selbst das russische Stiefkind, der Wald, hat in ihm einen Beschützer
gefunden. West-Sibirien darf sich d a h e r mit Recht zu einem solchen
General-Gouverneur Glück wünschen, denn bei den hohen organisatorischen
Talenten des Generals ist wol keiner mehr als Kasnako
berufen, die Entwickelung und das Wohl des Landes m bisher ungeahnter
Weise nicht nur anzubahnen, sondern auch durchzufuhren.
Da der Herr G e n e r a l-Gouverneur abwesend war, so eilten wir
Ihrer Excellenz unsere Aufwartung zu machen um sie zu bitten,
ihrem Herrn Gemal für die Fürsorge, welche er für uns zu treflen
die Güte hatte, unseren aufrichtigsten Dank zu versichern Die
Generalin war so liebenswürdig uns zur Tafel einzuladen und liess
die Einrede, dass wir nur im Besitze von Reisekleidern seien nicht
«■eiten : „Nordenskjöld habe auch nicht im Fracke kommen können!’
Î Da Omsk nicht nur die Hauptstadt West-Sibiriens ist, sondern
zugleich die des Gouvernements Akmolinsk, so machten wir ein
Gouverneur desselben General v. Zitowitsch, Excellenz unseren Besuch
und wurden ebenfalls zum Dinner eingeladen, wo wir neben anderen
interessanten Persönlichkeiten einen sehr merkwürdigen Reisenden
kennen lernten, Herrn Griolet de Geer, „Numismate et membre de
plusieurs sociétés savantes“ aus Genf.
Dass der genannte Herr von Omsk nach Peking, Jeddo un
über San Francisco zur Weltausstellung in Philadelphia zu reisen
beabsichtigte schien an und für sich nicht so außergewöhnlich merkwürdig,
aber dass er diese Reise unternahm, trotzdem er tau -
stumm war, musste ihm jedenfalls b e s o n d e r e Theilnahme zuwenden.
Und diese verdiente er in der That in hohem Maasse denn er
war ein ebenso liebenswürdiger als kenntnissreicher Mann, der una -
lässig sein Pergamentblatt in der Hand hielt, um Fragen zu stellen
und Notizen zu machen. Freilich konnte er ohne Hilfe eines
Dolmetschers nicht wohl durchkommen, aber sein Beg eiter sprach
ausser russisch auch deutsch, französisch, englisch un c mesisc ,
dafür war er aber auch in Kiachta geboren. Herr Gnolet hatte
uns sehr gern in den Altai begleitet und würde, obwol in gesetzteren
Jahren, bei seiner seltenen Energie und Beweglichkeit ohne Zweifel
die Reise gut ausgehalten haben, er zeigte aber unter kläglichen
Geberden und Gesten, die nicht misszudeuten waren, auf sein
Dolmetscher, dessen Leibesumfang für Gebirgsntte eben nicht eingerichtet
schien. Dieser taubstumme Weltreisende erinnerte mich sehr
an den Engländer Holmes, den Hansteen erwähnt. Obschon völlig
blind, hatte er ungefähr dieselbe Reise vor, musste dieselbe aber in
Krasnojarsk beschliessen, weil die Regierung ihn als einen Spion
betrachtete und heimwärts dirigirte.
Dass uns die Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt gründlich vor-
«eführt wurden, versteht sich ganz von selbst. Vor Allem galt
unser Besueh dem Militär-Gymnasium, welches der Director dieser
grossartigen Anstalt, General von Zitowitsch, Bruder des Gouverneurs,
uns persönlich zu zeigen die Güte hatte. Es beherbergt 350 Zöglinge,
von denen 250 auf Staatskosten für die Armee erzogen werden.
Lehr-, Lern-, Schlaf-, Speise- und Krankensäle, ein reichhaltiges
Material an Lehrmitteln, Instrumenten, Globen und Bibliothek, sowie
die «anze Einrichtung zeugten von musterhafter Ordnung und
konnten den Vergleich mit ähnlichen Instituten bei uns, unter denen
wol die Kadettenhäuser am meisten entsprechen dürften, aushalten.
Die Schüler haben einen sechsjährigen Cursus durchzumachen; der
Unterhalt eines jeden kostet der Krone 420 Rubel jährlich.
Unter den zahlreichen Lehrern waren für uns Professor Kury
der Deutsch lehrt und ein Deutscher (geborener Badenser) ist, sowie
Professor Slovzoff ganz besonders anziehende Persönlichkeiten. Der
Letztere ist Lehrer der Naturgeschichte, dabei ein enthusiasmirter
Sammler und Naturforscher. Ihm hat das Gymnasium ein zoologisches
Museum zu verdanken, wie es die meisten derartigen Anstalten bei
uns wol kaum aufzuweisen haben, und was noch mehr Anerkennung
verdient, er hat Alles fast selbst und aus eigenen Mitteln zusammengebracht.
Zu diesem Zwecke unternimmt er jedes Jahr mehr oder
minder ausgedehnte Reisen, die ihn wiederholt an den Balchasch
und bis Obdorsk führten. Obwol Iwan Jacowlevitsch eigentlich
Alles sammelt was denkbar ist und der Zoologie in erster Linie
seine Aufmerksamkeit zu wendet, so ist er doch am meisten Botaniker.
Wir konnten leider nicht daran denken das riesige Herbarium nur
annähernd so genau anzusehen, als die zoologischen Sammlungen,
wo einige Bestimmungen sehr willkommen waren, und haben uns
dadurch den Tadel sibirischer Blätter, oder vielmehr des „Ssibir“
zugezogen, denn in ganz Sibirien erscheinen eben nur 2, sage zwei
Zeitungen, eine wöchentliche und eine monatliche!
Auch das grosse Militärhospital und Gefängniss mussten wir
[besichtigen, aber unser liebenswürdiger Führer Oberstabsarzt Dr.
Dietrichs wird es mir verzeihen, wenn ich auf bei de trefflich geleiteten