den uns vorausgegangenen Expeditionen gehört und hier das Vergnügen
eine derselbe einzuholen. Schon von Weitem fiel uns eine
grünangestrichene, offenbar ganz neue Lotka auf, die sich beim
Näherkommen als die ursprünglich uns zugedachte, von Herrn Pol-
jakoff „W. Semzow“ getaufte, erwies.
Bald trafen wir den uns bereits von Petersburg vom Franzei
vulgo „blauen Esel“ her bekannten Besitzer, Herrn Iwan Ssemeono-
witsch Poljakoff, der eben beschäftigt war eine Gruppe Ostiaken,
darunter als Weiber verkleidete Männer, photographisch aufnehmen
zu lassen, uns aber bald willkommen hiess.
Da bei dem hohen Wasserstande die Fischerei noch nicht betrieben
wurde, so beschäftigte sich H. Poljakoff, dessen Hauptaufgabe
die Untersuchung der Fischfauna bildete, einstweilen mit Land
und Leuten. „Doch gehe ich den Meeresfischen entgegen, schreibt
er unterm 80. Juni, die von der Obmündung den Fluss heraufkommend
ohne Zweifel bereits Obdorsk passirt haben und sich
Beresowsk nähern (!).“ Er schien also schon hier sehr genau über
die Zugverhältnisse (aber wol nur auf Grund Pallas’scher Angaben)
unterrichtet, obschon ihm, wie er selbst schreibt, die Arten noch
nicht aus eigener Anschauung bekannt waren.
Durch den Beamten wurden wir im stattlichen Hause des
ersten Kaufmanns Herrn Protopopoff eingeführt und hier nicht
allein bewirthet, sondern auch mit Gesangs- und Tanzvorstellungen
regalirt. Der Hauswirth, seine zahlreichen Nichten, ja selbst der
Sassjedatjelj trugen in Solo oder Chor Kirchenlieder vor, vermochten
damit aber für uns nicht das Interesse zu erwecken als ein herbeigeholter
ostiakischer Barde, der seiner 8seitigen Davidsharfe (ostiak.
Chotang, gleich Schwan, wie das russ. Lebed) bessere Weisen entlockte,
als wir dies von Kirghisen gehört hatten. Unter den Tanzaufführungen
war eine ebenfalls für uns neu. Sie schien die Birkhahnbalze
zum Motiv zu haben, wenigstens erinnerte die züchtigen
Blickes umhertrippelnde Schöne und ihr sie bald stürmisch umkreisender,
bald mit sanfter Stimme umtänzelnder Galan, auffallend
an jene Liebesspiele! Auch die uns schon bekannten Kosakentänze
(vergl. p. 282) wurden mit Eifer und Begeisterung executirt, wobei
Iwan Ssemeonowitsch alle Anderen aus dem Felde schlug. Und
das verwunderte uns nicht; denn als Sohn eines burjätischen
Kosaken (wenn ich recht berichtet wurde) in Transbaikalien anfgewachsen,
war er noch nicht alt genug um jene Tänze und die
Lust dazu bereits verloren zu haben.
Wie in allen diesen Dörfern nördlich von Samarowa, wird
kein Landbau mehr getrieben, da die angestellten Versuche missglückten.
Doch gedeihen Kartoffeln, rothe Rüben, Gurken und
Aehnliches.
Die aus Balken errichteten Viehställe, wie ich dieselben schon
bei Samarowa beschrieben, die mit höhen Heuhaufen bedeckt, sich
schon v o n Weitem bemerkbar machen, zeugen von den reichen Heuschlägen,
welche der Viehzucht zu Gute kommen. In der That
sieht mau hier noch allenthalben Rindvieh, grosse, unseren Marschenschafen
ähnliche Schafe, hier in Suchorowskaja sogar noch Schweine.
Doch nähren sich die Bewohner hauptsächlich von dem Ertrage
der Fischerei. Wegen Letzterer werden hauptsächlich eine Menge
recht hübscher Pferde gehalten, die wir jetzt öfters auf den grünen
Inseln antrafen. Sie treiben sich hier, gleichsam halbwild, weidend
umher, da es im Sommer keine Arbeit für sie giebt, haben aber im
Winter desto mehr mit dem Transport gefrorener Fische nach To-
bolsk zu thun. Ausser mit Fischen handeln die Bewohner mit
Pelzwerk und Zirbelnüssen. Wie mir Herr Protopopoff sagte,
werden hier jährlich 100—200 Zobelbälge angebracht (das Stück
schlechteste Sorte 5—6, mittlere 10, beste 15 R. im Verkauf);
ausserdem c. 300 Elenhäute (ä 5—6 R.). Leider war es, wie ich gleich
hier einschalten will, nicht möglich auf der ganzen Reise auch nur
ein Elchgeweih zu erlangen, da die eingebornen Jäger die Schaufeln
als werthlos wegwerfen.
Selbst die Vermitteluug des Sassjedatjelj blieb in dieser Beziehung
erfolglos, aber durch ihn erhielten wir Milch, Butter, Eier,
sogar 2 Lämmer, was uns zunächst mehr freute als Elchschaufeln.
Denn es ist nicht immer leicht Lebensmittel zu erlangen und meine
Bemühungen in dem vorhergehenden Kirchdorfe Jelisarowskaja (55
Häuser, 130 Einw.) waren vergebliche. Mit Hilfe des freundlichen
etwas angeheiterten Popen, dem ich für geweihte Kerzen eine
Opfergabe spendete, gelang es mir dort wenigstens, zwei eiserne
Bratpfannen zu erwerben, welche unserer Ausrüstung noch fehlten.
Nachdem Herr Poljakoff noch in seiner Lotka eine Flasche
Bier und dt. Rothwein zum Besten gegeben hatte, schieden wir
als gute Freunde mit „auf baldiges Wiedersehen1 und gingen