Ostiak in Malo-Atlim, durch eine Erscheinung der Muttergottes
veranlasst, in seiner Einfalt in der Kirche ein Lamm opferte.
Conservativ wie die Eingebornen sind, haben sich auch die alten
Opferplätze erhalten und so sehen wir am Götzencap auf Waigatsch,
dem Sitze des früher hochverehrten Ja-jieru-Hahe (d. h. des Landes
Herrn Hahe), trotzdem hier alle Götzen verbrannt und an ihrer
Stelle ein Kreuz errichtet wurde, neben letzterem wieder zahlreiche
Opfergaben niedergelegt. (Vergl. Globus 1877 p. 119 mit einer
angeblich von der Expedition Nordenskjölds herrührenden Abbildung),
— Uebrigens findet sich bei den Syrjänen eine ähnliche Sitte und
Schrenk erwähnt (p. 221) eines Kreuzes, an dessen Fusse „religiöser
Aberglauben einen ansehnlichen Haufen Steine, von denen jeder
einzelne eine Opfergabe bezeichnete, zusammengetragen hatte.“
Da es nicht Jedem vergönnt ist die Hauptgötterbilder selbst zu
sehen oder öfter zu besuchen, so entstanden folgerecht Nachbildungen,
die als Familien- oder Privatgötter im Tschum Aufnahme fanden
und zugleich als Schutzgötter des letzteren betrachtet werden können.
Solchen Bildern ost. Long oder Lonch, wie das in Kiochat (p. 402)
beobachtete, mögen die grossen, im Walde versteckten als Modell
gedient haben, was aus der Beschreibung der letzteren von Sobrin
ziemlich zweifellos erscheint. Sie werden desshalb besonders verehrt
und sind unverkäufliche. Ganz ähnlich mag es sich mit den von
den Weibern verehrten Nachbildungen, z. B. der p. 402 erwähnten
Göttin Songet, verhalten, und ich möchte aus dem Vorhandensein
solcher schliessen, dass diejenigen recht haben, welche behaupten,
auch die Weiber besässen eigene Hauptgötterbilder im Walde versteckt.
Dies scheint mir umso wahrscheinlicher als Sobrin und
Castren ja ausdrücklich Göttinnen anführen.
Da die Samojeden keine künstlichen Götterbilder zu besitzen
scheinen, sondern mehr auffallend geformte Steine und dergl. als
solche betrachten, so erklärt sich hieraus der Gebrauch von letzteren
in kleinem Maassstabe, wie z. B. der p. 454 beschriebene Sisawei-
pai an Stelle des ostiakisehen Lonch. Solche Lonch sind übrigens
auch noch bei den christlichen Ostiaken am mittleren Ob in vollem
Schwünge, haben aber hier schon eine christliche Beigabe erhalten:
sie müssen nämlich von einer unbefleckten Jungfrau verfertigt sein!
(Castren II. p. 170.) Wie die Hauptgötter, so finden auch die
Hauptopferplätze Nachbildungen in kleinerem Maassstabe. Als solche
betrachte ich wenigstens die hie und da bei den Tschumplätzen im
Busch versteckten Opferplätze, wie ich dieselben schon beschrieb.
Vielleicht sind sie auch als Opferplätze für die Hausgötter zu betrachten.
Die dabei aufgestellten roh mit einem menschlichen Gesicht
verzierten Stäbe, sam. Sjadaei (von Sja — Menschenantlitz),
stellen daher keine eigentlichen Götter vor, sondern verhalten sich
zu den kleinen Opferplätzen, wie die Jiljan zu den grossen (z. B. in
Wespugl). Dies geht schon daraus hervor, dass die Eingebornen
keinen grossen Werth auf sie legen, indem sie dieselben unter Umständen
abstehen, und aus der geringen Mühe und Sorgfalt, welche
an die Herstellung solcher Bilder verwandt wird, da doch die Eingebomen
geschickt genug sind, um weit kunstvollere herzustellen.
Hofmann (p. 29) spricht sich ähnlich aus und meine Ansicht wird
überdies durch die ähnlich lautende eines Angestellten der Obdorsker
Kirche bestärkt, welcher seit Jahren auf das Innigste mit den Eingebornen
verkehrte. Trotzdem er sie also sehr gut kannte, hatte
er niemals eins der berühmten Götzenbilder zu sehen bekommen und
meinte solche würden in den Augen der Eingebornen so heilig betrachtet
„als wunderthätige Bilder bei uns!“ Alles in Allem genommen
scheinen die Eingebornen einem Naturcultus mit heiligen
Hainen, Opferplätzen u. s. w. zu huldigen, der in mancher Hinsicht
an den unserer Vorfahren erinnert. Da dieser Cultus keine Unmoralität
lehrt und vorwiegend gute menschliche Eigenschaften
Jahrhunderte lang bewahrte, so verdient er, trotz alles Belächelns
und Bemitleidens, doch die Achtung jedes wahrhaft Gebildeten,
jene Achtung die schon der Mensch seinem Mitmenschen unbedingt
schuldig ist.
F |n s c h , Reise. I. 36