höflich an der Thür und nöthigte uns in das kleine Zimmer einzutreten,
wo wir einem anderen hohen Beamten, ich glaube seinem
Stellvertreter, dem Chamambal oder einem Generale (Futudun) vorgestellt
wurden. Die sehnlichst erwartete o • Mahlzeit stand hier auch
bereit. Ich -kannte solche bereits aus dem feinsten chinesischen
Restaurant San Francisco’s und meine Erwartungen waren daher
nicht hoch gespannt. Die Tafel stand mit einer Menge kleiner
Schüsselchen bedeckt, die allerlei Früchte u. A. in Scheiben geschnittene
frische Birnen, Zwiebeln in Oel, Radieschen,. Rettige,
candirtes Obst, Zuckerwerk und papierdünne Fleischscheibchen enthielten.
Obristlieutenant Friederichs behauptete, die letzteren seien
nichts Anderes als Hundefleisch und rührte deshalb nichts an. Ich
probirte aber und fand, dass es gekochter Schinken war. Der
Dschansnn entschuldigte sich übrigens mit der Armuth seines Tisches,
da es so weit bis Peking sei, woher er allein feinere Sachen beziehen
könne. Freilich fehlte es an den Delicatessen, wie Haifischflossen,
Hirschsehnen, Tripang,: Schwalbennestern, und wie all die
Herrlichkeiten hiessen, die man uns in San Francisco auftischte,
aber selbst diese können für den Europäer ein ordentliches Beefsteak
nicht ersetzen, und letzteres war leider nicht zu erlangen. Aber
dafür befanden wir uns eben in China und so mussten wir es uns
gefallen lassen, dass nicht einmal Kumyss als Getränk gereicht wurde,
sondern, neben allerdings recht gutem Thee, nur noch ein sehr starker
Reisbranntwein, sogenannter „chinesischer Wein“. Er wurde m
kleinen, sehr zierlichen Schälchen aus Nephrit servirt, abei wir
kamen kaum weiter als über das Nippen hinaus, da der Arak gar
zu viel Fusel enthielt. Nach dem Essen, .für uns eigentlich keins,
liess der Dschansnn Wasserpfeifen bringen, die mit sehr sinnreichen,
glimmenden, bei scharfem Anblasen aber lodernden Papierzündern
in Brand gesetzt wurden. Gegenüber unserm Ungeschick im Gebrauch
dieser Gegenstände war es dem Gouverneur nicht zu verargen, wenn
ein Lächeln über sein sonst so gemessenes Gesicht glitt. Es blieb
übrigens nicht blos bei der Bewirthung, auch Geschenke wurden
angeboten. Sie bestanden in Fächern, kleinen gestickten Beutelchen
ans Seide und anderen niedlichen chinesischen Kleinigkeiten, die, wenn
sie auch nicht werthvoll waren,, immerhin für die Fremdlinge eine
hübsche Erinnerung bilden mussten. Selbstredend gehörte sich ein
Gegengeschenk und darin waren wir wiederum schlecht versehen.
Ich hatte nur zwischen einem Kompass und einem Zehnreichsmark-
Goldstück zu entscheiden und gab auf Rath von Major Tichanoff
den ersteren. Diese Kleinigkeit wurde übrigens anscheinend mit
besonderem Dank entgegen genommen. Aber der brave Chinese
besass eben zu viel Höflichkeit um irgend ein Zeichen der Geringschätzung
merken zu lassen, wenn er vielleicht auch im Innern über
dieses Geschenk von anscheinend so hohen Fremdlingen lächeln
mochte. Denn ähnliche Erzeugnisse europäischer Mechanik waren
ihm keineswegs fremd. So zeigte er uns ein paar schöne englische
Taschenuhren, einen sehr guten Krimstecher rrnd einen ausgezeichneten
Hinterlader amerikanischen Ursprunges.
Die Unterhaltung war übrigens, wie dies nicht gut anders sein
konnte, äusserst langweilig, da alle Fragen und Antworten durch
4 Sprachen: Deutsch, Russisch, Kirghisisch und Chinesisch oder umgekehrt
zu gehen hatten, wobei manches Missverständniss vorgekommen
sein mag. Ausser den üblichen Begrüssungen wurde nur
über ziemlich gleichgültige Dinge verhandelt. Der Chinese, welcher
wahrscheinlich an der Küste genug mit den „blondhaarigen Barbaren“
verkehrt hatte, war dabei minder neugierig als wir und stellte über
Herkunft und Zwecke unserer Reise kaum Fragen.
«Gegenüber dem, mit einigen in unseren Augen miserablen,
bei den Chinesen aber bewunderten Erzeugnissen von Wettmalerei,
verziertem Empfangs- und Esszimmer befand sich ein anderes,
welches vermuthlich als Gerichtslocal diente. Hier stand auf einem
Tische-' sorgfältig von einem Futteral aus gelber Seide bedeckt das
kaiserliche Siegel und hinter diesem Tische waren. Symbole der
kaiserlichen Gewalt, Drachen, gelbe Papierstreifen, wie sie zu Urtheils-
spriichen verwendet werden und Richtschwerte zusammengestellt.
Der Gouverneuer erlaubte sogar uns das Siegel oder vielmehr Petschaft
zu zeigen, welches, ans einem mehr als faustgrossen bearbeiteten
und gravirtem Stück Silber bestehend, sonst nur bei Amtshandlungen
enthüllt werden darf. Aber es bedurfte dazu eines besonderen
Beamten und, wenn ich nicht irre, war dies der Scharfrichter. Nach
Besichtigung dieser immerhin interessanten Einrichtung begaben
wir uns auf den freien Platz vor der Kaserne, wo die Soldaten
aufgestellt waren. Als wir über den Hof schritten hatten wir Gelegenheit
uns besser als beim Eintritt umzusehen. Am auffallendsten
war eine grosse, hölzerne Tafel oder aufgerichtete Planke, mit dem
Bild des heraldisch-chinesischen Tigers nebst Schriftzeichen, welches
wahrscheinlich das Schild der Regierungskanzlei vorstellte. Denn