welche die Neststättte gewöhnlich schon von Weitem durch dasselbe
verriethen. Dabei schwebten die alten Bussarde und Wanderfalken
häufig über unseren Köpfen, oft in Schussweite. Um die Raubvögelhorste
fanden sich meist Reste von Lemmingen, ebensolche in
den Magen von Raubmöven, die ausserdem auch Regenwürmer enthielten,
während der der Trauerenten ausschliesslich mit Flohkrebsen
(Gammariden) gefüllt war. Die Kröpfe von Schneehühnern enthielten
nichts als Weidenblätter. Von Kleingevögel beobachtete ich nur
Schnee- und lappländische Ammern (Plectrophanes nivalis und lap-
ponica), seltener rothkehlige Wiesenpieper, Alpenlerchen (Otocoris
alpestris) und Leinfinken (Fringilla linaria). An grösseren Seen
mit üppiger Strauchvegetation zeigten sich einzelne Citronenbach-
stelzen und an der Podarata die weisse, sowie Blaukehlchen.
Noch ärmer als an Vögeln ist die Tundra an Säugethieren. Zwar
soll das wilde Ren (vergl. auch Brandt in Hofm. Reise p. 45) wie
unsere Leute versicherten einzeln Vorkommen, sich aber doch erst
häufiger in der Waldregion des Ural finden. Dagegen ist der Wolf
ziemlich häufig und richtet in den Heerden oft grossen Schaden an.
Nur einigemale hörten wir Eisfüchse (Canis lagopus)ü ich bekam
aber auch nicht einen zu sehen. Schon an der Schtschutschja hatten
wir Wühlmäuse (Arvicola obscurus, Eversm.), und Lemminge (Myodes
obenses) beobachtet und gefangen. Noch häufiger waren die letzteren
auf der Tundra. Dieses den Mäusen verwandte Nagethier, so
gross wie eine starke Feldmaus, aber fast schwanzlos bildet die
Hauptnahrung der Raubthiere der Tundra, und wird im Winter,
wie alle Eingeborenen versicherten, ebenso begierig vom Renthier
verzehrt.
Trotz der Häufigkeit der Lemminge waren sie in den weitverzweigten
unter den Wurzeln der Zwergbirken oder im Moose von
Sumpfwiesen angelegten Gängen doch schwer zu fangen und die
Hunde der Ostiaken leisteten mir hierbei die besten Dienste. Die
Lemminge sind, wie Schrenk (I. p. 305) nachweist, von grösster
Bedeutung für die Tundra, denn ein reiches Lemmingjahr ist gleichbedeutend
mit einem guten Fuchsjahre. Bekanntlich machen Lemminge
jene merkwürdigen Wanderungen, welche namentlich der Art
Norwegens (Myodes lemnus) zu einer Art Berühmtheit verhalten.
Sie pflegen dann oft jahrelang eine Gegend zu meiden in der sie
sonst zu Tausenden lebten. Nicht minder merkwürdig sind die
Wanderzüge des sibirischen Lemmings, die nach Schrenk (I. p. 335.
II. p. 401) Ende Mai bis Mitte Juni in unzählbarer Menge den
Ural überschreiten, bis zum Weissen Meere Vordringen und im
Herbst wieder nach der Ostseite des Gebirges zurückwandern. Von
den Insecten kann ich kaum Etwas sagen, da ich im- Ganzen nur
sehr wenige bemerkte und nur ein paar Käfer und Schmetterlinge
von der Tundra*) heimbrachte. Einmal fand ich ein Hummelnest
(von Bombus terrestris), dessen wenige mit einem sehr süssen Honig
gefüllte Zellen sogleich verspeist wurden, aber eben nur hinreichten
um die Lippen zu netzen. . . . . .
Jedenfalls ist die Insectenwelt recht arm, findet ja aber m überschwenglicher
Weise Vertretung durch die Mücken. Die kühlen,
auch für uns empfindlichen Nächte, wie die am 1. August, wo das
Thermometer nur 3° über Null zeigte, thaten der Plage wenigstens
für ein paar Stunden Einhalt, aber schon gewöhnlich gegen 2 Uhr,
mit den ersten Sonnenstrahlen, fing unser Märtyrerthum aufs Neue
an, denn weder Schleier noch Handschuh geben radicalen Schutz,
für die Handgelenke bewährten sich wollene Pulswärmer noch am
besten. Wie sehr der Marsch durch diese Quälgeister erschwert
wird beschreibt Brehm am besten in der folgenden Stelle.
„Verweilt man nur einen Augenblick lang, vielleicht überlegend,
gezwungen zögernd, auf einer und derselben Stelle, so sind sofort
Tausende und andere Tausende blutgieriger Mücken versammelt und
quälen einen so, dass man, gleichsam in halber Verzweiflung, weiter
schreitet, und ob auch beim nächsten Schritte die langschaftigen
Wasserstiefeln als unzureichend sich erweisen sollten. Ununterbrochen
gezwungen, während des Gehens auch wenigstens eine
Hand zu regen, um die höllischen Quälgeister zu verscheuchen, fortwährend
durch sie belästigt, gepeinigt und gestört, in jedem Genüsse
behindert, in jeder Handlung gehemmt, selbst von jedem Gedanken
abgelenkt, ermattet man nicht allein leiblich, sondern auch geistig
und muss sich zuletzt thatsächlich anstrengen, um nicht zu erschlaffen.
Kein Wunder daher, dass man schon nach wenigen Stunden solcher
Wanderung todtmüde an jedem Ruheplatz anlangt und zuletzt
schwerer und immer schwerer von ihm sich trennt, trotzdem auch
auf ihm, falls man nicht sofort ein Schmauchfeuer anzündet, die
*) Es waren: Lepyrus arcticus, Payk., Omaseus transbaicalicus, Mötsch., u.
Dytiscus lapponicus, Gyll.; an der Schtschutschja nnterm 67» n. Br. sammelte ich:
Bembidium infuscatum, Dej., Nebria nivalis, Payk., Melanophila appendiculata.
Fabr., von Schmetterlingen nur Erebia arachne, Fabr. var.