grosse Kessel, darunter einen kupfernen. Die sehr freundlichen Bewohner,
etwa 70 an Zahl, zeigten uns Alles mit grösster Bereitwilligkeit
und waren offenbar über das Interesse, welches wir an
ihnen nahmen, ebenso erfreut als verwundert. Sie gehörten nicht
zu den ganz armen, nur von Fischfang lebenden Stammgenossen,
sondern betrieben ausser letzterem auch Renthierzucht. Eine ziemliche
Anzahl dieser Thiere lagerte wiederkäuend hei einem Feuer, um im
Rauch desselben Schutz gegen die Mückenplage zu suchen. Bisher
nur mit dem lappländischen Renthiere bekannt, waren wir mit
Recht über die Grösse und den stattlichen Bau dieser sibirischen
erstaunt. Noch mehr über ihre Zahmheit, denn dass das sibirische
Ren ein wirkliches Hausthier werden könne, hätte ich nach den
Erfahrungen in Lappland*) kaum geglaubt. Dort genügte das Erscheinen
eines Fremdartiggekleideten um eine ganze Heerde in
wilder Hast grunzend aus einander stieben zu machen, hier erhoben
sich die Thiere langsam und trotteten in den nahen Wald. Alles
was der Ostiak braucht war hier zu sehen. Da gab es zugeschnittene
mehr oder minder, und ganz vollendete Renthier- und Hundeschlitten,
Schneeschuhe, Ruder, Böte, die trotz der Unvollkommenheit der
Werkzeuge sauber und gut gearbeitet waren. Namentlich gefielen
die schlanken Canos (ost. Chai-chob), die aus einem ausgehöhlten
Baumstamme bestehen, der mittelst Stricken aus Kieferwurzeln mit
zwei Seitenbrettern verbunden ist und die trotz ihrer Leichtigkeit
sechs Menschen und mehr tragen. Sinnreiche Fallen (ost. Jänang),
zum Fange von Hermelin und Eichhörnchen und ein Selbstbogenschuss
(ost. Oksar-jogl) für den Fuchs erregten fast Bewunderung.
Ebenso musterhaft waren die grossen Fischreusen (ost. As- und
Padang-pon). Sie sind aus Stäben gespaltenen Kiefern- oder
Lärchenholzes gefertigt und messen zwölf Fuss in der Länge bei
sechs Fuss Höhe und Breite.
Da sich solche Stücke zum Mitnehmen leider als zu gross erwiesen,
so bestellte ich bis zur Rückkehr Modelle derselben und darf
gleich hier einschalten, dass die braven Ostiaken, überraschender
Weise, Wort gehalten haben. In den Hütten sah ich schöne Bogen,
fand aber auch hier, wie später, dass sie sich nicht gern von solchen
trennen. Es geschieht dies nicht lediglich in Folge eines gewissen
*) Vergleiche Finsch: „Eine Ferienreise unter Mitternachtssonne'1 in: Wcster-
mann’s Illustr. Monatsheften (1876).
Aberglaubens, dass vielleicht gerade dieser Bogen ein nie fehlender
sei, sondern aus Anhänglichkeit an eine Lieblingswaffe, von welchen
sich ja auch bei uns die Besitzer nur schwer trennen. Die Bogen
der Ostiaken (ostiak. „Jogi“) sind übrigens meist sehr accürat und
sauber, aus 2 aufeinander geleimten elastischen Schösslingen yon der
Birke und Lärche, gearbeitet und zuweilen mit Birkenrinde überzögen,
ebenso wie die airs Hanfstrick mit Harz gedrehte Sehne. Um Verletzungen
durch das Zurückschnellen der letzteren zu- vermeiden,
hat der Schütze an die linke Hand vor der Daumenbäuge eine
länglich runde Platte (ostiak. „Joschkar“) gebunden, die meist aus
Renthierhorn verfertigt ist. Die Länge der Bogen schwankt zwischen
5—6 Fuss. Gewöhnlich bedient man sich 2’/2—3 Fuss langer, aus
Holz gefertigter Pfeile*) („Njol“). mit gespaltener, gabelförmiger
Spitze, die an der Basis mit 2—4 Federreihen, meist aus Schwanzfedern
vom Auerhahn zurecht geschnitten, versehen sind. Mit diesen
Pfeilen wird hauptsächlich Jagd auf Füchse und grösseres Wild betrieben,
während für Eichhörnchen Pfeile mit einer stumpfen knopfförmigen
Spitze aus Holz oder Bein verwendet werden, um das Fell
nicht zu verletzen. Für Wassergeflügel gebraucht man Pfeile mit
eiserner lanzetförmiger Spitze, die einen meist s-förmig gebogenen
scharfen Querbalken trägt, um das Durchschiessen der Beute zu verhindern.
„Denn der Ostiak ist ein ausgezeichneter Schütze! Oft
sieht man ihn im leichten Kahne auf dem Ob dahingleiten. Da
erblickt er eine Ente oder Gans und schnell liegt das Ruder im
Kahne, der Bogen ist gespannt und — der Vogel fällt, mit dem
Pfeile im Herzen, in den Kahn. Hunderte von Personen habe ich
versichern hören, dass sie einen Ostiaken nie haben fehlschiessen
sehen!“ So lautet das Phantasiebild, welches Albin Kohn (Sibirien
p. 37) entwirft, das aber gar sehr von der Wirklichkeit abweicht.
Auch uns wurde,' in Tjumen und anderwärts, öfters von der be-
wundernswerthen Geschicklichkeit der Bogenschützen erzählt, die ihr
Ziel angeblich 40 Faden (280 Fuss) weit treffen, was wir aber zu
sehen bekamen war weit davon entfernt, obschon uns immerhin die
Leistungen überraschten. Die Pfeile mochten 120—450 Schritt
weit fliegen; auf solche Entfernungen war aber von nur einiger-
massen sicherem Treffen eines Zieles nicht die Rede. Aber der in
einen dichten Vogelschwarm geschleuderte Pfeil trifft dann wol immer
*) Genaue Darstellung von Pfeil und Bogen auf Abb. 45.