wegen oder Ost-Finmarken und das dortige Kreditsystem kennen
zu lernen, so würde er seine Landsleute wahrscheinlich milder be-
urtheilen. Was die von ihm angeführten Zahlen anbetrifft so sind
sie vollends geeignet das Urtheil des Laien zu trüben und seine
Landsleute, besonders dem Auslande gegenüber, zu discreditiren.
Wenn er z. B. anführt, dass der Umsatz an Obfischen in Tobolsk
500,000 Pud im Werthe von 1 Million ß. beträgt, wovon den
eigentlichen Besitzern der Fischgründe, den Ostiaken, an Pacht nur
etwa 10,000 ß. zu Gute kommen, so ist diese Berechnung ebenso
unrichtig als wenn er den Profit einzelner Unternehmer, die jährlich
nur 200 ß. an Pacht bezahlen von 10,000 bis zu 35,000 ß. augiebt.
Der Leser kann durch solche Angaben leicht in den Glauben versetzt
werden, als stecke der glückliche Unternehmer einen ßeingewinn
von baar 34,800 ß. in die Tasche, aber in Wahrheit beziehen sich
diese Zahlen ja nur auf die Bruttoeinnahme. Und Herr Poljakofif,
dessen ßeise z. Th. ja durch das Emporium des Obfischhandels,
Tobolsk, unterstützt wurde, theilt nicht mit, welche Summen an
Unkosten von der Gesammtertragssumme abgehen. Wie ich oben,
nur andeutungsweise gezeigt habe, sind aber die Unkosten und das
Capital, welches in diesen Unternehmungen steckt, keineswegs unbedeutend.
Kostet ein Netz doch allein 300 ß. Wenn Herr Polja-
koff das Heil für die Eingebornen darin erblickt, dass ihnen ein
„entsprechender Theil des sich steigernden Gewinnes überlassen
werde,“ so wird seine weitere Schilderung über die Ostiaken zur
Genüge lehren, dass dieser Antheil wol sehr üble Anwendung finden
würde. Und wenn der gewöhnliche russische Arbeiter in Sibirien
im Allgemeinen das was er verdient auch verthut, hauptsächlich in
Schnaps’, und nicht den Erwerbstrieb besitzt, der zur Hebung des
Wohlstandes der Bevölkerung so unbedingt nöthig wäre, wie kann
man solche Eigenschaften von den Eingebornen erwarten und verlangen.
Ist es auch unbestritten sicher, dass ein grösser Theil der
Flussbevölkerung durch Ankunft der fischenden Bussen moralisch
gesunken ist, so steht es andererseits ausser Frage, dass die Eingebornen
durch dieselben gewonnen haben, ganz abgesehen davon,
dass die Bussen vollkommen berechtigt waren ein Gebiet auszunutzen,
welches ohne ihren Unternehmungsgeist noch völlig brach
liegen würde. Wer wie wir die an einsamen Tundraflüssen fischenden
Eingebornen sah, die in Mitten des Fischreichthums das armseligste
und elendeste Leben führen, wird gern bekennen, dass die
am Ob in Gemeinschaft mit ßussen arbeitenden Eingebornen sich
materiell bei Weitem besser stehen. Während früher die Ostiaken
nur ihren Wintervorrath an Fischen erzielten und, wie aus Pallas
erhellt, zuweilen in Hungersnoth geriethen, helfen sie jetzt eine
Hilfsquelle ausbeuten die ihnen ebenfalls zu Gute kommt, z. Th.
freilich in Gestalt von Bedürfnissgegenständen, welche sie früher
nicht kannten, und wobei sie von den herumziehenden Kleinhändlern
oft genug betrogen werden mögen. Bei richtiger Betrachtung der
Verhältnisse finden wir dieselben also genau so wie in anderen
Ländern; wie der Händler im Caplande, in den entlegenen Minen-
und Pelzhandels-Districten u. s. w. sucht auch der russische seinen
Vortheil. Dass die Indolenz der Eingebornen höherer Intelligenz
weichen muss ist eine Thatsache, die sich in allen Ländern und bei
allen Völkern wiederholt!
Das Bild geschäftigen Treibens der Menschen wurde durch
zahlreiche Möven (Larus affinis) erhöht, die laut schreiend über den
Netzen hin und her flatterten und' vor den Augen der Fischer Beute
aus denselben machten, z. Th. aber auch auf abgestorbenen Aesten
hoher Lärchen ausruhten. Nachdem ich Alles genau besichtigt,
wandte ich mich dem nahen Walde zu, der aus schönen, hochstämmigen
Nadelbäumen bestand, um nach dem bolschoi Scheitan
(grossen Götzenbilde) zu suchen. Der Prikastschik, welcher die
Stelle allein unter allen Bussen zu kennen behauptete, sie mir aber,
aus Bücksicht für die Eingebornen, unter keiner Bedingung nur andeuten
mochte, erklärte mein Beginnen von vornherein als aussichtslos
und hatte Beeht. Ich war nach langem Umherstreifen zufrieden
die erste heidnische Grabstätte entdeckt zu haben, musste aber beim
Scizziren derselben der Uebermacht der Mücken weichen, die es vereitelte
den Stift nur eine Viertelstunde zu führen.
War mir der Anblick des grossen Scheitan nicht vergönnt, so
konnte ich mich wenigstens an einem kleinen erlaben, der in einem
Tschum verwahrt wurde. Aber ich musste ihm etwas opfern, und
ich brachte dieses, mein erstes „Götzenopfer“ gern. Der Götze
bestand, wie die Abbildung zeigt, nur aus einem unförmlichen
Bündel,: welches die Gaben an Fuchs- und anderen Fellen enthielt
und an welchem ein Messingblech, roh ein menschliches Gesicht
darstellend als Kopf befestigt war. Auch die brave Hausfrau liess
sich trotz des Gespöttes der Männer, endlich herbei den „Weibergott“
zu zeigen. Er stellte eine nach Art der Ostiakenweiber angezogene
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