Humor in der Schilderung Dr. Brehm’s*) von jenem Besuche nicht
verdient.
Um einige Einkäufe zu machen, wandten wir uns dem Bazar
zu, der in Schmutz und armseliger Beschaffenheit seiner Lehmbaraken,
die zuweilen mit Schutzdächern aus Rohr versehen waren, sieh vor
der übrigen Stadt nicht auszeichneten. Er enthielt neben lebendem
Yieh, bereits geschlachtetes, allerlei Gemüse, ambulante Garküchen
und Kaufläden, in denen indess, ausser schlechten Bilderbogen, nichts
Begehrenswerthes von chinesischer Industrie zu erlangen war. Auch
Feuerungsmaterial wurde feilgehalten. Es bestandy wie in allen
diesen Steppenflecken, in den dünnen Stengeln der Spiraea hypericifolia.
Ich erwähne dies nur, weil irgendwo, wahrscheinlich auf eine vage
Angabe Wlangalis hin, gesagt wird, dass man in Tschugutschak
mit Steinkohlen heize.
Ich fühlte mich von den Anstrengungen der,letzten Tage und
der drückenden Hitze des heutigen so abgespannt, dass ich mich in
eine Jurte zurückzog, bei der Iwan und die Kosaken lagerten. Denn
ich bedurfte vor Allem der Ruhe, fand dieselbe aber nur für ein
paar Stunden. Meine Gefährten, welche in dem Hause eines reichen
tatarischen Kaufmannes speisten, schickten mir nämlich bald die
Botschaft dass zum Aufbruch gerüstet werden müsse. Um womöglich
Aufschub bis zum nächsten Morgen zu erlangen ritt ich selbst nach
dem Tatarenhause, willigte aber in die Abreise auf die Versicherung
der russischen Officiere, dass das Jurtenlager für die Nacht nur
18 Werst (ca. 2 */2 deutsche Meile) entfernt sei. Gänzliche Appetitlosigkeit
liess mich auch nicht einen Bissen gemessen ,>L ob wo] die
Tafel sehr einladend war, und durch die junge und bildschöne Hausfrau
einen besonderen Reiz erhielt, welche malerisch und anmuthig
in rosa mit Silber verzierte Seide gekleidet, in ungezwungener Weise
trefflich die Honneurs zu machen .verstand. Freilich war sie in
Semipalátinsk erzogen und ihr Mann mit unseren russischen Begleitern
befreundet. Trotzdem würde es einem Türken niemals eingefallen
sein, diesen Schatz an Schönheit und Anmuth Männerblicken
zu zeigeu und wenn der gute Tatar gerade uns gegenüber eine Ausnahme
machte, denn alle „Gläubigen“ waren ausgeschlossen, so
spielte etwas Eitelkeit dabei wol mit. Im Uebrigen hatten wir
*) »Am Kusse des Tarabakatai“. Feuilleton der St. Petersburger deutschen
Zeitung vom 5. u. 6. August 187G und der neuen freien Presse (November 187G).
keine Gelegenheit uns über, das schöne Geschlecht bei den Ein-
gebornen ein Urtheil zu bilden, denn ein paar zerlumpte alte Weiber,
wol Kalmückinnen, war Alles was wir im Vorbeireiten sahen. Wenn
sich daher Dr. Brehm die einzige Mongolin als \,echt typisches
Exemplar“ in solcher Fratzenhaftigkeit zeigte, „welcher gegenüber
eine halbwegs gesittete Aeffin 'schon eine halbe Venus“ ist, so
können diese Worte nur dem Individuum aber nicht der ganzen
Rasse gelten. Denn die kleinen niedlichen Chinesinnen sind häufig
nichts weniger als abschreckend!!
Gegen V /a Uhr Abends brachen wir nach kaum mehr als
sechsstündigem Verweilen auf und nahmen einen anderen Weg als den
welchen wir gekommen waren. Er führte uns durch mehrere weitläufig
gebaute Stadtviertel, die von einander getrennt lagen und
mit Lehmmauern umgeben waren, durch welche z. Th. befestigte
und versehliessbare Thore führten. Jedes Viertel wird von feinem
besonderen Volksstamme bewohnt, wovon Tschugutschak offenbar
eine ziemliche Anzahl aufzuweisen hat. Leider war jetzt keine Umkehr
mehr möglich, so gern ich zu derselben noch im letzten
Augenblicke bereit gewesen wäre, was ich umsomehr bedauere und
stets bedauern werde, als eine nur einigermassen befriedigende Besehreibung
der Stadt und ihrer ethnographischen Elemente durchaus
fehlt.
Nach den ''Schilderungen Radloff’s (1. c.- p. 88 und 250) über
die Bewohner des Ilithales kommen dort neben centralasiatischen
Völkern, wie Kalmücken, Tataren (aus Kaschgar, Jarkalnd, Chotan),
Tarantschi, Dunganen (muhamedanische Chinesen), auch solche aus
dem fernen Osten (Mandschu, die tungusischen Stämme der Schibö
und Solonen aus Daurien, wie die Chambing eine Art Militärkolonisten
gleich den Kosaken) und Süden (Tschämpän, Verbannte
aus den Südprovinzen Chinas) zusammen.
Und so mag es in Tschugutschak vielleicht auch gewesen sein,
wenn auch die Zerstörung der Stadt durch die Insurgenten grosse
Veränderungen hervorgebracht haben mag, die festzustellen eben
interessant gewesen wäre. So wissen wir z. B., dass eine beträchtliche
Anzahl Schibö (Ssibo) und Solonen seit 1871 die Stadt wieder
bevölkern halfen.
Aus noch unbekannten Ursachen brach 1862 in den westlichen
Provinzen Schau-si, Kan-si,' Li-tschuan und Ju-nan Aufruhr*) aus,
*) Vergl. Badloff: „Nachrichten über den Aufstand in der Ili-Provinz“ in;