Sprachforscher von Profession zu sein, die nahe Verwandtschaft
zwischen Türkisch und Kirghisisch sofort herauszufinden. Freilich
schien mir das Letztere ein hei Weitem minder reines Türkisch als
das Tatarische. Als von Wichtigkeit mag noch bemerkt sein, dass
nach Radloff keine Dialectversehiedenheit zwischen dem Kirghisisch
(Kassak) der drei Horden vorkommt.
Ueber die älteste Geschichte der Kirghisen scheint es an
sicheren Quellen zu fehlen. Was v. Hellwald (Gentralasien p. 40)
von den früheren Wohnsitzen am Jenissei sagt, bezieht sich wol
auf die echten oder Kara-Kirghisen, aber nicht auf die Kassaken.
Nach Rytschkow hätten letztere vordem mit den Bewohnern der
Krimm ein Volk ausgemacht, sich von diesen später aber wegen
Streitigkeiten getrennt. Pallas (I. p. 387) erfuhr von den Kirghisen
selbst, dass sie früher mit den Türken zusammen am Euphrat
wohnten, aber vertrieben worden seien, weil sie zwei Enkel
Mahammeds umgebracht hatten. Sie wären hierauf zu den Nogai-
schen Tataren gezogen, hätten aber auch von diesen flüchten müssen
und sich weiter östlich bis in die Dsungarei gezogen. Da die kleine
Dynastie der Nogaisehen Tataren in Europa, wie die Tatarenreiche
Kasan und der Krim, erst von Nachkommen Dschingis-Chans gegründet
wurden, dessen Sohn Oktai (1227) das kolossale Mongolenreich
nicht zusammenzuhalten vermochte, so lässt sich annehmen,
dass die Kirghisen damals mit in den Verband des letzteren gehörten.
Gewiss.ist, dass Dschingis-Chan die Naimans unterwarf, ein Volk,
welches noch jetzt als Geschlecht unter diesem Namen bei den
Kirghisen vorkommt und die meisten Anklänge mongolischen Ursprunges
aufzuweisen hat. Wenn noch heut eine Menge Kirghisen-
Sultahne ihre Abstammung von dem grossen Eroberer ableiten, dessen
Reich sich von Nordchina j ois Persien und Buchara erstreckte, so
ist dies wol nicht in allen Fällen eitle Prahlerei, sondern hat
ernsteren Grund. Wahrscheinlich wurde also ein Theil der Kirghisen
von Osten her mit den Wogen des Mongolenheeres nach Westen
geführt, wo eine Vermischung mit türkischen Stämmen stattfand
und so ist es ebensomöglichj -dass sie später zur „goldenen Horde“
oder dem Reich Kaptschak, welches sich unter Batu Chan vom
Caspischen Meere bis Kasan erstreckte, gehörten.
Ueber ihre damaligen Wohnsitze fehlt es indess an sicheren
Nachrichten. Dagegen wissen wir, dass sie im 16. Jahrhundert mit
Tataren im unteren Laufe des' Irtisch und Ob lebten, wo die letzteren
unter Chan Kutschum, ein eigenes Reich gegründet hatten, welches
bekanntlich durch den Eroberer Sibiriens Jermak Timofjejew (1581)
zerstört wurde. Schon damals lebten die Kirghisen als Nomaden
in der südlichen Steppenhälfte des heutigen Westsibiriens in der
Balchaschniederung und bildeten ein mächtiges Volk, welches angeblich
an 300,000 Krieger stellen konnte und gegen Ende des
16. Jahrhunderts in Taschkend und Turkestan herrschte. Diese
Zeit der höchsten Blüthe und Machtentwickelung währte übrigens
nicht lange, da durch innere Zwistigkeiten geschwächt, die Kirghisen
im Osten her von Dunganen, im Südwesten von Kalmücken bedrängt,
schon Peter dem Grossen die Unterwerfung anboten, welche
indess nicht zu Stande kam. Die Kalmücken bildeten damals bis
zur Mitte des 18. Jahrhunderts ein mächtiges Reich in der Dsungarei,
welches bis Barnaul, zum Ischim und Tobol reichte. Durch
die schon seit der Mitte des 16. Jahrhunderts im Ural als Bergwerks
und Schmiedereibesitzer ansässigen und einflussreichen Stro-
gonoff’s war Kunde von den Kirghisen nach Moskau gelangt und
der Zar Iwan IV. fühlte sich, bereits 1573, veranlasst eine Gesandtschaft
in die Steppe zu senden, die indess ihr Ziel nicht erreichte.
So weit und schnell sich auch die Russen nach der Eroberung
Sibiriens nach Osten ausgebreitet hatten, denn schon 1650 erschienen
kühne und unternehmende Kosaken am Amur und selbst
am Anadyr, so wenig waren sie nach Süden vorgedrungen. Die
Unfruchtbarkeit der Steppe, der Mangel edler Pelzthiere, wie des-
Zobels, der die sibirischen Conquistadores, ähnlich wie die spanischen
das Gold, unaufhaltsam vorwärts getrieben hatte, war nicht verlockend
genug und so blieben die Kirghisen lange von den Russen
unbehelligt, obwol einzelne Reisende bis zu ihnen vordrangen. So
die im Jahre 1608 ausgerüstete Expedition, welche China erreichen
sollte, was aber erst 1654—57 dem Kosak Baikoff gelang. Erst
1715 (bis 1719) wurde unter Peter dem Grossen die schon früher
angelegte Irtischlinie bis Ust-Kamenogorsk verlängert, so dass 1725,
mit welchem Jahre überhaupt erst kartographisches Material vorliegt,
die Grenze Russlands längs der Flüsse Ural, Miass auf
Kurgan nach Omsk, von hier am rechten Ufer des Irtisch, dann
längs den Vorbergen des Altai, südlich von Biisk sich hinzog. Mit
der Errichtung dieser Linie, die aus kleinen hölzernen Forts (Kre-
postj) bestand und mit Kosaken besiedelt wurde, entwickelte sich
zugleich russische Kolonisirung und diese musste zu Reibereien mit
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