den Schluss zieht, dass die Ostiaken keine Verwandte der Tschuden
sein können.
In Wahrheit bildet die grosse Pietät für ihre Todten gerade
einen Hauptzug des Characters der Ostiaken und Samojeden, welche
letztere in Bezug auf Leichenfeier und Bestattungsweise ganz gleiche
Gebräuche beobachten. Wie Castren bei Lumpokolsk am mittleren
Ob einen ostiakischen Begräbnissplatz in einem schönen Haine belegen
antraf, während der russische Gottesacker gänzlich verwahrlost
war, so fanden wir dies wiederholt da, wo Russen und Einge-
borne nebeneinander wohnten. Diese Pietät ist jedenfalls ein neuer
Beweis der guten Eigenschaften, welche diese Völker auszeichnet
und sichert ihnen volle Achtung aller Gebildeten. Die Plätze für
die Todtenäeker sind meist sehr hübsch, fast poetisch gewählt, sei
es im Walde oder auf den schmalen dünenartigen Hügelstreifen der
Tundra, welche noch mit Bäumen bestanden, soweit es der nordischen
Natur möglich, anmuthige Haine bilden. Diese erhöhten Stellen
gewähren meist einen Ueberblick über Tundra, Fluss und See, also
derjenigen Gefilde in welchen der Todte sein Leben zubrachte.
Solche bevorzugte Plätze stehen bei den Eingebornen in hohen
Ehren und hierher pflegen sie ihre Verstorbenen von weit her hinzuführen.
Wenn die Nachrichten von v. Hofmann (p. 60), Schrenk (523)
und Middendorff, wonach Ostiaken und Samojeden ihre Todten wirklich
begraben, d. h. in die Erde einscharren, vollständig richtig sind,
so betrifft dies doch nur die Ausnahmen oder gewisse Districte, wie
z. B. den Laepin’schen (Kowalski p. XXVII). Ueberhaupt konnten
nicht alle Reisenden aus eiOg ener Anschauunog berichten. So fand
Kowalski nur 2 mal heidnische Grabstätten. Als Regel kann die
Bestattung in einem Kasten über der Erde gelten, wenigstens für
die Bewohner des unteren Ob und der Tundra. Der gefrorene
Boden macht, wie ich bei Hat’s Tode zeigte, das Graben einer Gruft
Ohnehin kaum ausführbar und selbst im Hochsommer, wo dies eher
möglich gewesen sein würde, fand ich ganz frisch aus Planken errichtete
Todtenkasten. Castren behauptet also unrecht, dass die
Verstorbenen nur im Winter über, im Sommer aber unter der Erde
begrahen werden. Eine solche heidnische Grabstätte stellt meine
Abbildung 42 dar, welche ich in dem ausgedehnten Todtenhaine
bei Tschornii -jar an der mittleren Schtschutschja zeichnete und die
die erste Wiedergabe einer solchen sein dürfte. Es ist das besonders
reich ausgestattete Grab eines Reichen und besteht aus fussbreiten
und 1V2 Zoll dicken Planken aus Lärchenholz, welche die Eingebornen
mittelst Spalten durch Keile hersteilen und mit Hobel und
Axt* behauen. Drei Paar in die Erde eingerammte Streben, welche
oben mit Querhölzern, seitlich mit Stützen verbunden sind und die
Querbretter zu Kopf und Füssen halten den Kasten zusammen, an
welchem sich kein Nagel befindet. Die Länge desselben beträgt
5 bis 6 Fuss, die Breite am Kopfende vielleicht 2 bis 3 iuss. Das
Fussende ist schmäler und niedriger, wodurch das Ganze ein
sarcophagartiges Aussehen erhält. Der Kasten ist mit Matten aus
Birkenrinde bedeckt, unter welchen bei diesem noch rother Fries
als Zeichen besonderer Wohlhabenheit lag, und mit dünnen, längsgespaltenen
Baumstämmen beschwert, ln einem solchen Grabeskasten
findet man den Todten, in seine besten Pelze gehüllt, in aus-
gestreckter Stellung auf Moos und Renthierhaaren gebettet und mit
einem Renthierfelle bedeckt, also mit denselben Materialien, welche
ihn beim Eintritt in die Welt zuerst aufnahmen. Neben ihm liegen
seine Lieblingsgeräthe, als: Beil, Messer, Horn und Dose für Sehnupf-
taback, die Tabakspfeife, der Theekessel u. s. w.; aber niemals habe
ich Esswaaren in den Gräbern gefunden. Was nicht inwendig
Platz findet wird auf oder neben das Grab gelegt. So zeigt unsere
Abbildung am Kopfende den Renthierleitspeer, am Fussende die ab-
geschittene Spitze eines Kahns, an der Seite einen Schneeschuh, unter
dem das Beil liegt. Am oberen Querholz hängt die Glocke des
Leitren, an dem Baume links Rengeschirre, daneben liegen umgestürzte
Schlitten, die wie die meisten dem Todten mitgebenen Ge-
räthschaften durch Zerbrechen unbrauchbar gemacht wurden. An
den Streben des Grabes selbst sind Schädel der beim Todtenmahle
verzehrten Renthiere befestigt. Ausserdem findet man bei den
Gräbern Jagd- und Fischereigeräth, als: Bogen, Pfeile, Netzsenker,
Schwimmer und dergl., kurzum diejenigen Utensilien, welcher sich
der Verstorbene hauptsächlich bediente. So besteht das Grabgehäuse
im Hintergründe aus einem halbdurchschnittenen grossen Boote,
und zeigt an, dass der Entschlafene hauptsächlich als Fischer thätig
war. Vorn rechts bezeichnet eine umgekehrte Wiege die Ruhestatt
eines Kindes, dem, wie der dabei befindliche an einem abgehackten
Bäumchen befestige Schädel beweist, ebenfalls ein Renthier geopfert
wurde. Einzelne Male fand ich eine Kinderleiche in dem eigenthüm-
lichen sargartigen Kasten, welche die Eingebornen zum Aufbewahren
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