Schulen und ein gründlicher Kenner der tatarischen und kirgisischen
sowie überhaupt der türkischen Sprachen ist, besuchten wir die
Tatarenstadt, wo er uns im Hause eines berühmten Mollah einführte,
der uns eine Moschee und Medrese d. h. eine mohammedanische
Gelehrtenschule zeigte. Der gute Mollah, welcher Arabisch nur aus
Büchern verstand, war nicht wenig überrascht als ihn Dr. Brehm
arabisch anredete und die Studenten der Medrese staunten nicht
minder über den gelehrten Fremdling, der sie über den Korahn so
gründlich zu examiniren wusste. Die Einrichtungen der Medrese
zeigten übrigens echt orientalische Einfachheit und diejenige Ursprünglichkeit,
wie man sie im Osten gewohnt ist.
Wenn ich der mohammedanischeu Gelehrtenschule vor der christlichen
gedenke, so mögen es mir die Herren Professoren verzeihen,
welche uns so liebenswürdig in der Universität empfingen und uns
Laboratorien und Sammlungen in zuvorkommender Weise zeigten.
Die Universität ist in einem sehr stattlichen Gebäude eingerichtet,
hat schöne Räume und trefflich versehene Laboratorien. Die zoologischen
Sammlungen imponiren dem, der viel gesehen hat, weniger;
namentlich suchte ich vergeblich nach den Typen Eversmanns
die ich hier in Vollständigkeit erwartet hatte. Auch der Universitäts-
Bibliothek statteten wir einen Besuch ab, die unter der Leitung
meines gelehrten Landsmanns Staatsrath Professor von Gottwald
Exc., steht, der ein eminenter Kenner der Geschichte und Sprachen
des Orients ist. Er steht bei muhammedanischen Gelehrten auch
in besonders hohem Ansehen, sie holen sich Rath bei ihm und manche
sollen ihn für einen wirklichen Mohammedaner halten, der nur unter
der Maske eines Christen lebt! Seitdem der grösste Schatz der
Kasaner Bibliothek, die orientalische Abtheilung, nach St. Petersburg
übergeführt wurde, für die daselbst errichtete „orientalische Facultät“
hat die Universität offenbar viel von ihrem Glanze eingebüsst. Noch
Castren rühmt (1845) denselben und war überrascht von der Reichhaltigkeit
der Lehrstühle für morgenländische Sprachen, die zum
Theil von einigen eingeborenen Orientalen besetzt waren.
Unter den Studenten fielen uns gar manche durch ihr mehr
als burschikoses Aeussere und die wuchtigen Hyperziegenhainer,
welche sie führten auf, noch mehr andere, die am Arme von Damen
wandelten. Wie wir erfuhren sollen aher bereits eine ziemliche Anzahl
im Stande der heiligen Ehe leben und die besagten Damen waren
eben „Studentengattinnen“, wie man in Oesterreich sagen würde.
Kasan besitzt neben Universität und Medrese ein sehr stattlich
aussehendes Theater, vor dem sich sogar ein Standbild, wenn ich
nicht irre aus Erz, erhebt und was für Deutsche nicht minder wichtig
ist, eine grosse Brauerei, die ein recht trinkbares Bier liefert, an
dem wir uns später noch in Sibirien erlabten. Ich darf nicht unterlassen
den Namen des würdigen Stifters dieses ebenso zeitgemäss als
.gemeinnützigen industriellen Unternehmens der Nachwelt zu überliefern
und wenn ich sage, dass sich derselbe „Pätzold” schreibt, so
'wird wol jeder meiner deutschen Löser sofort den Landsmann
•heraus wittern.
Bald hätte ich Eines, weder Merkwürdigkeit noch Sehens-
fwürdigkeit, vergessen, nämlich eines Heiligthums: der Kasan’schen
Mutter Gottes! Nachdem ich im Jahre 1871 die sogenannte schwarze
Maria in Chartres, die wie mir die fromme Führerin sagte den
heidnischen Druiden längst, wol ein paar Tausend Jahre, vor ihrer
IGeburt erschienen war, gesehen hatte, drängte es mich ihrer östlichen
Rivalin ebenfalls den schuldigen Respect zu erweisen, denn
die Kasan’sche ist ebenfalls eine der wenigen, welche sich durch
dunklen Teint auszeichnet. So fuhren wir denn nach dem stattlichen
Kloster wo das Gnadenbild unter der Obhut frommer, nicht immer
ganz junger Nonnen gehütet wird. Und ich muss sagen, wenn auch
die Klosterkirche in Kasan nicht im Entferntesten den Vergleich
mit dem überwältigenden Dome in Chartres aushalten kann, so ist
das Bild in der ersteren dem der letzteren doch bei Weitem vorzuziehen.
Denn wenn ich mich recht erinnere ist die Gottesmutter
in Chartres ein simpel hölzern Bild, während das der Kasan’schen
in üblich russischer Weise nur Gesicht und Hände in schwarzer
Malerei zeigt, im Uebrigen aber Gewand und Hintergrund in Mosaik,
eitel aus Edelsteinen und Perlen, also einen Werth der selbst dem
Laien und Nichtorthodoxen imponirt. Wie ich zu meinem Leidwesen
erfuhr soll die Muttergottes in Kasan selbst nicht so hoch geehrt
sein, als zu erwarten wäre, aber destomehr Ruf auswärts gemessen.
Freilich hütet man sich wol den kostbaren Schatz im Original wegzuleihen,
aber Nachbildungen die mit nahezu göttlichen Ehren
empfangen werden, machen weite Wanderungen zum Wohl der Kirche
und wir begegneten einer solchen später im Altai. Ich lies es übrigens
nicht bei dem Obolus bewenden den wir der Muttergottes selbst
opferten, sondern beauftragte Iwan ihr eine anständige Kerze dar