Balaleika und jedenfalls dieser nachgebildet. Sie ist mit 3 Saiten
bespannt und wird, mit einem Haarbogen gestrichen, von Frauen
gespielt, daher der Name Niä-Naresjuch, d. h. Frauengeige.
Die Tanzkunst der Eingebornen soll noch erwähnt werden.
Ausser diesen Musikinstrumenten brachte ich noch zwei Geduldspiele
mit, welche zeigen, dass Ostiaken ihre freie Zeit nicht immer nur
verträumen, sondern auch Unterhaltungen besitzen, die Nachdenken
und somit gewisse Geistesanstrengung erfordern. Es sind dies eine
Art Blockspiel, ost. Chut-juch mudra, d. h. ein aus Klötzchen zusammensetzbarer
Würfel, wie er bei uns in jeder Spielwaarenhandlung
zu haben ist, und das „Fünfpferdespiel“ (ost. Wuet-laudimbi-juch).
Bei letzterem handelte es sich darum, 2 an einem Faden gereihte,
durchlöcherte 4 eckige Holzscheibchen, die durch einen Knoten getrennt
sind, nach einer Seite zu bringen ohne den letzteren zu
lösen. Wenn es wahr ist, dass reiche Ostiaken in diesem Spiele
oft bis 5 Pferde als Preis aussetzten, so würde ich im Falle einer
Wette verloren haben, denn ich vermochte, zum Ergötzen der Eingebornen
das Kunststück nicht nachzumachen. Beide Spiele scheinen
importirt, ebenso das Damenspiel (vergl. Schrenk p. 440). Gehören
derartig begabte Individuen nun auch zu den Ausnahmen, so traf
ich doch mit manchem Ostiaken zusammen, den man auch bei uns
einen „vernünftigen Mann“ nennen würde. Vor Allem erwähne ich
hier Jorka Mamrun, der sich so aufgeweckt als irgend ein schlichter
Landbewohner bei uns erwies. Er begriff den Zweck unserer Reise
vollkommen und ihm' verdanke ich die besten Nachrichten über sein
Volk, welche ich überhaupt erhielt. Ich hatte mir von Russen so
viel erzählen lassen und darunter soviel Unglaubliches gehört , was
sich bei schärferen Nachfragen meist als auf Hörensagen beruhend
erwies, dass ich vollkommen die mancherlei irrigen Mittheilungen
Reisender begriff. Denn auch Sujew (Pallas) hat ja offenbar viel
aus solchen unzuverlässigen Quellen geschöpft. Ich freute mich daher
ungemein einen Mann ausfragen zu können, der jedenfalls über
sein Volk die beste Auskunft zu geben wusste und damit nicht
zurückhielt, wenn auch die Schwierigkeit der doppelten Uebersetzung
Manches unklar liess und, wie immer, grosse Geduld erforderte.
Wie das innere Leben dieser Naturmenschen durch einseitige
und subjective Beurtheilung zu dem entsprechenden irrigen Vorstellungen
geführt hat, so auch das äussere. Sehr beherzigenswerth
für jeden Frischangekommenen, der so leicht geneigt ist Vergleiche
anzustellen, die in den meisten Fällen zum Nachtheile der Eingebornen
ausfallen, sind daher die Worte des ausgezeichneten Beobachters
v. Middendorff (p. 1417), der dringend anräth sich mit
den Verhältnissen doch ja erst eingehend bekannt zn machen, als
zu tadeln und immer wieder zu tadeln. „Ehe man es sich versieht
ist aller Dünkel aus dem eingebildeten Europäer wie fortgeblasen
und es fällt Einem wie Schuppen von den Augen, dass uns in jenen
primitiven Zuständen Vollkommenheiten ihrer Art vorliegen, welche
in ihrer Art durch tausendjährige Verbesserungen entwickelt wurden,
bis sie, in der eingeschlagenen Richtung keiner weiteren Verbesserung
zugänglich, in die Periode der Versteinerung eingetreten
sind. Der dünkelhafte Europäer, der es nicht unterlässt anfangs
Alles besser einrichten zu wollen, als die einfältigen Ureingebornen
Nordasiens, giebt nach kurzen, herben Lehren, welche die Eigenartigkeit
der Natur und der Lebensverhältnisse jener Gegend ihm,
dem vereinzelt dastehenden Kulturmenschen, einzuprägen nicht unterlassen,
alles Meistern auf, und er kann, wenn er nicht zu Grunde
gehen soll,'nur dadurch sich erhalten, dass er selbst sich in einen
nomadischen Asiaten umwandelt.“
Wie der West - Europäer die erste Tarantass als ein plumpes,
die niedrigste Stufe des Wagenbaus repräsentirendes Gefährt verächtlich
ansieht, bei längerer Bekanntschaft aber als äusserst praktisch
anerkennen und schätzen lernt, so geht es ihm auch in Beurtheilung
von allerlei Geräth und Hantirung der Eingebornen.
Der Anfangs mitleidig belächelte Renthierschlitten entpuppt sich
bei eigener Erfahrung, wie wir gesehen haben, als ein in seiner
Art unübertreffliches Machwerk. Ebenso geht es mit den 24 Fuss
langen Canos, 'die aus einem ausgehöhlten Baumstamme bestehen,
an den mittelst Wurzelfasern jederseits ein Seitenbord befestigt ist.
Zum Verschmieren der Ritze1 dient Harz und als Anstrich wird
Siegelerde mit Fischfett vermischt angewendet. Die trefflichen, äusserst
leichten und elastischen Ruder, die Schneeschuhe, Waffen u. s. w.
lassen an sauberer Arbeit nichts zu wünschen übrig und würden
manchen Handwerker bei uns beschämen. Selbst der Tschum (ost.
Chornhot, sam. Mä), bald mit Birkenrinde (Lung-chornhot), bald
mit Fellen (Tal - chornhot) gedeckt, erscheint in seiner Art als eine
durchaus vollkommene Wohnung und überragt in mancher Hinsicht
die rohen Blockhütten russischer Fischer, die sich nicht immer die
Mühe geben ein einigermassen wasserdichtes Dach herzustellen, ob