sie, wie im Frühling ,*) der erste Sonnenstrahl wieder zu neuer
Thätigkeit erweckt.
Eine höchst unangenehme Beigabe der Camari ist der fatale
Geruch, welchen sie heim Zerdrücken hinterlassen und der geradezu
eckelerregend wirken kann. Es handelt sich hierbei freilich nicht
um zehn oder zwanzig, sondern um Hunderte und Aberhunderte,
die theils mit brennenden Fidibussen von der Kajütsdecke gesengt,
theils mit den Fingern zerquetscht wurden und wenn man dann
ganze Häuflein todter Mücken**) zusammenzukehren hat, kommt
man zur üeberzeugung, dass „Mückenfett“ keine Chimäre ist. Die
Wirkung des Stiches ist nicht allein individuell, sondern überhaupt
sehr verschieden. Bald verschwindet die Geschwulst früher, bald
geht sie in Eiterung über, zuweilen ist die Entzündung so arg, dass
der Arm bis zum Ellbogen anschwillt. Mit einem Wort die Camari,
identisch mit unserer Culex pipiens,***) sind die grösste und nichtswürdigste
Plage der arctischen Regionen, schon desshalb weil sie
ununterbrochen Tag und Nacht quälen und, wie alle Beobachter ■(■)
übereinstimmen, bei Weitem schrecklicher als ihre so sehr berüchtigten
Schwestern der Tropen, die Mosquitos!
Da die Expedition keine deutsche Flagge mit erhalten, ich die
Anschaffung einer solchen aber bisher verabsäumt hatte, so freute
ich mich nicht wenig als es mir und Iwan dennoch gelang in unserer
Wäsche entsprechend gefärbte Stoffe zu finden um eine kleine Flagge
zurecht nähen zu können. Das Befestigen derselben an der Mast*)
v. Hofmann beobachtete sie im westlichen Ural zuerst am 14 und 22. Juni,
als der Erdboden noch nicht ordentlich aufgethaut war. Die ersten Mücken wurden
als Frühlingsboten freudig begrüsst, hatten aber schon nach ein paar Tagen alle
Sympathie verloren (Reise p. 183), —
**) „Massen wurden durch untergehaltene brennende Fidibusse verbrannt. Mit
einem Zuge war ein Bierglas halb angefüllt mit Mücken, aber es war keine Abnahme
zu bemerken, in wenigen Minuten war wieder Alles angefüllt“ (v. Hof-
mann p. 127).
***) Nach den Bestimmungen des Herrn v. Röder in Hoym, der meine Diptern
bearbeitete. Ich brachte Mücken von verschiedenen Localitäten am Ob und der
Tundra heim und sie alle gehörten dieser Art an.
f) „Vor dem blutgierigsten Thiere des Nordens, der Mücke, hat man auch
oben auf den Felsen (des Ural) keine Ruhe. In grösseren Schwärmen habe ich
sie weder in den Schilfen des caspischen Meeres und in den morastigen Urwäldern
am Jenissei, noch — in den Tropen gefunden“ (v. Hofmann p. 196). Sehr merkwürdig
ist der gänzliche Mangel von Mücken auf der Insel Waigatsch (Hofmann
p. 152), ebenso fehlen sie auf Spitzbergen (Graf Waldburg).
spitze gab Gelegenheit zu einer bescheidenen Feier, indem ich den
Leuten in schöner Rede auseinandersetzte, dass diese Farben die
sichtbaren Zeichen einer mit ihrem obersten Gospodin (Herrn) innig
befreundeten Macht seien und sie zu einem Hoch auf Ihre Majestäten
den Kaiser Alexander und Kaiser Wilhelm aufforderte, in welches
Alle entblössten Hauptes begeistert einstimmten. Dass ich zur Feier
des Tages „mir was merken liess,“ wie man in Bremen sagt, d. h.
eine Flasche ausgab und Extrarationen Tabak vertheilte, verstand
sich von selbst. War die Flagge schon als weithin erkennbares
Zeichen von practischem Werth, so hatte sie auch andererseits ihre
Berechtigung. Unter ihr legten wir im kleinen Ruderboot fast
400 deutsche Meilen zurück und befuhren Gewässer, die vorher von
keinen Deutschen besucht worden waren.
Und wo immer der deutsche Forschergeist sich hinwendet, seine
eigene Kraft und Gesundheit einsetzend, von keinem anderen Streben
beseelt als ein Sternchen aufbauen zu helfen an dem grossen cosmo-
politischen Tempel, Wissenschaft genannt, stets wird ihm die
deutsche Tricolore ein Panier sein und ihn daran mahnen, wie
viele Landsleute unter demselben zu gleichem Streben auszogen und
noch ausziehen.
Selbst auf diesem abgelegenen Flusse, abgeschieden von allen
Menschen, sollten wir Grüsse aus der Heimath empfangen! In der
Frühe des 22. Juli kamen in einem kleinen Kahne 2 Ostiaken an,
welche zu unserer Ueberraschung ein Packet mit Zeitungen (St.
Petersburger, Deutsche und Kölnische) überbrachten, das uns der
freundliche Sassedatjelj in Obdorsk durch diese Expressboten nachgesandt
hatte. Wie ausgezeichnet die Briefbeförderung im Allgemeinen
in Russland ist, war mir schon in Petersburg klar geworden.
Ich erhielt hier einen Brief mit meinem Namen, ohne nähere Adresse,
der auf der Rückseite die polizeiliche Bemerkung trug: „man hat
herausgefunden, dass im Jahre 1873 ein Dr. Fink in der Stadt
Tichwin gewesen ist“ und weiter „man soll noch einmal liachfragen
im Hotel Demuth,“ wo mich der Brief denn auch richtig fand.
Dank dieser trefflichen Beförderung konnten Berichte, welche ich
Major Tichanoff in Maitjerek am 6. Juni zur Besorgung nach Saissan
mitgegeben hatte, schon am 12. Juli in der „Weserzeitung“ erscheinen.
Da der Wind sich endlich einmal günstig erwies, so konnten
wir das Segel benutzen, d. h. einen grossen Lappern, den .die Leute