspondenz, namentlich aber mit Umpacken und
Ordnen der Sammlungen in angestrengtester Thätigkeit verging,
während Graf Waldburg leider einige Tage im Bette zubringen
musste und mich ernstlich besorgt machte.
Dr. Brehm war so glücklich sogar etwas von der Umgebung
kennen zu lernen, indem er mit einigen Herren, unter der Führung
des Oberforstmeisters des Altai, eine Jagd auf Doppelschnepfen
mitmächte. Wie ich aus Atkinson (p. 336) ersehe, muss bei Barnaul
die Niederjagd sehr ergiebig sein, denn er und drei Andere schossen
(Anfang Juli) innerhalb 3 ‘/2 Stunde 153 Doppelbecassinen, und das
im Jahre 1848 wo es noch keine Hinterlader 'gab. Durch einen
einheimischen Professionsjäger wurde ich durch ein Exemplar des
weissen Kranichs (Grus leucogeranos) erfreut, der hier nur Irrgast
sein soll, und den wir selbst leider niemals antrafen. Sonst konnte
natürlich von Beobachtungen in der Vogelwelt nicht die Rede sein,
ausser den zufälligen über den schwarzohrigen Milan, der sich sehr
ungenirt auf den Dachfirsten und in den Strassen umhertrieb und
nicht selten in den Hof auf Küchelchen herabstiess. Dabei verfolgten
ihn wie üblich Bachstelzen und zwar unsere gewöhnliche (Motacilla
alba), denn die Maskenbachstelze (M. personata) war schon hinter
Kolywan verschwunden. Wir hatten uns der zuvorkommenden Aufmerksamkeit
und Gastfreundschaft in reichstem Maasse zu erfreuen.
In erster Linie verpflichtete uns der Chef des Altai, Ober-Berghauptmann
General von Eichwald, Excellenz, zu lehhafter Dankbarkeit,
dessen angeborene ungekünstelte Liebenswürdigkeit Jedem unvergesslich
bleiben wird, der das Glück hatte mit ihm bekannt zu
werden. Dr. med. Hopfenhaus, Bergapotheker Moritz Sandzer, Herr
Michael Funk, damals Chef des Telegraphen und Staatsrath v. Gulajeff
bemühten sich ebenfalls uns den Aufenthalt angenehm zu machen.
Leider war Dr. med. Otto von Dumberg, Chef des Medicinalwesens
des Altai, den wir bereits in Petersburg kennen zu lernen die Freude
hatten, noch nicht zurückgekehrt. Graf Waldburg und ich statteten
aber wenigstens seinem Hause einen Besuch ab, um das grossartige
Herbarium*) zu sehen und — einzupacken, da es unmöglich war
dasselbe in so kurzer Zeit nur annähernd durchzumustern.
Barnaul ist die einzige Stadt Westsibiriens, welche ein öffentliches
Museum besitzt. Wir besuchten dasselbe natürlich wiederholt und
trugen hier auf Wunsch des Herrn von Eichwald unsere Namen in
dasselbe Buch ein, in welchem die unserer grossen Landsleute
A. von Humboldt, G. Rose und Ehrenberg (4. August 1829) verzeichnet
standen. Das Museum ist in einem massiven durch seine
Grösse und Baustyl bemerkenswerthen Gebäude untergebracht und
hat seine herrliche Sammlungen wol hauptsächlich dem aufopfernden
und unermüdlichen Eifer Gebler’s zu verdanken. Die namentlich
bezüglich der Käfer classische Inseetensammlung dieses Gelehrten,
fand ich glücklicherweise noch wohlerhalten.
Dies liess sieh leider nicht durchgehends von den übrigen
zoologischen Sammlungen sagen, unter denen namentlich viele Säuge-
thiere und Vögel sich in ziemlich trostlosem Zustande**) befanden
*) Dasselbe wurde von uns in seiner Gesammtheit dem Königl. Herbarium
in Berlin übergeben und damit nur den Intentionen Dr. von Dumbergs gefolgt,
der ein würdiger Nachfolger seines Vorgängers Dr. Gebier, des hochverdienten
Altaierforschers, mit ungeschwächtem Eifer sogleich mit Anlegung eines neuen
Herbariums begonnen hat. Zugleich erhielt das Königl. Herbarium die von Graf
Waldburg zusammengebrachte umfangreiche Pflanzensammlung und die von mir
gesammelten Flechten.
**) Die Schuld an demselben trägt- ohne Zweifel die, namentlich wegen ungeeigneter
Vergiftungsmittel mangelhafte Präparation der betreffenden Stücke, die
.offenbar noch aus einer Zeit herstammen, der viele Exemplare auch in europäischen
Museen längst zum Opfer fielen. Man darf daher der Verwaltung eines Museums,