opfern zu können. Nicht nur, dass die Frauen bei der Zubereitung
des Wintervorraths an getrockneten Fischen u. s. w. hervorragend
helfen, sondern auch die Anfertigung von Hausgeräth und Kleidung
lastet allein auf ihnen. Sie bereiten ebensowol das Material an Zwirn
und gegerbten Fellen, als sie Kleider und Schuh werk für sich und
die ganze Familie anzufertigen haben, sie flechten die hübschen
Grasmatten und nähen die Matten aus Birkenrinde für das Haus,
den Tschum, zusammen u. s. w.
Zum Gerben bedienen sie sich gerader und gebogener, höchst
primitiver Eisen (ost. Wol, sam. Morrö; abgeb. bei Middend. p. 1419),
das Hauptinstrument bleibt aber immer ein ordentliches, grosses
scharfes Messer (ost. Kjäschi), dessen Klinge IV2 Zoll breit und an
6 Zoll lang zu sein pflegt. So geschickt als mit der hier unbekannten
Scheere schneiden sie mit dem Messer braunes und weisses Renthier-
fell in Streifen, aus denen sie in oft sehr hübschen, fast eleganten
Mustern,*) Besätze für Pelze (vergl. z. B. Abb. 46), Kopfkissen,
Arbeitsbeutel u. s. w. zusammennähen. Als Unterlage beim Schneiden
dient ihr „Arbeitskästchen“ (ost. Jeschenabschiko), ein solider, aus
einem Stück Holz gestemmter Kasten, dessen eines verdünnte und
gebogene Ende sehr häufig mit hübsch durchbrochener Schnitzarbeit
versehen ist.
Bekanntlich bildet getrocknete und vom Fett gereinigte Ren-
thiersehne (ost. Lon) das Nähmaterial und zwar ein Material, wie
man es sich besser und feiner nicht wünschen kann. Die Sehne
vom Rückgrat (Schesch-lon) wird zu gröberen, die der Achilles (Ferse)
(ost. Chur-Ion) zu feineren Faden (Werim-lon) verarbeitet. Letzterer
kann so fein gemacht werden, dass er zu Stickarbeiten geeignet ist,
wie die Ostiakinnen in der That solche in ihrer Weise ausführen,
d. h. aus Renthierhaar Verzierungen auf Leder nähen, die oft sehr
hübsch sind, und z. B. bei Handschuhen, Augenschirmen zur Anwendung
kommen. Bei der Unmasse von Renthieren, welche jetzt
geschlachtet wurden, waren die weiblichen Glieder der Familie Sanda
unablässig beschäftigt das nützliche Material zu sammeln und zu bereiten.
Dazu bedarf es freilich weder eines Spinnrades oder einer
*) Die Photogr. No. 1. („Weiber- und Kindergeräthschaften“) im Verlage von
G. Behrens in Braunschweig herausgegeben, zeigt in No. 22, 23, 24 solche Kunstnäharbeiten,
in No. 3 8 'einen Nähkasten. Ohne die Hilfsmittel und Vorlagen, wie
sie unsere civilisirten Verhältnisse bieten, dürfte es unseren Frauen schwer werden
aus eigener Invention ähnliche hübsche Muster zu erfinden.
Spindel, sondern die Manipulation ist eine sehr einfache, Die
Sehnenfasern, welche sich unendlich fein spalten lassen, was mit
den Zähnen geschieht, werden durch den Mund resp. die Zähne
gezogen und dann zwischen den flachen Händen oder auf der Backe
zu einem Faden gesponnen, der an Haltbarkeit das beste Hanfgarn
übertrifft. Zum Aufwickeln bedient man sich sehr einfacher Weifen
aus Holz. Fast noch mehr als die Garnfabrikation war jetzt die Zubereitung
von Renthierbeinen im Gange, hauptsächlich wol desshalb,
weil sich hier das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden liess.
Es handelte sich nämlich darum, die am Knie abgeschnittenen Beine
abzuziehen, deren Felle zu den hübschen Beinlingen verarbeitet
werden, ein Geschäft, in welchem die Weiber grosse Routine besitzen.
Die Haut wird rings um den Huf eingeschnitten, mit den
Zähnen gefasst und so mit einem Ruck losgetrennt. Es bleibt dann
der- ersehnte Knochen übrig. Ein Schlag mit dem Messerrücken zeir-
trümmert ihn, das saftige Mark liegt frei und wird sofort — hinabgeschluckt.
Auch das Würmchen der Wittwe, ein vielleicht .2 Jahr
alter Säugling, kannte diese Markknochen schon sehr gut, streckte begehrend
die Händchen aus, sobald es einen solchen zu sehen bekam
und fing an zu schreien, Wenn ihm derselbe verweigert wurde. Neben
der Mutterbrust war rohes Fleisch die Hauptnahrung dieses Säuglings
und sein Gesichtehen meist so niedlich mit Blut beschmiert, als das
seiner Frau Mama, die bezüglich der Reinlichkeit eben nicht sehr besorgt
schien, destomehr aber für den Putz ihres Sprösslings. Hemdchen
oder andere Wäsche kennen ostiakische Kinder nun freilich nicht,
sondern ihnen genügt als Hauptkleidungsstück, wie den Herren
Eltern, ein Pelz. Unsere Wittwe hatte denselben aber so hübsch
mit Perlen und Klimperkram verziert und war ebenso stolz auf das
Kind und dessen Staat, als wie es unsere Mütter zu sein pflegen.
Letztere würden aber wol. oft Ohnmachtsanfälle bekommen, wenn
sie sehen sollten, wie selbst kleine Ostiakenkinder mit Messern
hantiren, ohne das es ihnen Jemand wehrt. Ich sah einmal ein
vielleicht vierjähriges Kindchen an einem Bastgeweih, herumschnitzeln,
das schon ziemlich erhärtet den Kräften des Kleinen viel zumuthete,
aber mit grösster Beharrlichkeit blieb es bei der Arbeit und verzehrte
die abgeschittenen Späne mit noch grösserem Behagen. Eine
ähnliche reizende Episode erzählt Schrenk (I. p. 538). In Folge
solcher Uebungen lernen diese Kinder aber auch das Messer, das für
ihr ganzes Leben wichtigste Instrument, bereits führen, wenn unsere