aber, dass wir in diesem Falle allein weiter gehen würden, er sein
Geld also einbüsse. So musste das junge Ehepaar allein Zurückbleiben,
was den Leutchen gewiss nicht unangenehm sein mochte:
waren sie doch einmal so ganz allein und sich selbst, ihrer Liebe,
überlassen! Hoffentlich hat Jung Sanda weniger den Eiszapfen
gespielt als es sonst den Anschein hatte. Seine kleine Frau suchte
wenigstens als sie spät Abends zurückkamen ihr Gesicht mehr als
sonst zu verhüllen und hatte mit ihrer Schwiegermutter gar viel
heimlich zu wispern und zu zischeln, vielleicht aber auch nur wegen
des Fuchses, der wie zu erwarten, sich nicht mehr gemeldet hatte.
Wie selten ein Unglück allein kommt, so auch hier: unser einziger
sogenannter „silberner“ Theelöffel, (er batte 30 Kopeken gekostet),
war verloren gegangen. Ich sagte zwar „nitschäwo“ ! (das macht
nichts) aber die Leute packten all ihre Sachen aus, was insofern
gut war, dass dabei die Unschuld unserer Syrjänen zu Tage kam,
auf denen der Yerdacht ruhte sie hätten den Fuchs in der Stille
seines Balges beraubt um Sanda die Mühe des Aufziehens zu • ersparen.
Madame Sanda wollte sogar mit Abpacken der Schlitten
beginnen, um auch ihrerseits zu zeigen, dass sie das Werthstück
nicht besitze, hätte ich die Sache nicht gewaltsam unterbrochen und
den Aufbruch befohlen. Uebrigens fand sich der Löffel zu aller
Beruhigung wieder.
Wir marschirten den ganzen Tag (9. August) und waren wiederum
in die Baumgrenze eingetreten, welche auf etwa 67‘/2° n. Br.
beginnt. Diese zuerst von Norden her angetroffenen Bäume*) waren
keineswegs verkrüppelt, wie sie das Ende des Holzwuchses meist
auf Hochgebirgen bietet, sondern hübsche bis 20 Fuss hohe Lärchen,
die, wenn auch nicht zu Wäldern, so doch oft bosquetartig an den
Seen vereint sianden oder in sperrigen Reihen die Rücken der Hügelzüge
schmückten. An Brennmaterial war also weiterhin kein Mangel,
desto mehr aber an Lebensrnitteln. Es wurde daher freudig be-
grüsst, als der Alte erklärte, er werde noch im Laufe des Abends
Brod aus einem Versteckplatze an der Schtschutschja holen, von der
wir nur sehr wenig entfernt sein konnten, wie die Beschaffenheit
*) Die Banmgrenze geht nach Kowalski an der Ostseite des Ural weiter nördlich
als auf der westlichen (Hofm. Eeise p. XXXI u. 194). Wichtige Mittheilungen
giebt auch Schrenk I. p. 258, 272, II. p. 465 und p. 438 — 482 (,,Ueber die
Grenzen der Holzgewächse im nordöstlichen Theile des Archangelichen Gouvernements.“)
der bewaldeten Höhenzüge vor uns andeutete. Zugleich bat der
alte Dschunschi ihn zu entlassen, da er von hier aus am nächsten
zu seinem Tschum habe. Nach längerer Verhandlung und nachdem
er einen von ihm und Sanda gemeinschaftlieh gezeichneten Kartenplan
vorlegte, hatte ich keinen Grund den guten Alten länger zu
halten,- so schwer ich mich auch von ihm trennte. Hatte er nicht
immer freiwillig den Kessel aufgesetzt, Vögel gerupft, Brennmaterial
gesucht, mir ein Extrafeuer gemacht! In der That es lag kein
Grund vor über diesen treffliehen Führer zu klagen, und ich kann
gleich hier einfügen, dass man den Eingeborenen, sofern man ihr
Vertraueli erworben, wiederum vertrauen darf, denn so verdächtig
ihre Angaben auch manchmal schienen, sie erwiesen sich zuletzt
doch immer als richtig. So entliess ich denn meinen Bruder
Dschunschi reich beschenkt, dem in meiner Erinnerung ein so freundlicher
Platz bewahrt bleibt, als dem alten Peter Hansen, der einst
mein Pfadfinder dnrch die Tundren Lapplands war. Auch Dschunschi
wird in den langen Winternächten seiner nordischen Heimath
noch manchmal von den weitgereisten Fremden und dem freundlichen
„Chosain“ erzählen, wenn er demselben auch nicht ein „danke“
sagte, da seine Sprache eben dieses Wort nicht kennt.
Der Morgen des 10. sah uns schon zeitig in Bewegung, denn
der Alte, den ich wie immer zu seinem Verdruss um 4 Uhr weckte,
war diesmal pünktlich aufgestanden, weil Haiwai für ihn die Nachtwache
bei der Heerde übernommen hatte. Der schöne, blaue, wol
eine halbe Meile lange See, Janboto (d. h. der Flache), an dem
wir nächtigten, spielte von heftigem Winde bewegt mit weissen
Wellenköpfen und die Landschaft gestaltete sich zu einer weit lieblicheren
als bisher. Im Laufe des Tages passirten wir noch an verschiedenen
namenlosen Seen vorbei, die sich in südöstlicher Richtung
von der Podarata bis zur Schtschutschja zu erstrecken scheinen und
meist, durch klare, in sauren Moorwiesen dahinfliessende Bäche verbunden
sind. Sie haben zum Theil hohe, steilabfallende Sandufer
die von weitem denen der Schtschutschja ähnlich sehen. Wir
lagerten gegen Mittag an einem solchen, wo der Tchum aufgeschlagen
wurde,. in welchem die Familie des Ostiaken Zurückbleiben
sollte, um mehr Fahrthiere aus der inzwischen arg redncirten
Heerde für unseren Transport nach der Schtschutschja zu gewinnen.
Wir fuhren gegen 3 Uhr ab und standen kaum eine halbe Stunde
später an dem steilen Ufer des langersehnten Flusses. Aber er war