VI. ICapitol.
Hause, ohne weitere Dorfanlage. Der Weg auf der jetzt trockenen
Steppe war vortrefflich. Die letztere ist bis zur ersten Station fast
ganz eben, wird dann aber etwas hügelig und führt manchmal längs
kleinen Bächen, die mehr oder .weniger salziges Wasser haben.
Wie auf den Spitzen der Hügelkuppen meist anstehendes Gestein
zu Tage tritt,- so sind die Salzbäche stellenweis von Felsen begrenzt,
die durch rothe und orangefarbene Flechten ein merkwürdiges Aussehen
erhalten. Bis zur zweiten Station konnte man die Gesteinsformation
deutlich als Quarz erkennen, weiterhin schien sie mir
Schiefer zu sein. Auch die als Werstzeichen aufgeschütteten Steinhaufen,
bestanden aus solchen Gesteinen, denn eigentliche Werstpfähle
hatten wir seit Omsk nicht mehr gesehen. Alexander Schrenk
verzeichnet von hier Felsit- und Hornsteinporphyr, sowie Grauwacke.
Die Steppe zeigte übrigens öfter ihren Charackter, die wie beschneit
aussehenden salzigen Effloreszenzen. Stellenweis war sie mit
kurzen, jetzt sich begrünendem Grase bedeckt, aber weite Strecken
zeigten noch kahles Gestrüpp oder vertrocknetes sehr hohes Gras (Tehi).
Die Vogelwelt bereitete uns schon nach der ersten Station eine
grosse Freude mit dem Erscheinen der Mohrenlerche (Alauda tatanca),
nach der wir uns schon als wir noch auf Schwarzerde fuhren vergeblich
umgesehen hatten und in den mit Felsen besetzten Hugel-
kuppen zeigten sich zuerst Fuchsenten oder Turpans wie sie die
Russen nennen (Tadorna rutila).
Jurten der Kirghisen begegneten wir öfters, ebenso ihren Winterhäusern,
die aus getrockneten Backsteinen erbaut werden und deren
eigenthümliche Bereitung wir auch sehen sollten. Die schwarze
Erde der Steppe war in derselben Weise, als wie bei Bremen der
Backtorf gewonnen wird, in einen mächtigen zähen Fladen ausgebreitet,
den aber nicht biedere Moorbewohner mit Holzschuhen bearbeiteten
(petteten), sondern den Berittene mit den Hufen der
Pferde zurichteten. Das verwunderte uns allerdings höchlich,' aber
wir sollten in der Folge mehr zu der Einsicht kommen, dass der
Kirghise Alles soweit nur irgend möglich zu Pferd thut.
Schon hinter Semipalätinsk hatten wir südwestlich am Horizonte
eine niedrige blaue Bergkette den Semitau erblickt, von welchem
südlich gelegen auf der ersten Station, die isolirten Berge Kokon
nach und nach deutlicher sichtbar wurden. Sie bilden gleichsam
e Ä i , Arkalyk (290 Meter), Aschtschi-M (320 M.), Passhöhe zwischen
2. und 3. Station (390 M.) Dschas-tas (400 M.), Kysü-mnl (440 M.). Arcat (520 M).
Semipalätinsk und die Arcatberge. 97
Vorberge des Arcat, welche letztere wir, malerisch hinter diesen
aufsteigend, erst bei der vierten Station gegen 772 Uhr Abends zu
Gesicht bekamen, ein Anblick der uns nicht wenig mit Freude erfüllte.
Auf der 5. Station, Kysil-mul, wurden „ein paar Bissen gegessen“
und wir fuhren dann bei Mondschein, von der Poststrasse
bei der Station Arcat rechts abbiegend auf ziemlich holperigem Wege
die letzten 6 Werst weiter, bis uns gegen 12 Uhr Lichter entgegen
blinkten das ersehnte Ziel: das Jurtenlager in den Arcat-
bergen!
Trotz der späten Stunde hatte es sich die Generalin in gewohnter
Herzlichkeit nicht nehmen lassen uns zu empfangen und
bald sassen wir in einer prächtig ausgeschmückten Jurte und stärkten
uns durch ein treffliches Mahl, bei dem ein herrlicher Pillaf und
kirghisisches Schaffleisch, als echte Nationalgerichte besonders einladend
waren. Auch den berühmten Kumiss sollten wir hier zuerst
[kosten und fanden ihn nicht unangenehm. Doch ich habe auf dieses
[fade, nicht weniger als er- oder anheiternd wirkende Getränk noch
[ zurückzukommen.
Der Vorsorge des Gouverneurs, dessen Gäste wir auch hier im
I vollsten Sinne des Wortes waren, hatten wir eine besondere Jurte
als Wohnung zu verdanken, die im Innern mit stattlichen bucharischen
Teppichen ausgelegt, ungemein anheimelnd war.
Jubilirender Lerchengesang begrüsste mich als ich ändern Tags
| (4. Mai) früh 4 Uhr aus der Jurte trat und nun erst einen Blick
auf das fremdartige Bild werfen konnte. Wie mit einem Zauber-
: sehlage schien man in eine ganz andere Weit versetzt worden zu
i sein, die für Fremdlinge wie wir durchaus Neues bot. In einer mit
I hohem dürren Grase bewachsenen Ebene standen in gewisser Entfernung
mehrere stattliche Jurten, bei denen Pferde und Kameele
j weideten, kirghisische Reiter sprengten geschäftig hin und her.
Nicht weit vom Jurtenlager floss in schilfigem Ufer ein kleiner Bach,
■ in dessen Nähe schwarzköpfige Bachstelzen (Motacilla melanocephala),
j schwarzkehlige Wiesenschmätzer (Pratincola rubicola), blasse Weihen
(Circus pallidus) sich hauptsächlich bemerkbar machten. Auch die
| herrlichen Turpans zeigten sich und in den Felsen hatte die schöne
Klippentaube (Columba rupestris) ihre Nistplätze. Die noch dürre,
[ kahle Steppe war mit ebenso kahlen Felsgebilden umgrenzt, hinter
[ denen sich in phantastischen Formen höhere Felsmassen erhoben:
|. (üe Kette der Arcatberge. Sie erreichen (nach Alexander Schrenk)
F in s c h , Reise. I, 7