denen russische Bäuerinnen ja so gewandt sind, ernährt. Da durfte
er es schon übersehen, dass sie von seiner Muttersprache nicht mehr
als „hon jour“ und nicht lesen und schreiben gelernt hatte. Auch
jetzt stand Olga wieder allein, denn unser Held ging nach Omsk,
wo ihm Engagement angeboten war, und konnte ihr von seinem
Vermögen, drei ganze Rubel, nur sehr wenig zurücklassen. Aber
sie verzagte desshalb nicht, denn sie verstand zu arbeiten und vertraute,
dass Paul ihr bald Mittel schicken würde nachzureisen;
„sonst folgt sie mir zu Fuss!“ versicherte er. Dieses Vertrauen ist
hoffentlich nicht getäuscht worden! Aber warum heirathete Paul
Olga nicht? frug ich und wird man fragen. Weil die Männer
schreckliche Egoisten sind! Paul hoffte nämlich immer noch begnadigt
seine Ehren wieder zu erlangen und für die feinere Gesellschaft
verstand Olga, seine bewährte treue Pflegerin und Retterin,
nicht — die Honneurs zu machen!
Es war ein kühler unfreundlicher Tag, als wir von Tobolsk
schieden, um nach Tjumen weiter zu gehen. Da sassen wir wieder
einmal in Tarantass, diesmal aber einer ausgezeichneten, die wir
durch die Güte des Polizeimeisters und Herrn FeödorofFs geliehen
erhalten hatten. Ich habe der Tarantass bisher noch nicht gedacht
und will nur erwähnen, dass es ein äusserst solid gebauter Wagen
ist, dessen Kasten auf 4 bis 5 langen elastischen Birkenstangen
ruht. Sie ersetzen die Federn, welche bei solchen Wegen doch
nicht aushalten würden. Die Tarantass ist fast stets nur für zwei
Personen eingerichtet, ausser dem Kutscher. Schon der Uebergang
über den Irtisch, der nur wenige Werst von der Stadt den Weg
hemmt, war ebenso schwierig als zeitraubend. Ein heftiger Gegenwind
hatte ganz stattliche Wellen aufgewühlt, so dass unsere Wagen
auf dem unförmlichen Prahm zuweilen ins Rollen kamen, und eine
Zeit lang schien es überhaupt zweifelhaft, ob der Uebergang gelingen
werde, denn die Ruderer vermochten, trotz aller Anstrengung,
Wind und Strömung oft kaum eines Zolles Breite abzugewinnen.
Das Uebersetzen über den Irtisch kostete uns daher mehr als eine
Stunde Aufenthalt. Ueber die Gegend selbst lässt sich wenig sagen;
sie hatte ein schon fast winterliches Ansehen, da häufig Schnee
fiel, wenn derselbe auch nicht lange liegen blieb. Wir passirten
grösstentheils Wälder von Kiefern und Birken oder mit Gehölzstreifen
durchzogene angebaute Strecken, die hier und da fast
steppenartigen Charakter annehmen. Im Ganzen sieht man hier
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