der sich bald bis zur russischen Grenze fortsetzte und noch heut
nicht ganz gedämpft ist. Die Dunganen oder Dungenen, von
den Chinesen wie alle Muhammedaner „Choi-choi“ genannt, ein
ursprünglich tatarischer (uigurischer) Yolksstamm, der in Kleidung,
Sprache und Sitten vollständig zu Chinesen wurde, erhob sich zunächst
um das Joch der Mandschu abzuschütteln und fand bald -von
anderen religionsverwandten Stämmen, wie Tarantschi, Kirghisen
und Kara-Kirghisen Unterstützung. Es entbrannte nun ein Krieg
in welchem beide Parteien sich in Hass, Rachsucht, Feigheit, Grausamkeit,
Vernichtung und Zerstörung einander nichts schuldig
blieben und dessen Führungsweise Przewalski*) jedenfalls am anschaulichsten
schildert.
Nachdem die Dunganen 1864 Urumtschi erobert hatten, welches
auf 2 Millionen (!?) Einwohner geschätzt wurde und wobei an
130,000 Mandschu erschlagen worden sein sollen, rückte ihre
Heeresmacht gegen die westlichsten Bollwerke des Chinesenreichs
Kuldscha und Tschugutschak vor. Ueber die Belagerung, Einnahme
und Zerstörung der ersteren Stadt, sowie des ganzen Ilithales verdanken
wir Radloffs (1. c.) eingehende Kunde.
Die in Yerschanzungen belagernden Dunganen wurden wiederholt
von Mandschu und Kalmücken geschlagen O O und konnten sich
nur durch ihre, wegen der verlockenden Plünderung herbeigezogenen
Glaubensbrüder halten. Die Dunganen kämpften übrigens keineswegs
mit dem Ernste, noch hatten sie die „trefflichen“ Gewehre,
wie dies Brehm schildert, sie waren vielmehr ebenso feige als die
Chinesen. So wagte das 14,000 Mann starke Dunganenheer keinen
Angriff während der 5 Tage, dass Lieut. Reinthal mit 14 Begleitern
im Juli 1865 Kuldscha besuchte. Nach 3jähriger Belagerung
musste die unglückliche Stadt, welche an 100,000 Einwohner gehabt
haben soll, sich aus Mangel an Lebensmitteln (täglich starben 50
bis 100 Menschen am Hungertyphus) übergeben. Die Dunganen
machten Alles nieder; doch hatte sich der Dschansun mit sämmt-
lichen Beamten vorher in die Luft gesprengt. Es kann also nicht
wol derselbe gewesen sein, welcher uns in Tschugutschak empfing,
Kuss. Kevue Bd. II. 1873. p. 209; Marthe’: „Der Aufstand der Muhammedaner im
westlichen China“ in: Zeitschr. f. Erdkunde II. Bd. 1867. p. 142, und Wenju-
kow p. 280.
*) „Reisen in der Mongolei im Gebiete der Tanguten und den Wüsten Nordtibets.“
Deutsche Ausgabe 1877. p. 347—359.
wie Dr. Brehm berichtet. Denn bekanntlich nahmen die Russen
nicht von den, sondern für die Chinesen*) Besitz von Kuldscha und
dem Ilithale, nachdem die Tarantschi, welche inzwischen die Dunganen
niedergeworfen, hier unter einem Sultahn regierten, sich
wiederholt Uebergriffe an russischem Eigenthum hatten zn Schulden
kommen lassen.
In ähnlicher Weise als mit Kuldscha ging es auch mit Tschugutschak,
nur dass die Dunganen die Stadt durch Verrath in die
Hände bekamen. Nachdem sie dieselbe fast 2 Jahre erfolglos belagert
hatten, boten- sie Anfang des Jahres 1865 einen Vergleich
an. Auf Vorschlag der Dunganen versammelten sich Mandschu-
Beamten und Kalmücken-Häupter arglos in der Moschee, wo der
Frieden beschworen werden sollte, wurden aber hier von den Dunganen
niedergemetzelt. Auch der greise Amban (General) fiel; aber
der junge Amban entkam und ihm gelang es, die inzwischen von
den Dunganen verrätherisch überfallene Citadelle wieder zurück zu
erobern. Hunger zwang endlich zur Uebergabe, welche wie es
scheint 1867 erfolgte, und wobei alles Lebende dem Tode verfiel.
Nur der Dschansun Djun, welchen wir kennen lernten, entkam dem
Blutbade, weil er beim Heere' auswärts war. Doch wurden seine
Frauen und sein Sohn ermordet. Anstatt des Letzteren hat er einen
anderen, dem seinen sehr ähnlichen Knaben, an Sohnesstatt angenommen,
an den er mit grösser Liebe hängt. Wie gräulich es
damals hergegangen sein mag hörten wir durch Obristlieutenant
*) Diese sollten es wieder zurückerhalten, sobald sie im Stande sein würden,
die Ordnung selbst aufrecht zu erhalten, was nach chinesischer Anschauung bereits
der Fall ist. Denn schon im October 1878 hat die chinesische Regierung durch
eine eigene Gesandtschaft die Zurückgabe verlangt, zugleich den Handel, Aus-
und Einfuhr, sowie den Aufenthalt der Russen in Kuldscha und dem dazu gehörigen
von Russland besetzten Districte verboten. Oh Russland diesem Verlangen
entspricht ist freilich eine andere Frage. Gerüchten aus Turkestan zufolge, würden
(wol übertrieben) 100,000 Chinesen mit Remington-Gewehren und Krupp’schen
Geschützen (natürlich von England geliefert!) bereit stehen um ins Ilithal ein-
zumarschiren. Jedenfalls wird ihnen dies nicht so rasch gelingen als wie mit
Ost-Turke'stan, wo sie die so mächtigen Muhammedaner überraschend schnell
niederwarfen. Kaum war der gefürchtete Jakub-Beg am 8. Juni 1877 gestorben,
so rückten die Chinesen auch schon gegen seinen Sohn und Nachfolger Beg-Kuli-
Beg heran, schlugen ihn überall, eroberten schon am 19. October 6 Städte, darunter
Turfan, und rückten bereits am 17. Decemher in Kaschgar ein, welches jetzt
von einem chinesischen Statthalter regiert wird.
F i a s c h , Heise. I, 1 4