ist, als wie man es sich meist vorstellt. Die Russen haben für diese
Schneelöcher, die Schrecken des Winterreisenden, ein eigenes Wort.
Die oft hügelartigen Schneeberge verdanken Schneewehen ihre Entstehung,
welche sich ganz besonders in der Birkenallee hinter den
Stämmen bilden. Es ist daher allen Ernstes davon die Rede, im
Interesse des Winterweges diese zu entfernen. Das Thauwetter hatte
überdies noch ganz andere Uebelstände mit sich gebracht. Der
Schnee neben der eingleisigen Bahn war so weich geworden, dass
die Pferde fast ganz versanken und Stationen weit nicht im Dreigespann
neben- sondern hintereinander im sogenannten Gänseeinspann
(Gusem) gehen mussten. Gerieht der Schlitten nun etwas aus dem
tief ausgefahrenen Geleise, was jedesmal geschah, wenn auszuweichen
war, so kostete es oft viel Mühe und seihst stundenlange Arbeit ihn
wieder flott zu kriegen. Dabei hatten die armen Pferde natürlich
am meisten auszustehen und wurden oft unbarmherzig behandelt.
Aber man musste sich eben daran gewöhnen den deutschen Thier-
schützler zu unterdrücken, denn „Noth kennt kein Gebot!“ Und
schliesslich waren die Menschen auch nicht zu beneiden; den Kräften
Aller wurde oft Unerhörtes zugemuthet, und eben so sehr als die
Pferde verdienten zuweilen die Jemtschiken wahre Bewunderung.
Es ist eben kein Spass stundenlang seitlich auf dem Schlitten
oder auf ungesatteltem dürren Pferde zu sitzen, unausgesetzt Peitsche
und Lunge in Thätigkeit zu halten, dann wieder im eisigen Schneewasser
umherzubaden um die Haltbarkeit des Weges zu prüfen oder
den Schlitten mit gröbster Kraftanstrengung zu heben und losmachen
zu helfen, wobei die Leute oft so in Schweiss geriethen, dass sie
sich des Pelzes entledigten und ohne Furcht vor Erkältung im Leinwandhemd
arbeiteten. Ging es dann glücklich weiter so begannen
für uns die alten Leiden wieder. Die Bewegungen des Schlittens
sind denen eines Schiffes vergleichbar. Wie dieses plötzlich von
einer Welle so hoch gehoben wird, dass sich der Bug scheinbar
über den Horizont erhebt, um im nächsten Moment tief in ein
Wogenthal hinabzusinken, so ähnlich der Schlitten. Oft steigt er vorn
in die Höhe dass selbst das Krummholz des Mittelpferdes momentan
verdeckt wird, aber sein Hinabgleiten ist kein so sanftes wie beim
Schiffe, sondern meist mit einem Stosse begleitet, der den armen
Reisenden ohne Federkissen das Gehirn zu erschüttern droht. Und
oft folgen 4 bis 5 solcher Hauptstösse unmittelbar aufeinander, die
kleinen Hopser, Schütteier und wie die Erschütterungen alle classificirt
werden können, gar nicht zu gedenken Zuweüen schlingert
der Schlitten und liegt für eine Viertelstunde bald nach rechts,
bald nach links über, was für die Insassen, zumal wenn sie wie wir
damals zu Drei in einem Schlitten reisen auch nicht besonders
angenehm ist. Auch insofern lässt sich der Vergleich mit einem
Schiffe weiter ausführen, als die Bewegung des Schlittens manche
Leute in jenen seekrankheitsähnlichen Zustand versetzt, in welchem,
| wie die Russen sagen, „der Magen im Kopfe, das Gehirn im Unter-
| elbe D a l der Postschlitten selbst ein durch und durch solides und
(massives Bauwerk ist, versteht sich von selbst. Er macht freilich
leben so wenig, wie das gewöhnliche Postfuhrwerk, die Tarantass,
welche ich später zu schildern habe, auf Eleganz noch hübsches
Aussehen Ansprüche, aber er hält aus und das ist die Hauptsache.
Die sehr schmalspurig gestellten Sohlen bestehen aus hohen starken
Bohlen, die sich vorn in der üblichen Weise aufwärts biegen und
: durch solide Querstangen, meist durch Eisen verstärkt, verbunden
sind. Unmittelbar auf diesen Sohlen oder nur wenig über denselben
erhaben ruht der hinten sehr breite, vorn schmale Schlittenkasten,
dessen ausgebauchte und gewölbte Seiten über die Sohlen vorragen
und der für zwei bis drei Menschen liegend Raum gewährt. Er
besteht, über soliden Holz-; oder Eisenrippen, aus Bastgeflecht, dünnen
Brettern oder Blech und ist innen meist mit Filz ausgeschlagen.
An der Hinterseite des Schlittenkastens sind zuweilen rückwärts gebogene
durch Querstücke und Eisen verbundene Arme angebracht,
welche dem Ganzen grössere Festigkeit verleihen und das Ineinanderfahren
verhüten. Eine ganz besondere und äusserst practische Vorrichtung
besitzen die russischen Schütten in den seitlichen Auslegern,
welche ein Umwerfen fast unmöglich machen. Vom vorderen oberen
Rande des Schlittenkastens und mit diesem durch Stricke verbunden,
läuft nämlich jederseits bis zum unteren hinteren Sohlenrande seitlich
von diesem abstehend ein starker Baum, der durch zwei eiserne
Stäbe mit dem Schlittenkasten verbunden ist. Beide Ausleger überragen
die Schlittensohlen meist und sind dann durch ein starkes sanft
gebogenes Querholz verbunden. Die meisten Reiseschlitten sind mit
Lindenbastmatten halbgedeckt und haben eine dergleichen Matte als
Spritzleder, um die vordere Oeffnung bei Schneewehen oder in der
Nacht zu schliessen. Selbstverständlich giebt es unter den Postschlitten
(ich spreche nur von solchen) sehr verschieden eingerichtete,