das Ostiakenland verlassen hatte. Aber freilich war er der erste
Ostiak, welchen ich — in schwarzem Yisitenanzuge zu sehen bekam.
Von den Ostiaken entwarf ich an Ort und Stelle als annähernd
allgemein gültig folgende Kennzeichen: Haar weich, meist
schwa"rz; Stirn vorspringend; Brauen dünn behaart; Augen meist
dunkel, etwas geschlitzt;*) Nase klein, auf dem Rücken meist etwas
eingedrückt oder eingebogen, mit runder, knopfartig vorspringender
Kuppe, die bei kleinen Kindern oft das einzige von der Nase sichtbare
ist; Nasenflügel breit, mit grossen Nüstern; Mund gross, breit;
Lippen dick, meist wulstartig vorspringend, namentlich die untere,
welche scheinbar zuweilen die Nase überragt; Kinn klein', rund;
Bart schlecht, spärlich, meist auf Backen beschränkt, aber dünn,
zuweilen Stoppeln am Kinn, selten Schnurrbart. Auffallend ist die
Kleinheit der Füsse, die Middendorff namentlich auch für die Samojeden
als characterisch betrachtet. Was die Hautfarbe anbelangt,
so war dieselbe durchgehends, soweit nicht äussere Einflüsse eingewirkt
hatten, kaum von solcher bei Russen unterschieden, vielleicht
etwas fahler; doch sah ich namentlich bei Mädchen zart geröthete
Wangen.
Die Statur bleibt meist unter der mittleren und klein; doch
konnte ich keine Messungen anstellen, weil die Eingebornen sich
nicht dazu herbeilassen wollten, indem sie Derartiges als identisch
mit Conscription hielten, vor welcher sie heillose Angst haben.
Dass die Ostiaken, obwol schwächer aussehend als Russen, bezüglich
ihrer physischen Kräfte ebensoviel als diese leisten, haben wir zur
Genüge erfahren. Bei der ärmlichen Lebensweise, den vielen Mühen,
Entbehrungen und Strapatzen, mit welchen Ostiaken stets zu
kämpfen haben, ist es nicht zu verwundern, wenn sie fast durchgehends
mager sind. Nur einen zur Corpulenz hinneigenden
Stammesgenossen notirt mein Tagebuch. Es war ein Neffe des
Fürsten, der noch jung offenbar an Fettsucht litt, wenigstens keine
normale Konstitution besass.
*) Nach darwinistischen Grundsätzen dürfte es nicht schwer werden den Beweis
zu führen, dass die schmalen, blinzelnden Augen durch Angewöhnung; in
Folge der Mücken , des Bauches und des Schneebiendens, entstanden. Auch wir
konnten selten die Augen so offen halten als gewöhnlich und fanden die Gewohnheit
bereits als ziemlich constant hei den dortigen Bussen und Kosaken. Schon
Middendorff spricht sich ähnlich aus (p. 1455).
Bezüglich der individuellen Abweichung will ich nur einige
Notizen meines Tagebuches anführen:
Ugorskia-Jurty. Typus ganz verschieden; hier ein paar Mannei
mit grossen, herabgebogenen Nasen, die ganz an gewisse nord-
amerikanische Indianer erinnerten; Männer, sehr oft ganz weiblich
aussehend.“ I •,
Parawatzky-Jurty. Ein Mann mit blauen Angen; einer mit
grauen, beide Haare schwarz; Weiber scheinen mehr gleichmassigen
Typus zu bewahren, der namentlich bei jungen etwas Mongolisches
verräth: runde Kürbisköpfe; dunkle Augen; Brauen stark gebogen,
Nase klein, stumpf; stark vorspringende Backenknochen; Han so
weiss als bei unserem Landvolk; einzelne gar nicht hässlich
Tachty. Hier mehrere Männer mit blauen Augen und dunklem
Haar; einer schwarze Haare und blaue Augen; einer mit rothbraunem
Haar; andere schwarzes Kopfhaar und blonden Bart; einer
ganz blond: letzteres aber selten.“ TlT , ,
Bolschoi Ustram. Frauen mit hübschen runden Waden und
durchgehends mit kleinen Füssen; eine Frau sehr braun, andere so
weiss als wir; ein Mann mit blauen Augen; Indianertypus mit gebogener
Nase selten.“
K n i ä s k i - Jurty. Wol 20 Männer, darunter 3 Indianergesichter
und einer fast japanisch; einer blond mit hübschem blonden und
starken Schnurrbart.“
Pratotschka. Hier wieder indianer- und japan er-artig a s-
sehende; ein sehr hübscher, übrigens ganz typischer Mann hat
schwarzes Haar, blaue Augen und guten blonden Schnurr- und
Kinnbart.“ . ... ■
Tobelko. Ein ganz typischer Mann kennt sein Alter, behauptet
25 Jahre alt zu sein, sieht aber aus wie 18; spärlich er-
vortretender Bart; langes schwarzes Haar; kleine dunkle, nich geschlitzte
Augen; wenig vorspringende Backenknochen; Hautfarbe
bräunlich mit gerötheten Wangen.“
Tobelko. Hübsche Blondine mit dunklen Augen und hübsche
14jährige Brünette, im Aussehen an Japanesin erinnernd; beides
Geschwister von demselben Elternpaare u. s. w.“
Die Beobachtung Kowalski’s, dass beim weibhchen Geschlechte,
namentlich Mädchen und jüngeren Frauen, der „mongolische e-
sichtstypus“ stärker hervortritt als bei Männern, kann ich nur
bestätigen.