entwickeln, wenn auch nicht alle, welche Latkin und Sidoroff (Eier,
Gyps, Alabaster u. s. w.) anführen. Immerhin bleibt genug übrig,
wodurch sich die Ungleichheiten im Import und Export, welche im
geregelten Schiffsverkehr verlangt, einigermassen ausgleichen dürften.
Denn ganz Sibirien (mit einem Umfange von 12,500,000 Qdr.-Kilom.)
zählt jetzt kaum so viel Einwohner als die eine Weltstadt London,
indem es nur ungefähr 3‘/2 Millionen (3,440,362 Goth. Kal.) besitzt,
von denen nach Latkin 27a Millionen auf Westsibirien*) kommen,
während Deutschland (mit etwas über 546,000 Qudr.-Kilom.) allein
41 Millionen Einwohner besitzt. Auch ist bei der im Allgemeinen
stark vorherrschenden Bedürfnisslosigkeit der Absatz ein beschränkter
und wird sich erst nach und nach heben. Jedenfalls ist für Sibirien
die Ausfuhr das wichtigste und nur auf ihr kann allein die Entwickelung
des Seeweges als billigste und wichtigste Handelsstrasse
beruhen. Erweist sich daher der Reichthum Sibiriens als thatsäch-
lich und besitzt das Land wirklich die exportfähigen Hilfsquellen,
so wird sich dieser neue Handelsweg entwickeln und seihst die
Gegenpetitionen sibirischer Kaufleute (wie z. B. in Tomsk) werden
ihn nicht aufzuhalten vermögen. Die Folgen sind freilich unberechenbar
und werden ohne Zweifel den ganzen bisherigen Handel Sibiriens
total umgestalten. Lässt sich dabei auch nicht in Abrede stellen,
dass Viele dabei verlieren, so kann dies nur die Minderzahl treffen,
im Grossen und Ganzen wird der thatsächliche Aufschwung des
Seeweges auch zugleich den des ganzen Landes zur Folge haben,
sowol in materieller als intellectueller Hinsicht. Und dass dieser
Aufschwung zunächst dem Obgebiet zu Gute kommen wird, halte
ich für unbedingt sicher. Ich erinnere mich dabei der Thatsache,
dass vor 4 Jahren eminente deutsche Kaufleute sibirische Handelspläne
überhaupt als aussichtslos belächelten und es ist die grösste
Genugthuung für mich, dass, wie ich höre, jetzt auch das Obgebiet
von denen ernstlich ins Auge gefasst wird, die trotz meiner
*) Nach Birschew besitzt Westsibirien, d h. die Gouvern. Tomsk nnd Tobolsk
787,696 Einw., nach Behm (Goth. Hofkalender 1879) 1,975,640 Einw., ganz Ost-
Sibirien hat dagegen nur 1,383,733 Einw. (Birschew), 1,514,758 Ew. (Behm). In
den Gouvern. Tomsk und Tobolsk kommen 98 resp. 79 Seelen auf den Quadrat-
Kil., im Gouv. Jenisselsk nur 15, Irkutzk 45, Jakutsk 6. — Dem verstorbenen Dr.
Petermann gebührt übrigens das Verdienst schon vor 20 Jahren auf die Wichtigkeit
Westsibiriens in seinem z. Th. noch heut werthvollem Aufsatze: „West-
Sibirien, seine Natnr, Beschaffenheit, Industrie und geogr. polit. Bedeutung“
(Geogr. Mitth. 1856, p. 201—222, mit Karte).
eingehenden und wie ich glaubte überzeugenden Darstellung der Verhältnisse
desselben, doch sich lieber zuerst nach dem Jenissei
wandten.
Wie mit der neueren Geschichte Sibiriens der hochachtbare
Name seines hervorragenden „Ehrenbürgers“ Alexander Sibiriakoflf
für immer ehrenvoll verbunden bleibt, so auch in Bezug auf den
Seeweg. Er war es, der die Fahrten Wiggin’s und Nordenskjöld’s
in der grossmüthigsten Weise unterstützte, der dieselbe mit Aufwendung
grösser Mittel unermüdlich fortsetzte, und dem der bislang
als unmöglich gehaltene Versuch (1878) gelang eins seiner
Schiffe von Europa in Jakutzk ankommen zu sehen, wie er im
Begriff steht in «diesem Jahre wiederum ein Schiff, unter der bewährten
Leitung meines Freundes Cpt. Sengstake durch die Behringsstrasse
nach der Lena zu entsenden.
Die ostiakischen Niederlassungen, an welchen wir nach und
nach anlegten, erschienen, wie ihre Bewohner, mehr und mehr
russificirt. Tschums aus Birkenrinde waren längst verschwunden
und statt der Winterhäuser in der eigenthümlichen ostiakischen
Bauart trafen wir jetzt Blockhütten, die russischen Bauernhäusern
kaum nachstanden und sogar hier und da Glasfenster hatten.
Dennoch hatten wir das Vergnügen noch eine nationale Belustigung
der Ostiaken kennen zu lernen und zwar den „Bärentanz“ (ostiak.
Oschni-jak oder Longel dal). Derselbe wird bei dem der Erlegung
eines Bären nachfolgenden Feste oder Gelage, — denn ohne Schnaps
geht es dabei selbstredend nicht ab — aüfgeführt, und mag dann
allerdings weit wirkungsvoller sein, als er jetzt war, wo sich nur
ein einziger Tänzer fand. Derselbe, ein alter ergrauter Ostiake,
der einzige unter sieben, welcher überhaupt einen Bären in seinem
Leben gesehen hatte, sah in seiner, sehr eilig aus Birkenrinde gefertigten
Maske (ost. Tondi-Wäsch) allerdings komisch genug aus.
Er bemühte sich, verschiedene Bewegungen und Stellungen des
Bären nachzuahmen, schwenkte sonderbar mit den Armen und
sprang mit der Plumpheit eines Bären umher, alles zum unendlichen
Gaudium der versammelten Eingeborenen, die diesen Darsteller offenbar
als Künstler bewunderten. Einige kleine Geschenke machten
sogar die Mädchen und Frauen dreister und auch sie gaben uns
eine Tanzvorstellung zum Besten. Dieselbe concentrirte sich allerdings
in einigen freiturnerischen Armbewegungen, nnd die eigentlichen
Tanzorgane, die Beine,-spielten eine nur untergeordnete Rolle,